Freitag, November 29, 2019

Sexismus-Vorwürfe: "Internet-Mob geht auf Rezo los" – News vom 29. November 2019

1. Seit seinem Video "Die Zerstörung der CDU" zählt Rezo zu den Stars der Socal-Justice-Warriors-Szene, ließ sich feiern und bekam einen Job als regelmäßiger Kolumnist der "Zeit". Jetzt allerdings ist diese Szene gar nicht mehr glücklich mit ihm. Darüber berichtet "Die Welt" in dem Artikel "Und plötzlich geht die Community auf Rezo los" (Ursprünglich war in der Schlagzeile noch von einem "Internet-Mob" die Rede gewesen; ich habe das mal für diesen Blogbeitrag übernommen). In dem Artikel heißt es:

Der Vorwurf: Sexismus und eine Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen.

Entbrannt war die Diskussion, nachdem Rezo, der auch als Kolumnist der „Zeit“ arbeitet, ein Video mit dem Titel "Kiss Marry KiII" ("Küsse, Heirate, Töte") hochgeladen hatte. Dabei handelt es sich um ein in der YouTuber-Szene gängiges Spiel, bei dem die Teilnehmer andere Personen – oft ebenfalls aus der YouTuber-Szene – in die Kategorien "Küssen", "Heiraten" oder "Töten" einordnen.

In dem betroffenen Video, in dem Rezo zusammen mit den YouTubern Julien Bam und Taddl zu sehen ist, werden diesem Bilder der Sänger*innen Pietro Lombardi, Katja Krasevice und Shirin David gezeigt. Rezo erklärt: "Pietro ist eher ein Mann fürs Leben … und bei den anderen ist die Frage, mit wem schlaf ich." Dann beschließt er: "Dann bring ich Shirin um und schlafe mit Katja."


Ich weiß nicht, was Rezo erwartet hat, wie dieser schwarze Humor in einer Szene ankommen würde, die für ihre Humorlosigkeit berüchtigt ist.

Das Spiel, das an ein – politisch inkorrektes – digitales Flaschendrehen erinnert, stieß vor allem auf Twitter auf wütende Reaktionen. Eine Nutzerin kritisierte: "Ihr haltet ein patriarchales Gewaltsystem aufrecht, unter dem Menschen reales Leid erfahren. Ihr repliziert Normalität und haltet euch für mutig. Nur ist an Hinterherlaufen rein gar nichts mutig. Traut euch doch, euren frauenfeindlichen Idolen zu widersprechen."

Rezo suchte per Direktnachricht offenbar das Gespräch mit der Nutzerin. Diese machte das Angebot öffentlich. "Ich habe gerade privat ein Angebot für eine Unterhaltung mit dir bekommen, Rezo. Ich möchte keinen privaten Austausch", schrieb sie.

Und ergänzte: "3 Typen diskutieren, wie fickbar Frauen sind, welche sie töten würden. Ja, auch Männer, aber die Implikationen gegen YouTuberinnen sind anders. Das ist für euch okay, weil ihr das nicht für ernst haltet, für mich aber nicht. Keine Diskussionen."

Rezo versuchte es vergeblich weiter. "Hier ist jemand, der dich und deine Sicht ernst nimmt und respektiert aber auch eine eigene Sicht, eigene Beweggründe und eigene Argumente hat. Ich bin gesprächsbereit, auch gern öffentlich mit Skype-Mitschnitt oder whatever oder gern auch nur unter 4 Augen."


Als ob das jemals funktioniert hätte. Ein weiteres Kernmerkmal dieser Szene ist, dass ihre Mitglieder ohnehin schon wissen, Recht zu haben, weshalb sie niemals diskutieren. Das durfte ich oft genug selbst erleben. (Das letzte Mal gestern.)

Auch die feministische Aktivistin Sibel Schick kritisierte Rezo für sein "problematisches Verhalten" in zahlreichen Tweets. Immer mehr Nutzer schlossen sich an, einige wiesen auf den gängigen Sexismus in der deutschen YouTuber-Gemeinschaft hin. Andere bezeichneten den 27-Jährigen schlicht als "Nazi".


Gut, wenn man von jemandem mit der Integrität und dem tadellosen Gesprächsverhalten von Sibel Schick kritisiert wird, sollte man sich diese Kritik natürlich zu Herzen nehmen.

An einer Einordnung versuchte sich Alf Frommer. Der Shitstorm zeige zwei gesellschaftliche Tendenzen, schrieb Frommer, den "unbedingten Wunsch, jemand sei in allem 100% gut". Und: "Das vorprogrammierte Scheitern an diesem Anspruch, weil heute jede Bubble einen marginalen Grund findet, dich Nazi zu nennen. Selbst Rezo."


Mehrere andere Medien berichten über den Shitstorm, so etwa Watson:

Gerade an einer Stelle entzündet sich die Kritik: Die drei Youtuber sollen unter anderem ihre Kollegin Bibi vom Youtube-Channel BibisBeautyPalace bewerten. Julian Bam würde sie am ehesten "töten". Taddl wirft allerdings ein, dass sie schwanger sei. Bam antwortet: "Ich kann doch keine Schwangere killen." Woraufhin Taddl sagt: "Doublekill." Die drei lachen.

