Montag, November 11, 2019

CSU lehnt Scholz' Steuerpläne für Männervereine ab – News vom 11. November 2019

1. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, lehnt die CSU die Pläne von Olaf Scholz (SPD) ab, reinen Männervereinen Steuervorteile zu entziehen:

"Vereine steuerlich zu benachteiligen, weil sie sich mit ihrem Angebot nur an Frauen oder nur an Männer wenden, ist grundfalsch", sagte Generalsekretär Markus Blume am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur dpa in München. (...) "Ich frage mich: Hat Olaf Scholz schon mal etwas gehört von Männergesangsvereinen, dem Katholischen Frauenbund, Burschenvereinen oder Frauenselbsthilfegruppen? Es ist absurd, unsere Vereine nach Genderaspekten in Gut und Schlecht einzuteilen", betonte Blume. Wer so Politik mache, ignoriere die kulturelle Vielfalt der Vereine. "Gleichberechtigung ist ein wichtiges Anliegen, dieser Vorstoß hilft dabei nicht."


Die Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung Ulrike Guerot befindet zu diesem Thema auf Twitter:

Ich mag Männergesangvereine, halte sie für förderungswürdig und ich glaube, sie werden durch die Teilnahme von Frauen nicht besser. Ich finde, Männer haben wie Frauen das Recht, unter sich zu sein, ohne gleich eine Erosion der Gleichstellung zu fürchten.


Auf Facebook kommentiert die FDP-Politikerin Nicole Bauer:

Bundesfinanzminister Scholz möchte Männervereinen die Gemeinnützigkeit entziehen. Was ist denn das für ein Unfug? Natürlich kommt der Name "Burschenverein" oder "Männerchor" etwas überholt daher. Aber warum muss man denn alles verbieten und den Leuten madig machen? Nach dem Kasperltheater mit der Grundrente beschädigt sich die SPD noch mehr selbst. Aber das Wichtigste: wenn Männervereine verboten werden – was wird dann aus reinen Frauenvereinen? Weiblich besetzte Stiftungen für Frauenhäuser? Die Landfrauen? Oder die Soroptimistinnen, das weibliche Pendant zum Lions Club? Will hier jemand ernsthaft die Gemeinnützigkeit dieser Organisationen in Zweifel ziehen? Liebe Sozialdemokraten, macht euch nicht lächerlich. Auch wenn das Grundgesetz über dem Brauchtum steht: es bedarf einer echten Steuerreform, nicht der Gängelei einzelner Vereine.


Das Blog "Kritische Wissenschaft" merkt an:

Wer bis gestern gedacht hat, man könne den Gender-Schwachsinn nicht mehr steigern, der hat seine Rechnung ohne Olaf Scholz gemacht. Gemeinnützigkeit wird somit nicht mehr am Ergebnis gemessen, sondern (...) am Geschlechtsteil dessen, der sie angeblich bereitstellt. (...) Wenn sich also Männer in einem Verein zusammenschließen, der sich die Aufgabe gestellt hat, den Hochwasserschutz entlang der Elbe tatkräftig zu verbessern und in Eigenleistung Deiche zu erhöhen, dann ist dieser Verein nach Ansicht von Herrn Scholz nicht gemeinnützig (...).

Wenn das Ministerium für [Familie, Jugend, Senioren und Frauen] Steuergelder en masse in einem “Frauencafé” begräbt, das vom Deutschen Frauenrat geführt wird, der sich schon einmal vorsorglich im Paragraphen 3 seiner Satzung als “Gemeinnütziger Verein” definiert, wenn dieses Frauencafé ein Angebot darstellt, das ausschließlich von Frauen genutzt wird, von dem ausschließlich Frauen profitieren, dann hat Herr Scholz wohl kein Problem mit der Gemeinnützigkeit?


Das maskulistische Blog Uepsilonniks zitiert eine besorgte Wortmeldung in dieser Debatte:

Das Problem ist nicht die Existenz von Männervereinen, sondern die Etablierung eines Vorwurfs und einer soliden Doppelmoral.

Die dahinter stehende Ideologie ist natürlich, allen Vereinigungen von Männern einen bündischen, egoistischen Charakter und aus der Abwesenheit von Frauen eine Diskriminierung dieser zu unterstellen.

