Thüringen: Bodo Ramelow setzt feministisches Wahlrecht aus – News vom 8. März 2020
1. Wie Genderama schon mehrfach berichtet hatte, wurde letzten Juli im Bundesland Thüringen mit einem sogenannten "Paritätsgesetz" das feministische Wahlrecht beschlossen, das verschiedene Verfassungsrechtler kritisch beurteilen. Am 22. Januar hat die Thüringer FDP einen Gesetzesentwurf erstellt, der dieses neue Wahlrecht wieder aufheben soll. Die AfD hat Klage gegen das Gesetz beim Thüringer Verfassungsgericht eingereicht.
Die Tagesschau berichtet über den aktuellen Stand der Dinge:
Mit Blick auf die für April 2021 geplante Landtagswahl hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow angekündigt, das Paritätsgesetz des Bundeslandes vorübergehend außer Kraft setzen zu wollen. "Mit dem Gesetz hat Rot-Rot-Grün durchgesetzt, dass die Wahllisten künftig jeweils zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt sein müssen. Aber durch die zu erwartenden Klagen und den FDP-Antrag würde jede Landtagswahl blockiert. Deshalb wollen wir das Inkrafttreten außer Kraft setzen", sagte der Linken-Politiker der "Thüringer Allgemeinen". "Das Paritätsgesetz würde somit erst zur übernächsten Landtagswahl, also nicht schon zur Wahl im April 2021, in Kraft treten. Damit wären wir auf der sicheren Seite", erklärte er weiter.
Auf Spiegel-Online berichtet Milena Hassenkamp über diese Entwicklung unter der Schlagzeile "Bodo Ramelow kuscht vor AfD und FDP". In dem Artikel heißt es:
Die Rechtswissenschaftlerin Silke Laskowski glaubt nicht an einen Zufall. Sie hat das Brandenburger Paritätsgesetz beratend mitgestaltet und pocht darauf, dass Paritätsgesetze nicht verfassungswidrig, sondern verfassungsmäßig geboten sind. Dem SPIEGEL sagte sie: "Wenn Sie sich die Termine anschauen, an denen die AfD Klage eingereicht und die FDP eine Gesetzesänderung beantragt hat, dann sieht es schon so aus, dass Einigkeit darüber besteht, das Paritätsgesetz auf zwei verschiedenen Wegen anzugreifen". Für Laskowski ist klar: "Der Sexismus der AfD wird durch die FDP gestützt".
(…) Der Erfolg von Ramelows Regierung bei diesem wichtigen Gleichstellungsthema wäre in diesem Fall erst einmal zunichte - dürften sich FDP und AfD doch auch zu einem späteren Zeitpunkt gegen das Gesetz stemmen.
Nachdem Ramelow einen Kandidaten der AfD (in der Sprache der Linken "Faschisten") als Vizepräsidenten für den Landtag gewählt hatte, sind ohnehin viele Parteikollegen über ihn entsetzt.
2. In Göttingen geht Fridays for Future für den Feminismus auf die Straße:
"Wenn Frauen streiken, steht die Welt still" ist auf den Straßen Göttingens zu hören.
Auch wenn das Wetter es dem örtlichen Schulstreik vor dem Neuen Rathaus in Göttingen nicht leicht machte, haben sich circa 300 Schülerinnen und Schüler und Unterstützende versammelt, um unter anderem zu den Klängen von "Fickt-Euch-Allee" von Großstadtgeflüster durch die Uni-Stadt zu ziehen.
(…) "Als Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung sehen wir uns in der Pflicht, auf die Verbindungen der Klimakrise mit anderen Kämpfen hinzuweisen. Neben Themen wie Rassismus, Kapitalismus und sozialer Ungerechtigkeit beschäftigen wir uns auch mit Feminismus. Wir glauben nicht, dass die Klimakrise gelöst werden kann, solange Geschlechterungerechtigkeit und alle anderen Arten von Unterdrückung bestehen bleiben. Deshalb werden wir am Freitag besonders für den Feminismus auf die Straße gehen!", sagte Carla Hille zur Position der Ortsgruppe.
Kaya Münch fügte ergänzend hinzu: "Am Sonntag, den 8. März steht dann der internationale Frauen*kampftag an. Wir rufen alle Menschen auf, sich ab 14 Uhr der feministischen Streikversammlung am Gänseliesel zu versammeln und später an der Demonstration teilzunehmen."
3. Die US-Website "The College Fix", die sich mit den Anliegen angehender Akademiker beschäftigt, berichtet über einen aktuellen Konflikt im Zusammenhang mit einem angeblichen sexuellen Übergriff. Ich kann hier nicht über jeden dieser mitunter höchst absonderlichen Konflikte berichten, greife aber gerne ab und zu mal einen heraus, um das Klima zu veranschaulichen, das an amerikanischen Hochschulen im Zeitalter von MeToo herrscht:
Das Williams College suspendierte einen männlichen Schüler aufgrund seines Versäumnisses, eine Beziehung zu einer Studentin zu unterhalten, nachdem er sie "geküsst und berührt" hatte, wie aus einer Klage gegen die Privatschule hervorgeht.
Sowohl der nicht namentlich genannte hispanische Student "John Doe" als auch seine Anklägerin "Sally Smith" sind ausländische Studenten. Sie beschuldigte ihn des sexuellen Fehlverhaltens, nicht weil er ohne ihre Zustimmung gehandelt habe, behauptet John, sondern weil er nach ihren amourösen Begegnungen "kulturell unsensibel" gewesen sei.
(...) Der Verhaltenskodex des Kollegiums besagt ausdrücklich, dass "eine einmal gegebene Zustimmung jederzeit zurückgezogen werden kann", aber Sally versuchte, ihre Zustimmung nach den Begegnungen zurückzuziehen, wie aus ihren Textnachrichten an John hervorgeht, erläutert er.
