Mittwoch, August 28, 2019

Warum ich Jan Böhmermann nicht auf den Leim gegangen bin

Am 4. April dieses Jahres bekam ich eine ausgesprochen freundlich gestaltete Anfrage von einer Frau namens Julia Michel, die mich als Interviewpartner für eine Magazinsendung gewinnen wollte. Dabei solle sich in einer neuen Reihe ein Mitarbeiter der Redaktion bei einem "entspannten Mittagessen" in einer "schönen Gaststätte" mit einer Person des öffentlichen Lebens über ein Thema unterhalten, um dieses vor allem einer jungen Zielgruppe nahezubringen. Für die erste Folge sei der Themenkomplex Männerrechtsbewegung vorhergesehen, um dieses "vor allem auch medial unterrepräsentierte Thema ein wenig mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken". Ich sei als "prominenter Kopf" dieser Bewegung ideal dafür geeignet.

Die Sendung, in die diese Aufnahmen integriert werden sollten, war das Neo Magazin Royale, das von ZDFneo ausgestrahlt wird. Mit anderen Worten: Jan Böhmermann.

Nun hatte ich anderthalb Jahre zuvor erlebt, dass selbst die früher topseriöse Frankfurter Allgemeine, sobald es um Männeranliegen und Männeraktivisten geht, Regeln journalistischer Ethik bereitwillig in den Wind schießt. Jan Böhmermann ist ... sagen wir mal: bei mir erst recht nicht in einer Liste "bemerkenswerte Vorbilder für journalistische Integrität" verzeichnet. In einem bemerkenswerten Kontrast dazu stank die durchgehend zuckersüße und schmeichelnde Freundlichkeit dieser Mail drei Meilen gegen den Wind.

Ich schickte Julia Michel folgende Antwort:

Sehr geehrte Frau Michel,

herzlichen Dank für Ihre freundliche Anfrage.

Offen gesagt ist allerdings mein Vertrauen nicht sehr groß, dass das Neo Magazin Royale Menschen interviewen kann, die eine Minderheitsmeinung vertreten, ohne sie vorzuführen. Dies gilt um so mehr, als Ihre Autorin Sophie Passmann gerade mit einem Buch durch die Lande tourt, das Menschen wie mich wegen ihres Alters, ihrer Geschlechtszugehörigkeit und ihrer Hautfarbe angreift. Als Sprecher einer Bewegung, die für Bürger- und Menschenrechte eintritt, möchte ich nicht der erste sein, der sich Ihrem neuen Konzept zur Verfügung stellt und herausfindet, ob es eine große Zirkusnummer werden soll oder nicht. Ich möchte mir erst gerne anschauen, wie respektvoll "Miguel" andere Gesprächspartner darstellt. Nachdem Sie ein paar Episoden mit "Miguel" gesendet haben, können wir gerne noch einmal über Ihr Angebot sprechen.

Freundliche Grüße

Arne Hoffmann


Julia Michel beteuerte in ihrer Erwiderung darauf, dass der Böhmermann-Redaktion die Auffassungen von Minderheiten ernsthaft am Herzen lägen, auch sei Passmann keine Autorin dieser Redaktion, sondern "lediglich Teil unseres Ensembles". Sie bot mir ein persönliches Vorgespräch an, um eventuelle Zweifel an der Seriosität ihrer Anfrage aus dem Weg zu räumen. Ich antwortete, am überzeugendsten würden meine Zweifel aus dem Weg geräumt, wenn ich mir anschauen könnte, wie respektvoll und dem Thema angemessen "Miguel" sich anderen Interviewpartnern gegenüber verhält.

Danach herrschte Funkstille. Ich vergaß diese Anfrage auch erst einmal, weil ich mit konstruktiveren Projekten als Böhmermanns Albernheiten beschäftigt war.

Gestern habe ich mich gefragt "Hey, was ist eigentlich aus unserem 'Miguel' geworden?"

Schnell fand ich heraus, dass er inzwischen Hannes Hausbichler, den Vorsitzenden von Österreichs Männerpartei interviewt hatte. Wie sehr in diesem Gespräch die Anliegen der Männerbewegung jungen Menschen vermittelt werden, kann man sich auf Youtube anschauen. Weitere Interviews von "Miguel" in dieser angebichen "Reihe" konnte ich nicht finden.

Ich fragte Hannes Hausbichler, wie zufrieden er damit ist, wie das ZDF mit ihm als Interviewpartner umgegangen war. Seine Antwort, zur Veröffentlichung auf genderama freigegeben:

Lieber Arne,

als ich die Sendung sah, war ich vom Anfang schon sehr verwundert. Auf die ersten, in der Sendung gezeigten Fragen beispielsweise hatte ich Antworten, welche ausführlich, die Lage und Sichtweise von Männern und Frauen beleuchtend und verbindend, bestimmt und deutlich formuliert waren. Das Drehteam zeigte sich von den Inhalten glaubwürdig positiv beeindruckt.

Doch was hat das Team im Schnitt daraus gemacht? Meine Antworten wurden gar nicht gezeigt, statt dessen einführende Worte wie "gute Frage", dann die ähs und öhs zusammengeschnitten und mich daraufhin dreist als jemand dargestellt, der ob der Fragen verwirrt und ratlos sei.

