Samstag, Februar 23, 2019

"Sexismus" leuchtet über Berlin, Folgen der MeToo-Hexenjagd – News vom 23. Februar 2019

1. Eine Berliner Hochschule ließ das Gedicht "Avenidas" von Eugen Gomringer übermalen, weil Studenten es sexistisch fanden. Nun leuchtet es ganz in der Nähe mit neuer Strahlkraft.



2. In der L. A. Times berichtet die Journalistin Nancy Rommelmann, welche Folgen die moralische Panik im Zusammenhang mit MeToo inzwischen zeitigt:

Es war 9:30 Uhr nachts, als mein Mann sein iPad über das Bett zu mir schob. Darauf war eine E-Mail, die eine ehemalige Mitarbeiterin an die derzeitigen und ehemaligen Mitarbeiter seiner Kaffeerösterei in Portland, Oregon, geschickt hatte. Die Ex-Mitarbeiterin erklärte, dass eine neue YouTube-Serie, die ich moderierte, die #MeNeither-Show, in der eine andere Journalistin und ich unter anderem einige Exzesse der #MeToo-Bewegung diskutierten, "abscheulich, gefährlich und extrem fehlgeleitet" sei.

Sie betrachtete die Show als feindselig gegenüber Überlebenden und empfand es als ihre Pflicht, mehrere Zeitungen darauf hinzuweisen, dass meine Meinungen eine potenzielle Bedrohung für die weiblichen Mitarbeiter meines Mannes und die gesamte Gemeinschaft darstellen.

Ich sagte meinem Mann, das würde vorbeigehen. Schließlich gab es in der E-Mail keinen Hinweis darauf, dass er selbst sich jemals unangemessen verhalten hätte, nur dass meine Ansichten gefährlich waren. Und ich hatte zwei Jahre lang bloß in unterstützender Funktion in seinem Betrieb gearbeitet.

Ich hätte nicht falscher liegen können. Das Ding explodierte, und in weniger als einem Monat ist ein 15-jähriges Unternehmen mit makelloser Erfolgsgeschichte jetzt vom Zusammenbruch bedroht. Baristas kündigten und Großhandelskunden flohen. Ihr Unbehagen wurde von einer lokalen Presse gespeist, die immer wieder auf die Pauke haut.

Dies ist der aktuelle Höhepunkt der Empörungskultur, wo die Äußerung einer Meinung, von der jemand sagt, dass er sie als Bedrohung betrachtet, dich für eine sofortige Vernichtung qualifiziert, ohne Fragen zu stellen. Warum Fragen stellen, wenn es zweckmäßiger ist, vielleicht mehr Kick hat, etwas, dem man nicht zustimmt, zur Katastrophe zu erklären?

Nach dieser Alarmstimmung haben Menschen auf allen Seiten eine Sucht entwickelt. Zeige uns den nächsten Menschen, den wir hassen sollen, und wir stehen bereit; wir haben ein tierisches Vergnügen daran, den Jugendlichen mit dem MAGA-Hut fertigzumachen oder ein jahrzehntelanges Interview mit John Wayne zu einem Messer zu machen, mit dem wir den Schauspieler posthum ausweiden können. Und dann suchen wir nach dem nächsten Ziel.

Weil wir den nächsten Treffer brauchen, brauchen wir ihn sofort. In einem ständigen Ausnahmezustand zu sein - einem Zustand, in dem Menschen notorisch schreckliche Entscheidungen treffen - ist wie ein Feuer, das im Körper wütet und das gefüttert werden muss. Es braucht neuen Treibstoff, und so suchen wir nach neuen Feinden.

In der Zwischenzeit beobachten einige von uns von der Seitenlinie aus, versuchen, aus dem Weg zu gehen, in der Hoffnung, nicht der nächste zu sein. (Viel Glück dabei.)

Vielleicht ist die Reizbarkeit, in der wir derzeit leben – Menschen, die sich in immer kleinere Stämme aufteilen – eine Nebenwirkung dieser Sucht. Es braucht ein unbegrenztes Angebot an Menschen, die wir hassen, und je kleiner die Gruppe, desto größer der potenzielle Pool an Feinden. Dass dies Groll und Instabilität für alle schafft, ist ein Preis, den Süchtige bereit sind zu zahlen; in der Tat kann es nach Sieg schmecken.

