Sonntag, März 01, 2020

"Arme und Schwarze werden unter den Folgen des Weinstein-Prozesses zu leiden haben" – News vom 1. März 2020

1. Die World Socialist Website kritisiert in einem ausführlichen Artikel die Urteilsfindung im Weinstein-Prozess und wie der Angeklagte durch Medien wie die New York Times vom Menschen zum Monster gemacht wurde. Im Fazit des Artikels wid deutlich, warum diese Entwicklung gerade Linken Sorge bereiten sollte:

Die Verurteilung stellt eine Regel auf, nach der die Schuld nur aufgrund der Aussagen der Ankläger festgestellt werden kann, denen, wie die Times und die Staatsanwaltschaft behaupten, immer geglaubt werden muss, selbst wenn, wie hier, substanzielle Beweise dafür vorliegen, dass die Anklägerinnen langjährige einvernehmliche Beziehungen zu Weinstein unterhalten haben.

Auf der Grundlage dieser neuen Regeln wird eine ungezählte Anzahl von Menschen - fast alle von ihnen arm, die meisten von ihnen schwarz - für Verbrechen, die sie nicht begangen haben, eingesperrt werden.


Das dürfte weit überwiegend Männer treffen, wenn man sich die Statistiken so anschaut.

Viele Menschen erinnern sich an den Racheaufruf der Times im Fall der Central Park Five, als schwarze Jugendliche aus der Arbeiterklasse für einen Mord, den sie nicht begangen haben, verurteilt und ins Gefängnis geworfen wurden. Am 26. April 1989 schrieb die Times einen Leitartikel mit dem Titel "Der Jogger und das Wolfsrudel", in dem sie die unschuldigen Kinder entmenschlichte.

"Ein Rudel Teenager wütet durch den Central Park ... vergewaltigt eine unschuldige junge Frau", schrieb die Times. "Die New Yorker reagieren mit einhelliger Wut: Diejenigen, die sich dieser Gräueltat schuldig gemacht haben, verdienen eine schnelle und strenge Bestrafung."

Die großen Prozesse in der amerikanischen Geschichte sind diejenigen, die die demokratischen Rechte verteidigt oder, in den besten Fällen, erweitert haben. Die Menschen erinnern sich mit Dankbarkeit an die Fälle, die angesichts einer Hexenjagd mit Freispruch endeten.

Es ist nichts Erhebendes, geschweige denn Aufschlussreiches an einem Prozess, in dem eine Verurteilung durch grobe Manipulation der öffentlichen Meinung erreicht wird. Diejenigen, die ihre Anpassung an die Hexenjagd rechtfertigen, weil sie Harvey Weinstein nicht mögen, sollten über die Folgen ihrer Gleichgültigkeit gegenüber der Verteidigung der demokratischen Rechte nachdenken.




2. In einem neuen Beitrag des Youtube-Kanals "The Middle Ground" versuchen MeToo-Anhänger und MeToo-Kritiker eine gemeinsame Basis zu finden. Jeweils zwei Frauen und ein Mann aus beiden Lagern kommen dabei miteinander ins Gespräch. Mir gefällt die junge Frau, die, selbst Opfer zweier Vergewaltigungen, darauf hinweist, dass Männer in ähnlichem Ausmaß von sexuellen Übergriffen betroffen sein dürften wie Frauen. Unterhaltungen wie diese wird man in deutschen Talkshows nie finden, nicht in den nächsten zwanzig Jahren. Gott, die Debatte könnte schon so viel weiter sein, wenn es in deutschen Redaktionsstuben nicht diese panische Angst vor abweichenden Sichtweisen gäbe …



3. Im britischen Politikmagazin "Spectator" fragt Mary Wakefield nach den Enthüllungen über Amber Heard und die von ihr ausgeübte häusliche Gewalt: "Warum glaubte niemand Johnny Depp?" In dem Artikel geht sie auch mit sich selbst ins Gericht:

Zuerst galt mein Mitgefühl Amber. Komm schon, Johnny, komm schon, Captain Jack Sparrow, kann eine Dame nicht mit ein oder zwei Tellern werfen? Sicherlich ist eine Ohrfeige unter provokativen Umständen in Ordnung? Der Fernseher meiner Jugend war voll von Damen mit Schulterpolstern, die Männer ohrfeigten. Es verging kaum eine Woche beim "Denver Clan", ohne dass Joan Collins als Alexis Carrington, irgendeinen sich duckenden Kerl schlug. Das war auch sehr befriedigend.