Die Twitter-Nutzerin megafauna griff diese Stelle raus und schrieb in einem Tweet: "Ihr müsst mir nicht erklären, dass das ja 'nur' Spaß ist, ihr müsst mir erklären, warum ihr darüber lachen könnt."

In einem weiteren Tweet kritisiert sie: "Die Schwangerschaft ist die gefährlichste Phase für Opfer von misogyner Partnergewalt. Aber um das zu wissen, müsste man mal seinen Kopf aus dem Arsch der 28 Layer Ironie ziehen, durch die man auf die Realität anderer Menschen schaut."


Mit Unterstellungen wie "Rezo will immer nur mit Weißen reden" wurden die Vorwürfe gegen den Youtuber immer wilder. Seine Aufforderung, sich für diese Behauptung zu entschuldigen, kam unter den Eiferern nicht besonders gut an:

Wenn Frauen sich zu deinem Video äußern, dass es nämlich misogyn ist, dann solltest du das Video löschen und es respektieren, statt ne Entschuldigung einzufordern.


Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet:

Während die Reaktionen zum Spiel auf Youtube weitestgehend positiv ausfallen, sorgt das Video auf Twitter für Kritik. Die Nutzerin @journelle beispielsweise kritisiert das Verhalten der Youtuber: "Lachflash über Frauen-Töten, ein schönes Thema, wo doch gestern der ‚Tag der Gewalt gegen Frauen‘ war", schreibt sie. "Das besonders Traurige ist, wie tief diese Misogyne sitzen muss, wenn selbst reflektierte Leute wie Rezo daran Spaß haben."


Die Frankfurter Allgemeine schlägt sich in ihrem Artkel auf die Seite derjenigen, die Rezos Video unsäglich finden:

Rezo hielt dieses Spiel, das im Netz nicht nur er betreibt, wahrscheinlich für harmlosen Zeitvertreib, bis er jetzt eines Besseren belehrt wurde. Denn nun wird ihm Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen und Sexismus vorgeworfen. Was er, wie der Diskussionsverlauf bei Twitter zeigt, offenbar nicht so ganz nachvollziehen kann. Das wiederum überrascht nicht, sieht sich Rezo doch als Logiker. Und für einen solchen gibt es zunächst einmal nur eine Lesart: seine.


In dieser bizarren Logik kann Rezo natürlich nicht gewinnen: Entweder er gibt zu "Frauenhasser" und "Nazi" zu sein, oder er gilt als Egozentriker, für den nur seine Lesart gilt. Hintergrund solcher Attacken dürfte sein – ähnlich wie bei den Attacken der Frankfurter Allgemeinen gegen mich –, dass Rezo ähnlich wie ich in der Vergangenheit die etablierten Medien scharf kritisiert hat und gerade die FAZ längst stark ins Schwimmen geraten sein soll.

Das geschlechterpolitische Blog "Alles Evolution" kommentiert die Scharmützel um Rezo so:

Rezo, da ist natürlich nichts zu holen, denn da dürfen sie gar nicht mit dir reden. Wer sich eines Gedankenverbrechens strafbar gemacht hat und nicht bereut und statt um eine harte, aber gerechte Strafe zu erbitten noch widerspricht, der ist eben eine Unperson.

Aber die Karawane zieht ja weiter, insofern sollte Rezo einfach durchhalten.


Allerdings wird man ihm diese Vorwürfe immer wieder unter die Nase halten, sobald er mit einer eigenen Meinung ideologisch aus der Reihe tanzt. Auch das weiß ich aus eigener Erfahrung. Die Arschlochquote ist in dieser Community von Menschen, die sich für moralisch allen anderen überlegen halten, relativ groß.

In einem treffenden Kommentar unter Christian Schmidts Blogbeitrag wird Rezo folgende Empfehlung gegeben, mit dem Shitstorm umzugehen:

Er kann es ja auf der feministischen Schiene versuchen [und] behaupten, das war nur Satire, und jeder, der sich darüber aufregt, ist das eigentliche Problem.




2. Die folgende Meldung haben die meisten von euch vermutlich schon mitbekommen, aber der Vollständigkeit halber:

Die CDU will auf Anregung von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer in einem Werkstattgespräch über eine allgemeine Dienstpflicht beraten. Kramp-Karrenbauers Vorschlag zielt darauf ab, dass Männer und Frauen einen solchen Dienst bei der Bundeswehr, aber auch in der Pflege, bei der Feuerwehr oder beim Technischen Hilfswerk absolvieren sollen - also in Bereichen, in denen heute schon freiwillige Dienste erbracht werden können.


Wir hätten in diesem Bereich also immerhin Gleichberechtigung. Was man über diese Frage hinaus von einer solchen Dienstpflicht hält – da dürften die Meinungen auseinander gehen.

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