(...) Es kann sicherlich belebend sein, sich in einen Kampf einzumischen. Man sollte jedoch mutig sein, anstatt, sagen wir, heimlich Fotos von mir in der Öffentlichkeit zu machen und sie in den sozialen Medien zu posten, oder anonym alle Verkäufer meines Mannes anzurufen und ihnen zu sagen, sie sollen aufhören, mit einem Unternehmen zu arbeiten, das die "Vergewaltigungskultur" unterstützt. Ja, das ist ein Zitat. Diese von so genannten Feministinnen geführte Kampagne sieht keine Ironie darin, einen Mann aus dem Geschäft zu drängen, weil seine Frau ihre eigene Meinung äußert.

Dennoch betrachte ich die Leute, die diese Schlacht schlagen, nicht als böse. Ich sehe sie als unwillig an, sich der Welt außerhalb ihrer kleinen ausgewählten Gruppen zu stellen. (...) Ich halte sie für ängstlich gegenüber den Ansichten anderer Menschen. In diesem Sinne habe ich mehrmals angeboten, Gespräche über Themen zu führen, die sie offensichtlich gefährlich genug finden, um in den Krieg zu ziehen. Niemand ist auf dieses Angebot eingegangen.




3. Die Post. Einer meiner Leser aus Österreichs schreibt mir zu einer der üblichen ausgewogenen und ideologiefreien Sendungen der Öffentlich-Rechtlichen, diesmal zu "100 Jahren Frauenwahlrecht":

Diese Renate Schmidtkunz ist eine schreckliche Journalistin. In jedem Interview und dann dort in jeder zweiten Frage bringt sie mit einer Selbstverständlichkeit ihren Feminismus unter ... und lenkt genau auf die wesentlichen Lügen: Frauen wurden unterdrückt. Die Frauen hatten sich das Wahlrecht mühsam erkämpft. Jede weitere Verbesserung wurde mühsam erkämpft. Männer tun sich schwer, blablabla (z.B. ihren heimlichen Sexismus zuzugeben). Ohne Quote geht's halt nun nicht. Frauen werden nach wie vor gemansplained. Überparteiliche Allianzen müssten her (obwohl es sie schon längst gibt).

Kein Wort über Transferleistungen und Kinderentzug.

Gestern war ich zudem auf einer Veranstaltung, wo eine Frauenband (alle Ü50) auftrat. (Frag nicht wie ich da hingeraten bin.) Sie sangen mit Inbrunst Sinead O'Connors

"I don't wanna be no man's woman // It don't make me happy this mantrolling // Thing that you got for me so I become // No man's woman"

und wurden bejubelt.

Dass O'Connor von ihrer Mutter misshandelt wurde, wussten die natürlich nicht... und wehe, ich hätte es reingerufen.


Einer meiner Leser in Israel schreibt mir:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

hier eine Meldung aus den israelischen Nachrichten, die Ihre Leserschaft interessieren koennte (Zeitungsartikel auf Hebraeisch von Yoram Yarkoni).

Da wurde doch tatsaechlich einer Mutter eine saftige Strafzahlung dafuer auferlegt, dass sie ihr Kind jahrelang vom Vater entfremdete. Ein solches Gerichtsurteil ist auch in Israel hoechst ungewoehnlich. Ein Hoffnungsschimmer? Im Folgenden meine Uebersetzung des Artikels.

Der Preis der Hetze gegen den geschiedenen Vater

14 Jahre lang hetzte eine Mutter ihren Sohn gegen seinen Vater auf, und verhinderte den Kontakt - jetzt entschied das Gericht, dass sie ihn mit 250.000 Shekel (aktuell ca. 61.000 Euro) entschaedigen muss: "Sie versuchte, jede Erinnerung an den Vater auszuloeschen"

(...) Es handelt sich um eine juedische Mutter und einen Vater, der einer anderen Religion angehoert. Ihre Eltern ware gegen die Beziehung, aber sie heirateten trotzdem und bekamen ein Kind. Nach einem Jahr kam die Scheidung. Die Mutter zog mit dem Sohn um, und behauptete bei der Polizei, ihr Ex-Ehemann sei ihr gegenueber gewalttaetig gewesen. Seitdem verweigerte sie ihm den Kontakt zu seinem Sohn.

