Veröffentlichung von Woody Allens Biographie soll auch in Deutschland verhindert werden – News vom 9. März 2020
1. Vorgestern meldete Genderama, dass in den USA die Veröffentlichung der Biographie Woody Allens verhindert wurde. In der Berichterstattung darüber hatte es auch geheißen:
Der Hamburger Rowohlt-Verlag hatte nach den Mitarbeiter-Protesten angekündigt, an der Veröffentlichung in Deutschland festhalten zu wollen. Das Buch mit dem Titel "Ganz nebenbei" werde wie geplant am 7. April erscheinen, teilte eine Sprecherin mit. "Die Vorwürfe gegen Woody Allen sind seit Anfang der Neunzigerjahre bekannt, sie sind umfassend untersucht und schließlich entkräftet worden", hieß es weiter.
Da MeToo aber vor keiner Staatsgrenze Halt macht, beginnt jetzt auch im Hause Rowohlt die Hexenjagd auf Woody Allen. In einem offenen Brief, den die "taz" verbreitet, wenden sich Autoren des Verlages – darunter Till Raether, Margarete Stokowski, Kathrin Passig und Sascha Lobo – gegen die deutsche Veröffentlichung von Woody Allens Biographie:
Wir haben keinen Grund, an den Aussagen von Woody Allens Tochter Dylan Farrow zu zweifeln. Ihr Bruder Ronan Farrow hat sich nachdrücklich gegen die Veröffentlichung im Verlag Hachette ausgesprochen, in dem auch seine eigenen Bücher erschienen sind. Der Rowohlt Verlag hat die Bücher Farrows auf Deutsch veröffentlicht und ist damit in derselben Situation wie Hachette. (…) Wir zeigen uns solidarisch mit den Angestellten des Hachette-Verlags, deren Proteste dazu geführt haben, dass der Verlag sich gegen eine Veröffentlichung des Buches entschieden hat. Wir fordern Sie auf, diesem Beispiel zu folgen. Das Buch eines Mannes, der sich nie überzeugend mit den Vorwürfen seiner Tochter auseinandergesetzt hat, und der öffentliche Auseinandersetzungen über sexuelle Gewalt als Hexenjagd heruntergespielt hat, sollte keinen Platz in einem Verlag haben, für den wir gerne und mit großem Engagement schreiben.
Jetzt habe ich alles gesehen. Menschen, die vom freien Wort leben, möchten das freie Wort unterbinden.
Wenigstens zeigen sich die Kommentatoren unter dem offenen Brief durchgehend ablehnend. Ein sarkastischer Satz in diesen Kommentaren lautet:
"Die moralische Erhabenheit der deutschen Kartoffeln gegenüber dem sexlüsternen Juden ist ja ergreifend."
Sehr schön. Wenn der haltlosen Pädophilie-Unterstellung mit der hatlosen Antisemitismus-Unterstellung begegnet wird, spielen die Beteiligten der Schlammschlacht wenigstens in derselben Liga.
Auf Spiegel-Online sind die Kommentare unter dieser Meldung ähnlich vernichtend. Auch hier greife ich mal einen heraus:
Es ist nicht so, dass Ihr, außer Eure ignorante Geisteshaltung kundzutun, irgend etwas zu sagen habt, was mich interessiert oder einen Grund liefert, Eure Publikationen zu kaufen oder zu lesen. Aber Ihr habt Euch in meinen Augen so diskreditiert, dass ich ab sofort darauf achten werde, dass durch mich kein Geld mehr in Eure Kassen fließen wird!
2. Mission Lifeline startete gestern eine Evakuierungsmission für Kinder und Mütter aus den Flüchtlingslagern in Lesbos. Von Vätern ist wie selbstverständlich nicht die Rede.
3. Ich weiß nicht, ob ihr es mitbekommen habr, aber gestern war der Weltfrauenkampftag. Der schönste Beitrag, den ich dazu gefunden habe, stammt von Paula Wright:
Es ist keine allgemein erkannte Wahrheit, aber die Worte "Feministin" und "Frau" sind keine Synonyme. Wie kommt es also, dass jedes Jahr der internationale Frauentag zum internationalen Feminismustag wird? Jahr für Jahr zeigen Studien, dass sich die meisten Menschen, Männer und Frauen, nicht als feministisch identifizieren. Dieses Phänomen wurde mir zum ersten Mal in den frühen 1990er Jahren bewusst, als ich meine Abschlussarbeit schrieb, in der Hoffnung, eine Übereinstimmung zwischen Feminismus und Evolutionstheorie zu erreichen. Wie die meisten Menschen im Westen glaubte ich an die Chancengleichheit für Männer und Frauen - dass man Menschen keine Rolle oder Berufung verweigern sollte, wenn sie talentiert und leidenschaftlich genug sind, um einen Beitrag zu leisten. Daran glaube ich immer noch. Aber das ist kein Feminismus. Es ist Egalitarismus, und der Feminismus hat die unangenehme Angewohnheit, sich unter seinem Rock zu verstecken.