Angenommen, wir hätten eine maskulistisch orientierte Organisation, dann ließe sich dieser schnellstens die Gemeinnützigkeit entziehen. Auch wenn wir eine reine Interessenvertretung für Männer und Jungen sein wollten, wird damit festgelegt, es läge nicht im öffentlichen Interesse, sich für Männer und Jungen zu engagieren.




2. Die Zahl der Obdachlosen ist wieder gestiegen. Als Hauptgründe werden das unzureichende Angebot an bezahlbarem Wohnraum genannt, die Schrumpfung des Sozialwohnungsbestandes und die Verfestigung von Armut.



3. "Island gilt als vorbildlich, was Gleichberechtigung angeht", befand Anfang dieses Jahres Spiegel-Online. Der "Stern" berichtete, das Land liege auf Platz Eins des Gender Gap Reports. Und der Deutschlandfunk nennt das Land ein feministisches Paradies. Allerdings entsteht hier wie so oft ein schiefes Bild. Island ist beispielsweise auch in anderer Hinsicht führend:

Die Zahl der Frauen an Hochschulen hat auf der ganzen Welt die Zahl der Männer entscheidend überholt. Dazu gehören fast alle 36 Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und 39 von 47 Ländern der UN-Wirtschaftskommission für Europa, die sich auf Mittel- und Westasien erstreckt. Und nirgendwo ist die Kluft so schief wie in Island, wo es auf dem College heute zwei Frauen pro Mann gibt - das größte Ungleichgewicht in der OECD.

(...) Es ist nicht nur so, dass sich mehr Frauen für das College entscheiden. Es ist so, dass weniger Männer es tun, was sich unter anderem auf ihre Chancen und ihr Lebenseinkommen auswirkt.

"Es ist ein verrückter Zyklus", sagte Adrian Huerta, ein Assistant Professor of Education an der University of Southern California, der sich mit dem geschlechtsbezogenen Zugang zum College beschäftigt. "Wir wissen, dass, wenn man über eine Hochschulausbildung verfügt, sich das auf die Gesundheit positiv auswirkt. Man wird eher länger leben. Diese Ausbildung ist wichtig für die Beschäftigungsstabilität und das bürgerschaftliche Engagement. Man ist seltener auf Sozialdienste angewiesen."

(...) Aber auch in Island hat die schrumpfende Zahl der Männer in der Hochschulbildung bisher kaum Aufmerksamkeit erregt, sagte Eyjólfur Guðmundsson, Rektor der Universität Akureyri im Norden Islands, von deren 2.389 Studenten 77 Prozent Frauen sind.

"Wir wachen gerade erst auf und verstehen, dass dies ein Problem ist", sagte Guðmundsson, der sich offen zu diesem Thema äußerte. "Die Welt wacht auf."

Doch einige Leute fragen ihn immer noch, warum sie besorgt sein sollten, berichtet Guðmundsson.

Er antwortet ihnen: "Es ist aus genau demselben Grund besorgniserregend, weshalb wir vor 30 Jahren besorgt waren, dass Frauen nicht fair in der Hochschulbildung vertreten waren, oder in den Vereinigten Staaten Menschen mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund", die nicht aufs College gingen.

"Wenn Sie ein junger Mann sind, der in der Lage ist, einen Job mit einem anständigen Gehalt zu bekommen [statt aufs College zu gehen], bedeutet das körperliche Arbeit. Was wirst du tun, wenn du 50 bist? Was sind dann deine Chancen? Das könnte für eine Gesellschaft ein Problem größeren Ausmaßes darstellen."

(...) "Es ist kein Thema, das ganz oben auf der Tagesordnung steht. Es wird nicht in den Medien diskutiert", sagte Steinunn Gestsdóttir, Vizerektorin an der University of Iceland. "Aber die Politik ist besorgt über diese Entwicklung."




4. Die Post. Mehrere Leser haben auf den von Genderama verlinkten N-tv-Beitrag über den Zwangseinzug zur Freiwilligen Feuerwehr sowie auf den Leserbrief reagiert, den ich gestern dazu veröffentlicht habe. Einer dieser Leser schreibt mir:

Die Gesetze in Schleswig-Holstein zur "Pflichtfeuerwehr" schließen Männer wie Frauen ein, das Reporting zum Thema geht am eigentlichen Punkt vorbei:

"Die Gemeinde hat eine Pflichtfeuerwehr aufzustellen, wenn der abwehrende Brandschutz und die Technische Hilfe aufgrund fehlender freiwillig dienstleistender Personen nicht ausreichend erfüllt werden können. [...] Alle Bürgerinnen und Bürger vom vollendeten 18. bis vollendeten 50. Lebensjahr sind verpflichtet, Dienst in der Pflichtfeuerwehr als ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde zu übernehmen und auszuüben [...]"

