Übergriffig: Lena Dunham belästigt Brad Pitt – News vom 3. August 2019
1. Die bekannte US-amerikanische Feministin Lena Dunham versuchte bei der Premiere von Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood" Brad Pitt zu küssen. Aufnahmen davon erwecken beim Betrachter den Eindruck, dass Pitt zu diesem Kuss nicht wirklich gewillt war; er drehte sich zur Seite, so dass es Dunham misslang, ihre Lippen auf seine zu pressen. Daraus ist in den sozialen Medien eine Debatte entstanden, ob das Gebot der Einvernehmlichkeit nicht auch gelten sollte, wenn sich eine Frau an einen Kerl heran macht. Viele warfen Dunham einen sexuellen Übergriff und der Sexismusdebatte ein Messen mit zweierlei Maß vor. "Lena Dunham ist eine Heuchlerin" lautet ein typischer Kommentar. "Wenn ein männlicher Schauspieler dasselbe bei ihr gemacht hätte (was ich sehr bezweifle), würde sie ihn metooen bis zur Bewusstlosigkeit."
Auffällig ist, dass infolge dieser Online-Debatte auch hierzulande wesentlich mehr Artikel, als es noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre, sehr kritisch über Dunhams "Kussattacke" berichten. Nur zwei Beispiele: "Wir lieben Lena Dunham, dass sie Brad Pitt auf dem roten Teppich aber einfach ungefragt küsste, ist problematisch" befindet die Zeitschrift "Woman", und das Magazin "Glamour" titelt: "Lena Dunham belästigt Brad Pitt. Dieser Kuss geht gar nicht!" In dem "Glamour"-Artikel heißt es:
Natürlich ist das umgekehrter Sexismus! Wenn Leonardo DiCaprio Lena Dunham oder Margot Robbie niedergeknutscht hätte, würden wir nämlich genau das gleiche sagen: Das geht nicht. Das ist übergriffig. (...) Es ist verwunderlich, dass gerade Lena Dunham ("Girls") diesen ganz einfachen Grundsatz vergessen hat. Sie selbst ernannte sich zu einem Sprachrohr der Feminismus-/Gleichberechtigungsdebatte und des #metoo-Movements – auch wenn man ihr das inzwischen leider kaum mehr ernsthaft abnehmen kann.
(...) Klar, der 55-jährige Schauspieler hätte sie einfach zur Seite schubsen können. Dann würde ich heute eine andere Geschichte schreiben: Eine darüber, wie ein bekannter Schauspieler sich gegenüber seiner Kollegin richtig daneben benommen hat. Eine darüber, wie #metoo immer noch nicht in den Köpfen der privilegierten weißen Männer angekommen ist und was für ein mieser Kerl der Ex-Mann von Angelina Jolie und Jennifer Aniston doch wirklich zu sein scheint.
Gut, der "Glamour"-Artikel ist zum Ausgleich mit demonstratv viel feministischer Rhetorik aufgeladen, und es wird natürlich nicht darauf hingewiesen, dass die veränderte öffentliche Wahrnehmung solcher Übergriffe wesentlich Männerrechtlern zu verdanken ist, die in den sozialen Medien immer wieder die herrschende Doppelmoral angeprangert haben. Trotzdem: Noch vor wenigen Jahren konnte man diese Argumentation nur in unseren Foren und Blogs lesen, während sich die "normalen Menschen" über "diese Spinner" kaputt lachten, die ernsthaft meinten, Männer würden denselben Schutz verdienen wie Frauen. Wir bewegen uns Stück vor Stück nach vorne zu einer vernünftigen und fairen Debatte.
2. Der Geschäftsführer von Gillette versucht das milliardenschwere Fiasko, das der Firma durch ihre männerfeindliche Reklame entstanden ist, zum moralischen Sieg umzudeuten: Die acht Milliarden Verlust seien ein Preis, den man für MeToo gerne bereit sei zu zahlen. Darüber hinaus beharrt der Gillette-Chef darauf, dass die Reklame nur eine kleine Minderheit an Kunden verletzt habe. Trotz dieses Großspurigkeit gehe ich davon aus, dass Firmen es sich in Zukunft zweimal überlegen werden, ob Männer wirklich immer noch eine Gruppe darstellen, die sich in Werbespots gefahrlos verunglimpfen lässt. Kaum ein Unternehmen hat Milliarden zum Verjuxen übrig, nur um sich damit bei einer bestimmten politischen Gruppe einzuschmeicheln.
3. Die Post. Genderama scheint bei vielen von euch die Wahrnehmung für unterschwelligen Sexismus in Nachrichtenmeldungen geschärft zu haben. Immer wieder schreiben mir neue Leser, die ich bislang nicht kannte, Mails mit bemerkenswerten Beobachtungen dazu. Heute zum Beispiel schreibt mir einer von euch:
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
ein kleiner Hinweis meinerseits zu einer Meldung auf tagesschau.de. Sie demonstriert den Sexismus unserer Tage.
Die wichtigsten Zitate:
"Mehr als 3800 Zivilisten sind in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in Afghanistan getötet oder verletzt worden, heißt es im Bericht der Vereinten Nationen."
sowie
"Frauen und Kinder seien die Hauptleidtragenden des Konfliktes in Afghanistan, heißt es in dem Bericht der UNAMA weiter."
und
"Während seit Anfang des Jahres 430 Frauen infolge von Kampfhandlungen oder Anschlägen getötet oder verletzt wurden, dokumentierte die UN-Mission in Afghanistan mehr als 1200 Fälle, in denen Kinder die Opfer waren - davon wurden fast 330 getötet und 880 verletzt."
Wenn man diese Zahlenangaben miteinander verbindet, bedeutet das wohl, dass die über 2100 getöteten und verletzten Männer nicht so wirklich zählen, obwohl sie mehr sind als Frauen und Kinder zusammengenommen.
Viele Grüße, und machen Sie weiter mit Ihrer wichtigen Arbeit!
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