Wenn man sie fragt, was Feminismus eigentlich ist, neigen Feministinnen zu Zweideutigkeiten. Die übliche Rückzugsposition ist, dass der Feminismus viele Denkschulen habe und nicht auf eine bestimmte Position festgelegt werden könne, wobei die Tatsache ignoriert wird, dass es Bibliotheken voller feministischer Literatur gibt, die genau dies tun. Wenn man sich diese riesige Literatur ansieht, ist es sehr leicht, die eine Sache zu finden, in der sich alle Glaubensrichtungen des Feminismus einig sind, auch wenn sie sich nur in wenigen anderen Punkten einig sind, und das ist das Patriarchat.
Intersektionelle und radikale Feministinnen mögen sich derzeit in einem Zermürbungskrieg um die Vorherrschaft über die feministische Marke befinden, aber alle sind der Überzeugung, dass das primäre Ziel des Feminismus nicht darin besteht, Frauen in die Lage zu versetzen, ihren eigenen Weg zur Selbstverwirklichung zu wählen, sondern darin, Frauen von den unterdrückenden Fesseln dieses Dings namens "Patriarchat" zu befreien, ob sie es nun mögen oder nicht.
Also, was ist es? Im Grunde umfassst es alles, was Sie möglicherweise zurückhält und den Männern zuzuschreiben ist, was alles und jedes ist. Wenn Sie dieses kleine Stückchen Zirkelschluss einmal begriffen haben, ist die Welt Ihre protandrische, transsexuelle Auster.
Haben Sie jemals unter mangelndem Selbstvertrauen gelitten? Das ist kein normales Gefühl, wenn Sie eine neue Aufgabe übernehmen oder Ihre Grenzen erweitern. Nein. Das ist das Patriarchat, das Sie durch die bewussten, strukturell bedrückenden Mechanismen der sexuellen Verdinglichung, den männlichen Blick und die stereotype Bedrohung zu Fall bringt. Arbeiten Sie in Teilzeit für eine bessere Work-Life-Balance? Das liegt nicht daran, dass der Mensch eine sich sexuell fortpflanzende Spezies ist, die Junge zur Welt bringt, wobei es eine "grundlegende Prämisse in der Säugetiersoziologie" darstellt, "dass Frauen im Vergleich zu Männern mit unverhältnismäßig hohen Kosten der Fortpflanzung belastet werden". Nein! Das ist die vom Patriarchat geschaffene sozial konstruierte Schwangerschafts- und Mutterschaftsstrafe, die eine Mehrheit der nicht gebärwilligen Frauen dazu zwingt, mehr in ihren Nachwuchs zu investieren und mehr Kinderbetreuung zu betreiben, was Frauen davon ausschließt, für das erwähnte kapitalistische Patriarchat zu arbeiten.
(…) Werden Sie in Bars von Männern angemacht, die Sie nicht attraktiv finden, und werden Sie nie von denen angemacht, bei denen Sie das tun? Das ist das Patriarchat. Alles, was du tust, tust du, weil du ein Mädchen bist, und alles, was du nicht tun kannst, ist wegen dem PATRIARCHAT! Alle feministischen Wege führen dorthin. Alle Feministinnen beten an seinem Altar. Alle verneigen sich vor ihm.
Und das ist der große Hinweis an jedem internationalen Frauentag. Verfolgen Sie die Hashtags in den sozialen Medien und Sie werden diese feministische Agenda sehr deutlich sehen. Es ist eine Agenda, die keine Zeit oder Geduld mit Frauen hat, die sich ihr nicht unterwerfen. Für diese Frauen - eine Mehrheit von Frauen - hat der Feminismus nur Verachtung.
Einen glücklichen internationalen Frauentag also allen Frauen da draußen, die nicht glauben, dass sie von dem riesigen fliegenden patriarchalischen Spaghetti-Monster unterdrückt werden. Und denken Sie daran, Feministinnen definieren sich über ihre Politik, nicht über ihr Geschlecht - im Gegensatz zu Frauen. Und die meisten Frauen sind keine Feministinnen.
4. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:
Lieber Arne,
nach wie vor verfolge ich Deinen Blog Genderama täglich und mit großem Interesse. Ich habe selbst ein sehr wachsames Auge und eine sehr sensible Empfindung, was die Entwicklung von Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechterthemen in der Gesellschaft und im Privaten angeht – was mich zuletzt wiederholt in Konflikte mit meinen Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit gebracht hat. Mit meiner Ex liege ich ohnehin im Clinch. Und ich glaube nicht, dass ich übertreibe, worin mich jeder Artikel deines Blogs bestätigt.
Letztens fiel mir ein Artikel in der kostenlosen U-Bahn-Zeitung in Wien auf: "Eklat beim Bachelor!" Warum? Weil der Bachelor keiner Frau die letzte Rose geben wollte. Was hatte er getan? Er befand, dass keine Frau es wirklich wert war, eine Partnerschaft mit ihr einzugehen. Nichts weiter. Und was war der Kommentar des "Journalisten"? Preuss sei ein entscheidungsschwaches Muttersöhnchen.