Die Frage ist also vielmehr, warum nur Männer zur Pflichtfeuerwehr einberufen wurden. Das ist ganz besonders sexistisch, da die Feministen ja die Hälfte von allem wollen.


Jemand anderes schreibt mir:

Wie kommt Dein Leser auf das schmale Brett, dass nur Männer zur "Freiwilligen Feuerwehr" herangezogen werden dürfen? Wenn es bei ihm so ist, dann sollte er mal das Bundesland und die entsprechenden Paragraphen nennen.

In Rheinland-Pfalz beispielsweise gilt das Landesgesetz über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Brand- und Katastrophenschutzgesetz - LBKG -) vom 2. November 1981. Darin ist in §12 geregelt, dass jeder Einwohner von 18 bis 60 herangezogen werden darf und dass es auch Ausnahmen gibt. Und man muss geeignet sein.

In §13 ist geregelt, dass der Arbeitgeber in der Zeit der Übungen und Einsätze den Lohn weiterzahlen muss, als wäre der Arbeitnehmer da. Der Arbeitgeber bekommt dieses Geld erstattet. Es ist auch sonstiger Kostenersatz geregelt. Dazu muss es in jeder Gemeinde eine Hauptsatzung geben.

Unter dem Link Rechtliches gibt es eine Art Suchmaschine für alle Gesetze in Deutschland. Einfach nach "Brandschutzgesetz" suchen, und schon kommen alle relevanten Gesetze der Bundesländer. Es scheint nicht für alle Bundesländer entsprechende Gesetze zu geben oder diese sind nicht so leicht zu finden (sonst wären sie auf der Ergebnissseite).

Nicht alles glauben, was andere Leute so schreiben. Dein Leser hatte beim Schreiben schon fast etwas Schaum vor dem Mund.


Ein dritter Leser schreibt mir in Erwiderung auf denselben Leserbrief:

Lieber Herr Hoffmann,

ich möchte einen rechtlichen Kurzeinblick zum Thema der Feuerwehrdienstpflicht liefern, weil ich die Befürchtung habe, dass das derzeit unberechtigte Wut provoziert:

Grundsätzlich ist die Einrichtung von Feuerwehren Sache des Staates – wir wollen ja auch alle, dass der Staat Gefahren abwehrt. Primäres Handlungswerkzeug des Staates ist das Gesetz, Gefahrenabwehr ist Ländersache und dementsprechend findet man die Regelungen zur Feuerwehr auch in den landesrechtlichen Gesetzen zum Brandschutz, z.B. das Brandschutzgesetz von Schleswig-Holstein.

Das Bundesland bedient sich folgender Mittel: Berufsfeuerwehr, freiwillige Feuerwehr, Pflichtfeuerwehr. Die Regelungen zur Pflichtfeuerwehr sind selbstverständlich wegen des Zwangs besonders heikel und müssen grundsätzlich gerechtfertigt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in zwei wesentlichen Entscheidungen bereits zum Thema Pflichtfeuerwehr geäußert:

Einmal in BVerfG, Beschluss vom 17.10.1961, 1 BvL 5/61: Die Dienstpflicht an sich, also insbesondere ohne die Betrachtung des Geschlechts, ist durch Art. 12 Abs. 2 Satz 1 GG gerechtfertigt. Das ist tatsächlich eine Norm, die man mal lesen sollte, weil der Inhalt typischerweise unbekannt ist. Die Beschränkung auf lediglich Männer – das war damals tatsächlich so – wurde allerdings gehalten.

Dann nochmal in BVerfG, Beschluss vom 24.1.1995, 1 BvL 18/93: In dem Fall ging es um eine Sonderabgabe. Diejenigen, die zwar grundsätzlich verpflichtet werden konnten, es aber nicht wurden, sollten zahlen. Da die Dienstpflicht nur Männer traf, mussten folglich auch nur Männer zahlen.