Der Witz bei den Dreharbeiten war: Ich wurde zwar im ersten Mailkontakt informiert, dass ein Dreh für ein "Neo Magazin Royal" staffindet. Aber mir war nicht klar, dass das Jan Böhmermann ist, ich habe diese Sendung noch nie gesehen oder mich dafür interessiert.

Das Team hat beim Dreh dann bemerkt, dass mir nicht klar ist, wie "satirisch" der Sendebeitrag wird, dass Böhmermann dahintersteht. Daraufhin haben mir das alle sieben Leute stundenlang eisern verschwiegen und mir nur von einem "ganz neuen Format für junge Leute" erzählt.

Hat das Team geschmunzelt darüber, dass ich glaube, meine Antworten, die ich leidenschaftlich und akribisch ausgeführt habe, würden tatsächlich gesendet? Oder war ein schlechtes Gewissen dabei, bei an sich redlichen Menschen, die eben als Medienleute auch von etwas leben wollen und sich für diese Form der Satire verdingen?

Und doch: Der Schluss hat mich versöhnlich gestimmt, immerhin wurde doch noch ein sympathisches Bild gezeichnet. Besser, ein nicht gerade faires "auf die Schippe nehmen" wie in dieser Sendung als die vereinzelten Versuche anderer Medienleute, neue Ideen und deren Träger derart verbissen zu diskreditieren und zu bekämpfen.


Es bleibt für mich befremdend, mit welcher Leichtfertigkeit Journalisten früher als tadellos geltender Institutionen von der FAZ bis zum ZDF am eigenen Ast ihrer Glaubwürdigkeit sägen. Die Folge liegt doch auf der Hand: Sobald es darum geht, echte Problembereiche sachlich darzustellen, vom Klimawandel bis zum Rechtsextremismus, glauben diesen Journalisten immer weniger Menschen, weil sie befürchten müssen, dass es sich um massiv manipulierte Darstellungen handelt. Dieselben Leitmedien, die immer wieder vor Populismus warnen, bedienen sich inzwischen ungehemmt populistischer Methoden. Das Misstrauen gegen diese Leitmedien ist deshalb gerade bei Gebildeten stark gewachsen.

Hannes Hausbichler ist inzwischen ein Profi im Umgang mit diesem zunehmend anrüchigen Metier. Menschen ohne langjährige Medienerfahrung kann man inzwischen nur raten, Interviewanfragen, die man nicht zigfach auf Seriosität abgeklopft hat (zum Beispiel in diesem Fall: Hat der betreffende Journalist jemals etwas Vernünftiges zum Männerthema veröffentlicht?), lieber abzulehnen, statt sich ahnungslos unsauberen Methoden auszusetzen. Was Günther Wallraff vor über vierzig Jahren mit Blick auf die "Bild"-Zeitung anprangerte, gilt heute für einen Großteil unserer Leitmedien insgesamt. Das Ideal von den Medien als "vierte Gewalt", die als Kontrollinstanz für die Mächtigen gilt, löst sich zunehmend auf: Stattdessen knöpft sich der karrierebewusste Journalist von heute mutig die Machtlosen vor. Wer nicht ins System passt, wird als "Freak" vorgeführt, wenn ich das Wort übernehme, das Jan Böhmermann in dem verlinkten Youtube-Ausschnitt verwendet.

Besonders absurd ist, dass sich die Redaktion des Neo Magazin Royale vermutlich als "tabubrecherisch" und "gewagt" vorkommt, während sie exakt in den scharf abgezirkelten Grenzen des Mainstreams bleibt und sich nicht einmal traut, einen Männerrechtler seine Position tatsächlich darstellen zu lassen. Es ist eine Redaktion der Angsthasen. Was die gewohnten Gedankengänge stört, verunsichert und muss wegzensiert werden. Weil das so leicht ist und es kaum Widerstand dagegen gibt, sind die Vorkämpfer der Feministischen Korrektheit, wie die Nachrichten der letzten Tage gezeigt haben, inzwischen dazu übergegangen, nicht nur die launige Reklame von Fruchtsaft-Produzenten, sondern sogar Gedichte von Goethe und Gemälde von Renoir als störend zu empfinden. Weg mit dem Dreck, genauso wie mit dem Dreck der Männerrechtler! Unsere Gesellschaft muss ideologisch endlich nicht nur sauber werden, sondern porentief rein. Irgendeinen sachlichen Beitrag über Männerrechtler, eine hierzulande inzwischen Jahrzehnte alte Bewegung, wird man beim ZDF nicht finden.

Offenkundig geht unsere soziale Bewegung und ihre Anliegen (Schutz auch von Männern vor häuslicher und sexueller Gewalt, Benachteiligung von Jungen in der Schule, gleichberechtigte Elternschaft und so weiter) immer mehr Strippenzieher in den Leitmedien derart gegen den Strich, dass sie nur auf die hier geschilderte Weise damit umgehen können. Das allein zeigt schon, wie stark sie inzwischen geworden ist.

Siehe zu diesem Thema auch: Die Medienleite weiß wenig von der Wirklichkeit.

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