Ich möchte mich nicht über solche Sendungskonzepte unterhalten. Ich schaue diese Sendungen nicht. Mir ist nur der missfallende Ton aufgefallen, mit dem eine selbstbestimmte Entscheidung eines Mannes auf das sexuelle Begehren von Frauen bzw. Fernsehzuschauern beiderlei Geschlechts trifft. Der Mann ist der Loser! Er wird angefeindet, obwohl er nichts weiter getan hat als zu sagen, dass ihm keine der zur Auswahl stehenden Frauen gut genug war. Da hilft es noch nicht einmal, dass seine Mutter ihm bei der Entscheidung geholfen hat – was ja wieder Grundlage für andere Sendungen ist ("Date My Mom" auf MTV).
Das bessere Ende kommt aber noch! Ein paar Tage später stand dann dieser Artikel in derselben Zeitung: "Bachelor weinte wegen seiner Mama". [Dem Artikel zufolge wurden Sebastian Preuss und seine Mutter Opfer derart heftigen Cybermobbings, dass sie Preuss' Mutter einem Zusammenbruch nahe war und in den sozialen Medien abgeschottet werden musste.] Mich hat es fast von meinem Sitz in der U-Bahn gerissen. Da wird einer fertig gemacht und bekommt Hassnachrichten einschließlich seiner Mutter, weil er keine aus einer kleinen Auswahl an Frauen attraktiv genug fand? Geht’s noch?
Richtig interessant wird es, wenn man auf Wikipedia die Geschichte von Sebastian Preuss anschaut: Er wuchs ohne Vater auf und landete zeitweilig auf der schiefen Bahn. Sein älterer Bruder starb offenbar an einer Überdosis Drogen. Inzwischen ist Preuss Kickboxer.
Die ganze Geschichte ist voller Klischees über die Misandrie unserer Gesellschaft und darüber, wie schwer es nicht nur alleinerziehende Mütter haben, sondern auch wie schwer es junge Männer haben, ohne Vater aufzuwachsen. Aber er bekommt nicht die Empathie der Gesellschaft, sondern er bekommt den Hass. DAS ist unser Zeitgeist: Sexismus gegen Männer! Man-Shaming, Man-Blaming, Man-Bashing, Man-Hating! Es trifft alles zu.
Ein ähnliches, wenn auch weniger heftiges Problem hatte ich letzte Woche auf Arbeit: Ich arbeitete mit einer Kollegin an einem Projekt. Sie hatte eine bestimmte Idee zu seiner Umsetzung im Kopf, ich eine andere. Obwohl ich verstand, was sie wollte, habe ich es nicht sofort umgesetzt, ohne meine Zweifel daran zu formulieren. Letztlich war keines unserer Konzept falsch, ich hätte es so gemacht, sie anders. Schließlich nannte sie mich stur, was mich wirklich verärgert hat, denn Sturheit ist sicher eine derjenigen Eigenschaften, die man mir am wenigsten zuschreiben kann. Wir sind an diesem Tag im Streit auseinandergegangen. Als am nächsten Tag der Ärger verflogen war, aber keiner von uns von seiner Position abrücken wollte – anders gesagt: ich wollte nicht schon wieder den Klügeren spielen und ihr nachgeben –, meinte sie lapidar, dass man Frauen anders behandeln müsse. Was mich darin bestärkt hat, nicht schon wieder den ersten Schritt zu machen und eine Aussprache mit ihr anzustreben. Denn wenn wir in der Arbeitswelt gleich sind und Frauen dasselbe Geld wollen, müssen sie auch dieselbe Bereitschaft zeigen, die Lösung eines Konflikts über ihre eigene Befindlichkeit zu stellen. Sofern sie aber mit der Einstellung durch die Welt gehen, dass Männer Frauen Galanterie schulden, brauchen sie sich über Sexismus nicht beklagen. Denn sie initiieren ihn ja erst.
Das Konzept des Feminismus ist nicht Gleichberechtigung. Das Konzept ist: Ist der Sexismus positiv für Frauen, ist er gut – ist er negativ, ist er schlecht. Ist der Sexismus positiv für Männer, ist es das pöse Patriarchat – ist er negativ für Männer, ist es möglicherweise noch nicht negativ genug.
Insofern brauchst du gar nicht an die US-amerikanischen Universitäten oder nach Indien gehen. Wir leben in einer misandrischen und gynozentrischen Welt, in der die Selbstbestimmung des Mannes NICHTS zählt. Nicht bei der Partnerwahl, nicht bei politischen Wahlen, bei keiner Wahl, die einem Mann ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.
Draußen demonstrieren Sie wieder wegen Frauentag. Aber warum sind eigentlich nicht Hunderttausende und Millionen von Männern auf der Straße, weil man Männer zu Menschen zweiter Klasse degradiert? Zu Sexobjekten und Zahleseln, zu Arbeitstieren und Samenspendern, zu Lustsklaven und Hassobjekten?!
Danke für Deine Arbeit! Von Herzen!
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