Sally begann die Beziehung zu John im November 2016, indem sie "einigen ihrer Freunde" vor ihrem ersten Abendessen sagte, dass sie an ihm interessiert sei. Bei einem Spaziergang nach dem Abendessen erzählte sie ihm, dass sie "noch nie einen Jungen geküsst" habe, weil die "restriktiven kulturellen Normen in ihrem Heimatland" dies erfordern.
John bat Sally um die Erlaubnis, sie in seinem Schlafsaal zu küssen, und sie stimmte zu. Der Kuss eskalierte zu einer "einvernehmlichen Berührung", während er vollständig bekleidet war.
Zwei Tage später schickte sie ihm eine Nachricht, in der sie ihm sagte: "Ich habe dich sehr gemocht", und nannte ihre amouröse Begegnung "großartig". Sie entschuldigte sich dafür, dass sie "die ganze Zeit so seltsam und unbeholfen war".
Obwohl sie "die emotionalen Aspekte" der Begegnung "mehr als die körperlichen schätzt, habe ich mich danach so anders und befreit gefühlt", schrieb Sally. "So glücklich war ich nicht mehr, seit ich das College begonnen habe."
Als er vier Tage später antwortete, zeigte John weniger Enthusiasmus und sagte, dass sie "irgendwann in der nächsten Woche mal abhängen" sollten, warnte aber, dass "ich bis zum Ende des Semesters super beschäftigt sein werde".
Sie sprachen erst wieder im Januar, als Sally sich für eine Stelle in einer Campus-Organisation bewwarb, wo John in der Führung tätig war. Sie bat darum, mit ihm zu sprechen, bevor sie erfuhr, dass sie die Stelle bekam, was er ihr bei ihrem Treffen in seinem Wohnheimzimmer mitteilte.
Sally "drückte ihren Ärger darüber aus, was sie als mangelnde kulturelle Sensibilität John Does in Bezug auf ihre frühere Interaktion empfand" – also dass er keine romantische Beziehung mit ihr aufbaute, nachdem sie körperliche Zuneigung gezeigt hatte.
Während John Sally sagte, er sei "emotional nicht verfügbar", bat er sie erneut um einen Kuss, und sie stimmte erneut zu. Die Klage behauptet, er habe "Smith jedesmal gefragt, bevor er eine neue Berührung begann, und nichts ohne ihre Zustimmung getan".
Sie lehnte seine erste Bitte, ihre Brüste zu berühren, ab, billigte aber wenige Minuten später seine zweite Bitte.
Einige Tage später fragte John Sally, warum ihre Freundinnen ihn "seltsam behandelten". Sie sagte ihm, er habe sie "emotional manipuliert", "ihre mangelnde Kenntnis der amerikanischen kulturellen Normen ausgenutzt" und ihre eigenen kulturellen Normen "nicht respektiert". Aber was John in Panik versetzte, war, dass Sally angeblich sagte, sie habe "viele Leute, die bereit sind, um ihn zu verletzen".
Obwohl Ninah Pretto, stellvertretende Dekanin des Internationalen Studentenwerks, ihm sagte, dass dies als Belästigung ausgelegt werden könne, sagte ihm die Leiterin der Abteilung für die Prävention und Reaktion auf sexuelle Übergriffe, Meg Bossong, dass sie ihm nicht helfen könne. Er erhielt die gleiche Antwort von "jedem anderen", den er um Hilfe bat.
Drei Monate später - nachdem Bossong mit ihrem "Junior-Berater" gesprochen hatte - reichte Sally eine formelle Diskriminierungs-Beschwerde gegen John ein, in der sie behauptete, dass die Begegnungen im November und Januar nicht einvernehmlich gewesen waren.
(…) Johns Lebens- und Karriereplanung - Jurastudium gefolgt von Politik - sei durch die Feststellung von nicht einvernehmlichen sexuellen Kontakten in seiner Akte versperrt, argumentiert er.
Er sei bereits gezwungen worden, von einer "konkurrierenden" Führungsposition auf dem Campus zurückzutreten, nachdem andere in der Organisation gedroht hätten, ihn zu entfernen. Einer seiner Zeugen "wurde ebenfalls auf dem Campus stigmatisiert und gezwungen, eine Studentenorganisation zu verlassen".
John war nicht einmal in der Lage, seine College-Karriere an den drei Schulen zu beenden, die "routinemäßig Williams-Studenten für ein vorübergehendes Studium aufnehmen". Angesichts seiner akademischen Qualifikationen "waren diese Ablehnungen eindeutig die Folge Disziplinarmaßnahmen gegen ihn", heißt es in der Klage.
Ja; hättste mal lieber 'ne Beziehung mit dem Mädchen aufrecht erhalten, nachdem du mit ihr geknutscht hast.
4. Und wieder einmal weiten wir kurz den Blick auf Sexismus ins weit entfernte Ausland: Neun indische Gesetze, die unfair gegenüber Männern sind.
5. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir zu dem Shitstorm gegen Stephen King, nachdem er kritisierte, dass Woody Allen seine Memoiren bei einem US-Verlag nicht veröffentlichen darf, weil es nicht belegbare Missbrauchsvorwürfe gegen ihn gibt:
Stephen King ist selbst schuld an dem Shitstorm: Konnte er nicht einfach "I believe the woman" twittern, wie er es im Zusammenhang mit Brett Kavanaugh getan hat? Offensichtlich ist er seither ins Nachdenken gekommen, und die Reaktionen, die er jetzt erhält, könnten seinen Lernprozess befeuern. Vor allem, wenn sein Verlag ihm die Zuschriften zugänglich macht, die dort sicher schon haufenweise eingegangen sind ...
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