Montag, November 25, 2019

Schule, Gewalt, Missbrauch: Menschenrechte für Männer bleiben ein Problem – News vom 25. November 2019

1.
Der Fall eines Zürcher Kantischülers erregte vor ein paar Wochen Aufsehen. Sein Vater hatte bei der Zürcher Bildungsdirektion Rekurs eingelegt, weil der Sohn wegen ungenügender Leistungen die Klasse repetieren musste. Als Hauptgrund für den Rekurs führte der Vater an, Knaben würden an den Gymnasien diskriminiert. Das verstosse gegen die Verfassung und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.


Das Schweizer Tagblatt berichtet. Anders als hierzulande versucht man in der Schweiz wenigstens ein bisschen, die Ungleichheit im Erziehungswesen anzugehen.

"Es gibt immer wieder Überlegungen, wie Knaben gezielter angesprochen werden könnten. Zum Beispiel durch den Verzicht auf Französisch bei der Aufnahmeprüfung. Das verschiebt das Problem aber einfach auf die Gymnasialzeit, in der Französisch noch immer ein wichtiger Teil der Promotion ist", sagt [Urs Schwager vom Thurgauer Amt für Mittelschulen].


Ein weiterer Versuch, die Stärkung der naturwissenschaftlichen Fächer, habe zwar zu einer Zunahme des Interesses an diesen Fächern geführt, nicht jedoch zu einem höheren Knabenanteil.



2. Heute ist Internationaler Aktionstag gegen Gewalt, solange diese Gewalt Frauen zum Opfer hat. Bundesweit sind zahlreiche Aktionen und Pressekonferenzen geplant. Auch Frauenministerin Giffey hat Zahlen zu diesem Thema vorgelegt. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, verwies auf Gewalt gegen Frauen weltweit. "Jeden Tag, in allen Teilen der Welt werden Frauen und Mädchen misshandelt, verstümmelt oder ermordet".

Jungen und Männer natürlich auch, aber die sind der deutschen Regierung keinen Aktionstag wert.



3. Das Magazin "jetzt" der Süddeutschen Zeitung durchbricht die auch dort herrschende Einseitigkeit und beschäftigt sich mit dem sexuellen Missbrauch von Jungen. Aufhänger ist der aktuelle Kinofilm "Die Hände meiner Mutter", der dem Autor des Artikels so der gewohnten Sicht auf sexuelle Gewalt entgegenläuft, dass er "starke Befremdung" auslöst:

Man hat irgendwie das Gefühl, dass es diesen Film nicht geben sollte, dass er keinen Sinn ergibt, dass da irgendjemand was falsch verstanden hat. Das war zumindest unser Eindruck als wir den Trailer in der Redaktion gesehen haben, sowohl bei Söhnen als auch bei Töchtern. Gleichzeitig kam da aber auch der Verdacht auf, dass diese Reaktion irgendwie ungerecht ist.


Genderama und die Männerrechtsbewegung insgesamt ist da seit fast zwanzig Jahren schon deutlich weiter. Was vermutlich der Grund dafür ist, dass auch wir bei velen Journalisten nur "starkes Befremden" auslösen.

Trotz solcher merkwürdiger Passagen ist der Artikel durchaus lesenswert, weil er die zusätzlichen Probleme, die mit dem sexuellen Missbrauch gerade männlicher Opfer verbunden sind, benennt. So wird über das Missbrauchsopfer Markus in dem erwähnten Film berichtet, wie man ihm seine Erfahrungen abzusprechen versucht:

Es wird von verschiedenen Seiten versucht, ihn in die aktive, die Täterrolle zu drängen. "Haben Sie nicht manchmal auch ein bisschen Lust empfunden?", fragt ihn ein Therapeut augenzwinkernd.


Gleichzeitig versucht der Artikel allerdings auch, solche Erfahrungen immer wieder in die abgegriffene These vom "Patriarchat" einzupassen. Wenn man als einziges Werkzeug einen Hammer hat, erscheint manchem eben alles, was er sieht, als ein Nagel. So heißt es über die Täterin:

Diese Erfahrung männlicher Gewalt und einer Geschlechternorm, in der sie hierarchisch unter ihrem Mann stehen muss, äußere sich dann in den umgesetzten sexuellen Machtphantasien der Mutter an ihrem Sohn, der dann quasi stellvertretend für ein verhasstes Patriarchat stehe.


Sexueller Missbrauch als Akt der Befreiung – auch mal eine Idee. Gilt das dann auch für die männlichen Missbrauchstäter, die als Kinder sexuelle Gewalt durch eine Frau erfahren hatten? Stehen deren Opfer "dann quasi stellvertretend für ein verhasstes Matriarchat"? Man möchte beim Lesen solcher Formulierungen schon manchmal ein bisschen schreien.



4. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir:

Auf Zeit-Online wurde ein Artikel über Proteste in Paris veröffentlicht. Protestiert wurde gegen häusliche Gewalt und die weiblichen Todesopfer, was unter dem Stichwort Femizid läuft. Die Meldung an sich ist Klickbait und nichtssagend. Interessanter sind die Kommentare darunter. Vor allem wird angemerkt, dass der Begriff Femizid unpassend ist, wenn es doch mehr männliche Gewaltopfer insgesamt gibt und männliche Opfer häuslicher Gewalt ausgeklammert werden. Auch auf dein Blog wird in einem Kommentar verlinkt (was Zeit-Online, oh Wunder, nicht zensiert hat).


Ein anderer Leser schrieb mir zur selben Kommentarspalte mit berechtigter Empörung, sein Hinweis auf männliche Opfer sei gelöscht worden:

Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Whataboutism! Danke, die Redaktion/cb


Offenbar gab es aber so viele Kommentare, die in dieselbe Richtung gingen, dass die "Zeit" das Löschen solcher Hinweise schließlich unterlassen hat. (Oder es gab zwischendurch Schichtwechsel, und der neue Zensor war großzügiger beim Durchlassen von Kommentaren.)

Ein anderer Leser macht mich auf die Arte-Sendung "Vox Pop" aufmerksam, wo es ab Minute 14:30 um die Frage geht: "Beschneidung: Muß ein Verbot her?"

Es werden etliche Argumente der Beschneidungsgegner genannt, aber leider auch fragwürdige Argumente der Befürworter wie die angebliche AIDS-Prävention oder das Argument, dass bei einem Verbot illegale Beschneidungen noch mehr Schaden anrichten würden (wann hat man je ein Gesetz nicht verabschiedet, aus Angst, dagegen könnte verstoßen werden?!).

Highlight ist jedoch das Interview mit der Präsidentin von INTACT Dänemark.


Bemerkenswert ist auch ein Vergleich der verheißungsvollen Situation in Schweden, nachdem dort ein Fall tödlich und mehrere weitere Fälle fast tödlich endeten, und der rückwärts gewandten Politik in Deutschland, die sich wohlwollend an religiösem Fundamentalismus orientiert.

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