Es ist schlimmer für einen Mann, eine Frau zu schlagen, als umgekehrt. Vielleicht sind Sie anderer Meinung - die meisten Milennials sind geneigt dazu - aber denken Sie an Hollywood, den Spiegel unserer aller Seelen. Denken Sie an die Hunderte von lustigen romantischen Komödien, in denen das Mädchen dem Kerl eine runterhauen darf - vielleicht ist er zu forsch rangegangen oder es gab ein Missverständnis. Keine große Sache. Nun stellen Sie sich mal eine romantische Komödie vor, in der der männliche Protagonist die Beherrschung verliert und der Frau eine reinsemmelt, an der er interessiert ist..

Eine Woche, nachdem die Gesprächsmitschnitte durchgesickert waren, öffnete sich ein weiteres Fenster zum Liebesnest von Heard und Depp; eine weitere verrückte Aufnahme fand den Weg zur Daily Mail, und danach kann die Affäre in einem ganz anderen Licht gesehen werden. Mein ganzer Umgang mit Frauen, die Männer ohrfeigen, sieht anders aus, und ich muss meine Vorurteile überdenken, was unangenehm ist.

"Sag es der Welt, Johnny, sag es ihnen: Ich, Johnny Depp, ein Mann, bin auch ein Opfer von häuslicher Gewalt ..." Das ist Amber, die Johnny verspottet, ihn anfaucht und ihn herausfordert, ob er sich traue, an die Öffentlichkeit zu gehen. "Du bist größer und du bist stärker. Ich war eine 52 Kilo schwere Frau... Du willst in den Zeugenstand gehen und sagen: 'Sie hat angefangen'? Im Ernst? Sieh nur, wie viele Leute dir glauben oder sich auf deine Seite schlagen werden." Es war, als hätte das ganze Drama plötzlich das Genre gewechselt, von einem Porträt einer Rock'n'Roll-Ehe in LA zu etwas, das eher "Single White Female" gleicht.

Nach der zweiten Aufnahme war ich nicht mehr das Team Amber. Schlimmer noch: Ich war nicht einmal mehr in meinem eigenen Team. Amber Heard hatte Recht. Niemand hatte auch nur eine Sekunde daran gedacht, Johnny zu glauben, niemand hatte ihre Version der Ereignisse in Frage gestellt, nicht weil sie einen wasserdichten Fall hatte - sondern weil sie eine Frau war.

Um zu verstehen, wie verrückt diese letzte Aufnahme ist, muss man etwas von der Geschichte der Depp/Heard-Affäre verstehen. Im Sommer 2016, nach nur einem Jahr Ehe, beschuldigte Amber Johnny, sie geschlagen zu haben. Sie stellte Fotos ihres leicht geprellten rechten Auges auf Instagram ein, und als sie die Scheidung einreichte, setzte sie eine einstweilige Verfügung durch. Es gab wirklich nicht viele Beweise, aber Amber sah genau das Bild eines Opfers des 21. Jahrhunderts: schön, zerbrechlich, mutig und pansexuell. Die Welt scharte sich um sie, und jeder, der auch nur daran dachte, Ambers Darstellung der Ereignisse in Frage zu stellen, wurde schnell als Frauenfeind beschimpft.

Die beiden Ex-Frauen von Depp wirkten verwirrt. Vanessa Paradis sagte: "In all den Jahren, die ich Johnny kenne, hat er mich nie körperlich misshandelt, und das sieht nicht aus wie der Mann, mit dem ich 14 wundervolle Jahre lang zusammenlebte." Depps erste Frau, Lori Anne Allison, stimmte dem zu und sagte, er sei ein "sanfter Mensch". Depps Tochter Lily-Rose Depp verteidigte ihn ebenfalls und wurde daraufhin von der Zeitschrift "Grazia" angegriffen: "Heards Stimme zählt und unsere heimtückischen, zweifelnden Stimmen nicht".

Johnny glaubt, dass er aufgrund der Aufregung seinen lukrativsten Auftritt, die Rolle des Captain Jack Sparrow in der Filmreihe "Pirates of the Caribbean", verloren hat, und niemand hielt es für unfair. Ich hielt es nicht für unfair, ich nahm einfach an, dass Johnny ein Schuft war. Es kam mir und den üblichen Aktivisten gegen Missbrauch nie in den Sinn, dass Johnny derjenige sein könnte, der Hilfe braucht. Er ist ein Mann, Teil des Patriarchats, wie kann er da ein Opfer sein?


Die Menschen brauchen ein paar Jahre (oder Jahrzehnte), um auf den geistigen Stand der bösen Männerrechtsbewegung zu gelangen, aber nach und nach sickert er bei immer mehr von ihnen ein.

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