Ich zitiere mal aus den Gründen, weil es sehr deutlich ist: "Die Vorschriften des baden-württembergischen und bayerischen Landesrechts über die Erhebung einer auf Männer beschränkten Feuerwehrabgabe sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. III GG ...". Seitdem steht in den Gesetzen der Länder auch – wie z.B. auch in § 16 Abs. 3 Brandschutzgesetz Schleswig-Holstein –, dass Bürgerinnen und Bürger verpflichtet werden können. Es gibt also keine Diskriminierung von Männern (mehr) durch das Gesetz. Der Bürgermeister kann also auch Frauen verpflichten.

Wen die Rechtsprechunsänderung wundert: Zwischen 61 und 95 ist auch viel passiert und als Trivia sei gesagt, dass 57 noch die Strafbarkeit von homosexuellen Handlungen gehalten wurde.

Soweit zum Gesetz. Jetzt muss man wissen, dass im öffentlichen Recht Fehler auf verschiedenen Ebenen möglich sind. Der Gesetzgeber — hier der Landtag — gibt der Exekutive — hier dem Bürgermeister — einen entsprechenden Handlungsspielraum. Wann, wo, wie und warum die Exekutive tätig wird, ist wieder eine andere Geschichte. Dem Bürgermeister können ganz eigene Fehler unterlaufen. Der Verpflichtungsbescheid des Bürgermeisters kann also trotz verfassungskonformer Grundlage rechtswidrig sein, weil z.B. ein Ermessensfehler im Verpflichtungsbescheid vergraben ist. Nur als triviales Beispiel: Der Bürgermeister verpflichtet seine 13 Nachbarn, die er nicht leiden kann, weil er sie nicht leiden kann. Wenn der Bürgermeister tatsächlich nur Männer verpflichtet hat, weil sie Männer sind, wäre das vermutlich ermessensfehlerhaft. Aber: Das wissen wir nicht. Es kann auch sein, dass in der Gemeinde des Bürgermeisters nur adipöse Frauen wohnen, die unter Stress keine zehn Stufen schaffen, ohne selbst zum Notfall zu werden. Das finden die betroffenen Männer aber nur dann raus, wenn sie gegen die Bescheide vorgehen, damit ein Gericht schließlich auf Ermessensfehler prüft. Das würde ich an deren Stelle jedenfalls machen. Im schlimmsten Fall könnte man der Sache möglicherweise (!) entgehen, indem man umzieht. So wie ich das sehe, erhält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung, wie man damit umgeht.

Ich denke, den rechtlichen Rahmen da ordentlich zu betrachten und nicht vorschnell falsche Schlüsse zu ziehen, ist da wirklich essentiell. Jedenfalls denke ich, dass man da offen sein muss, also für Alternativerklärungen. Ich denke, man kann nicht über die Gleichstellungsbeauftragt_=?*innen schimpfen, wenn sie bei tatsächlicher Differenz sofort Diskriminierung schreien, ohne andere Erklärungen zu berücksichtigen — z.B. den freien Willen der Beteiligten —, und dann hier auch sofort auf Männerdiskriminierung abstellen. Da macht man ja denselben Fehler, den man der anderen Seite vorwirft. Gemessen an der physischen Überlegenheit des durchschnittlichen Mannes ist es denke ich sogar wahrscheinlich, dass bei einer Dienstverpflichtung, bei dem die Physis gerade wesentlich ist, dann auch überdurchschnittlich Männer Ziele von Bescheiden werden. Es wurde ja, z.B. in New York, auch über Quoten bei Feuerwehren gesprochen und da wendet sich "unser Lager" ja gerade mit dem Argument dagegen, dass es da auch um die Physis geht, also dass die Überzahl von Männern eben nicht durch Diskriminierung verursacht wird. Dann muss man sich aber auch konsequenterweise damit abfinden, dass — sofern der Staat das macht — bei einer gewissen Mindestanforderung an die Physis mehr Frauen "durchfallen" und als Folge mehr Männer verpflichtet werden. Dass es nur Männer sind, ist aber dann doch so auffällig, dass das jedenfalls nicht ungeprüft untergehen sollte.


Das Praktische an der großen und breit gestreuten Leserschaft von Genderama ist, dass man, sobald man etwas Fragwürdiges zu irgendeinem Thema veröffentlicht (und seien es Nischenthemen wie kürzlich Derrida und jetzt eben das Feuerwehrgesetz), sich sofort einer oder mehrere Leser melden, die sich darin auskennen und mit viel Sachkompetenz dazu beitragen können. Wie immer herzlichen Dank dafür!

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