Der Fall kam vor Gericht. Der Vater wurde vom Rechtsanwalt Ronen Dlayahu vertreten. In den letzten 14 Jahren hatte das Gericht mehrmals entschieden, dass die Mutter verpflichtet sei, dem Vater den Kontakt mit seinem Sohn zu gewaehren. Sie tat dies aber nicht, und es wurden keine Massnahmen gegen sie ergriffen. Auch die Sozialbehoerden legten fest, dass sie den Kontakt zu ermoeglichen habe, und als der Sohn fuenf Jahre alt war, hiess es in einem Gutachten: "Die Mutter verhindert den Kontakt zwischen ihrem Sohn und seinem Vater. Sie verletzt den Sohn, dies stellt eine Misshandlung dar und erzeugt psychische Schaeden. Sie missachtet die gerichtlichen Entscheidungen und kooperiert nicht mit den Behoerden."

Der Hass und die Verachtung gegen den Vater, die die Mutter vor dem Sohn zum Ausdruck brachte, taten das ihre. Das Kind war zwischen den Eltern hin- und hergerissen, und wurde ab einem gewissen Zeitpunkt von den Geschichten der Mutter ueberzeugt. Die wenigen Treffen, die sie zuliess, endeten in bitterer Enttaeuschung.

Der Vater berichtete Yediot Acharonot (der Zeitung, in der der Original-Artikel erschien): "Das letzte Mal, dass ich das Kind gesehen habe, war vor vier Jahren. Ich wollte ihn umarmen, aber er wurde gewalttaetig und verliess das Zimmer."

Der Fall kam vor das Familiengericht in Tel-Aviv, wo die Richterin Iris Arbel-Asal in einem aussergewoehnlichen Schritt entschied, dass die Mutter den Vater mit einer Viertelmillion Shekel zu entschaedigen hat. In der Gerichtsakte steht: Die Mutter bereute ihre Entscheidung, den Vater zu heiraten, und waehlte ein Narrativ, demzufolge sie ein Gewaltopfer sei. Aus diesem Grund kaempfte sie mit allen Mitteln darum, jede Erinnerung an den Vater auszuloeschen, und den Sohn von ihm zu isolieren - sie aenderte den Namen des Minderjaehrigen, wechselte mehrmals den Wohnsitz und weigerte sich, mit den Behoerden zu kooperieren. Die Situation, in der das Kind darauf besteht, den Vater nicht sehen zu wollen, geht auf das Verhalten der Mutter zurueck, die systematisch den Kontakt zwischen ihm und seinem Vater unterband, den Vater in den Augen des Kindes herabsetzte und bei ihm Abneigung und Ablehnung (gegen den Vater) aufbaute.

Ausserdem merkte das Gericht an, dass der Vater mit den Sozialbehoerden kooperierte. Er sagte (der Zeitung) "Yediot Acharonot": "Natuerlich ist es eine Art Sieg, aber sie hat mir die Seele des Kindes gestohlen, und ihm sein Leben. Alles Geld, das ich bekommen werde, hebe ich fuer ihn auf. Er wird immer in meiner Seele sein, denn er ist mein aeltester Sohn und ist mir aehnlich. Ich brenne darauf, ihm Geschenke zu schicken und zu erfahren, wie es ihm in der Schule geht, aber das ist nicht moeglich. Ich bin sicher, im Alter von 18 oder 30 wird das Kind die Wahrheit wissen wollen und sehen wollen, wer sein Vater ist - dann wird sich alles aendern."

Rechtsanwalt Dlayahu: "Das Gericht sendet eine klare Botschaft, dass jedes minderjaehrige Kind ein fundamentales Recht darauf hat, mit beiden Eltern den Kontakt zu pflegen, unabhaengig davon, ob sie geschieden sind und unabhaengig von der Religions- oder Volkszugehoerigkeit."

Die Rechtsanwaeltin der Mutter, Tzipi Pik: "Das Gericht hat einseitig Position bezogen und dabei Expertengutachten ignoriert, und deshalb werden wir demnaechst Berufung einlegen."

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