Freitag, September 21, 2018

MeToo: Chefredakteur bringt umstrittenen Beitrag und geht ab – News vom 21. September 2018

1. Österreichs Presse berichtet:

In einem Essay, der am vergangenen Freitag auf der Webseite des Literaturmagazins ["New York Review of Books"] erschien, hatte der kanadische Moderator Jian Ghomeshi (51) seine persönlichen Erfahrungen mit Vorwürfen sexueller Belästigung und sein Leben als mutmaßlich Geächteter geschildert. Nach Beschwerden zahlreicher Frauen hatte Ghomeshi 2014 seine Stelle beim Sender CBC verloren, wurde aber 2016 von einem Gericht von den sehr hässlichen Vorwürfen freigesprochen.

In einem Interview des Online-Magazins "Slate" hatte der Chefredakteur seine Entscheidung zur Veröffentlichung von Ghomeshis Essay verteidigt. "Das schien eine Geschichte zu sein, die man sich anhören sollte", sagte Buruma. Sowohl seine Entscheidung zur Veröffentlichung des Essays als auch deren Verteidigung ernteten viel Kritik im Netz. Inzwischen ist der Beitrag auf der "NYRB"-Webseite mit einem Hinweis versehen, dass es einer kritischen Einordnung bedurft hätte. Diese wird in einer Einleitung nachgeliefert.


Wo kämen wir auch hin, wenn Männer ohne "kritische Einordnng" einfach so aus ihrem Leben berichten könnten? Was glauben die, wer sie sind? Feministinnen? Klar, dass sich jemand, der das einfach so veröffentlicht, in seiner Postion nicht halten kann.

Ghomeshis Beitrag findet man hier. Er ist Teil des Titelthemas der aktuellen Ausgabe, in der auch die neuesten Bücher von Warren Farrell und Michael Kimmel besprochen werden.



2. Mitarbeiterinnen der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen klagen (natürlich anonym) über sexuelle Übergriffe:

Die Übergriffe hätten gegipfelt in sexueller Belästigung: "enge, fast intime körperliche Nähe und Berührung wie Streichen über die Arme, enge Umarmungen bei Mitarbeiterinnen, unsachliches Lob, das Äußerlichkeiten (Figur, Schönheit) betont; im Gespräch während der Arbeit Berichte über private Aktivitäten wie Puff und Swinger-Club".


"Gegipfelt", ah ja.

Die Kollegen stehen einem im Extremfall also zu nahe, berühren einen vielleicht sogar, machen Komplimente und berichten aus ihrem Privatleben? Und das auch noch in "erschreckender Regelhaftigkeit"? Das ist ja widerwärtig. Aber noch lange nicht alles. Darüber hinaus soll es nämlich zu Whats-App-Gruppen gekommen sein, zu Angeboten, Mitarbeiterinnen nach der Arbeit nach Hause zu fahren, sowie Einladungen zu Bier und Wein. Mit anderen Worten: So-dom und Go-mor-ra. Es ist mir unbegreiflich, wie man in einer derartigen Atmosphäre überhaupt noch arbeiten kann.

Spötter könnten befinden, dass diese Überwachung und Anprangerung von Alltagsverhalten nirgends so gut wie in einer Stasi-Gedenkstätte aufgehoben ist.



3. Saleem Matthias Riek hat gemeinsam mit Eilert Bartels eine Umfrage zur sexuellen Belästigung durchgeführt und ihre Ergebnisse hier und hier veröffentlicht. Einer der für mich zentralen Sätze: "Nur eine klare Minderheit – mehr Frauen als Männer – sind der Meinung, dass sexuelle Belästigung immer klar von einem Flirt zu unterscheiden ist." Zum Höhepunkt der MeToo-Debatte wollten einem bis hin zur Website der "Tagesschau" viele noch das Gegenteil weismachen, und jeder Mann, der erklärte, die Grenze zwischen Flirt und Belästigung sei unscharf, galt als heuchlerischer Verharmloser sexueller Gewalt.



4.
Die SPD in Berlin will feministische Pornos fördern. Der feministische Porno unterscheidet sich vom herkömmlichen Porno dadurch, dass auch Menschen mitspielen, denen man das auf den ersten Blick nicht zutrauen würde. Außerdem liegt die Frau immer oben. Wenn Sie jetzt denken, dass dies kein vernünftiges politisches Anliegen sei, dann verstehen Sie nichts von der heutigen Sozialdemokratie.


Hier geht es weiter mit dem Beitrag "Diese Partei ist am Ende" von Jan Fleischhauer.



5. Der neueste Sieg für MeToo: In der Antarktis wird ein Gletscher umbenannt.



6. Die Schauspielerin Jane Fonda befindet, Männer, die wegen MeToo-Anschuldigungen ihren Job verloren haben, dürften erst dann zurückkehren, wenn sie ihre Einstellung geändert haben:

Damit die Bewegung zu echten Veränderungen führen kann, müsse sie Überlebende von Missbrauch außerhalb Hollywoods einbeziehen, Intersektionalität ins Zentrum stellen und die Lohngleichheit vorrangig machen, um Frauen von Anfang an zu stärken. Was die Täter betrifft, so hatte Fonda wenig Verständnis. "Kerle versuchen, ein Comeback zu machen, und sie haben die Arbeit nicht getan", sagte sie und nannte als Beispiel Charlie Roses Bemühungen, wieder ins Fernsehen zu kommen. "Es spielt keine Rolle, wie lange sie arbeitslos waren", beharrte sie. "Wenn sie ihre Arbeit nicht getan haben, warum sollten sie dann zurückkommen?" Dennoch behauptete Fonda, dass sie "enormes Mitgefühl für Jungen und Männer" habe, aber dass "wir sie in Ordnung bringen oder ihnen zumindest den Weg weisen müssen".

"Männer sind darauf trainiert, nicht einfühlsam zu sein, nicht emotional. So ist es nicht einfach, was sie versuchen zu tun," sagte Fonda über Männer, die eine tatsächliche Anstrengung unternehmen, sich zu bessern. "Aber sie müssen versuchen, es zu tun! Es spielt also keine Rolle, ob es zwei Wochen oder zwei Jahre her ist. Es ist nur wichtig, welche Art von Veränderungen sie durchgemacht haben." Fonda erklärte weiter: "Warum nicht das tun, was die Jungs tun, die ihre Gewerkschaftsjobs in Pennsylvania verlieren? Arbeite bei Starbucks, verfickt noch mal!"


Derartige Äußerungen machen Artikel wie den von Nicole Russell im Washington Examiner - "MeToo Wants the End of Men" - nachvollziehbar.

Derweil sieht der "Spectator" mit MeToo eine neue Form des McCarthyismus am Werk und spricht von einem "identitäten Mob". Wenn man seinen Job verlieren kann, weil man sich nicht der aktuell angesagten identitären Politik unterwirft, erscheint diese Formulierung treffend. Der Autor des Artikels befindet:

Meine eigene Theorie ist, dass eine kleine Minderheit der identitären Linken verschiedene maoistische Taktiken angewandt hat, einschließlich öffentlicher Beschämung in sozialen Medien, um die Menschen davon zu überzeugen, dass ihre doktrinären Positionen zu #MeToo-Vorwürfen und einer Reihe anderer Themen - Geschlecht ist ein soziales Konstrukt, Männlichkeit ist giftig, Klimawandel wird durch Frauenfeindlichkeit verursacht, etc. – viel allgegenwärtiger sind, als es wirklich der Fall ist, und so abweichende Meinungen unterdrücken.

(...) Der Blogger Scott Alexander lieferte ein reales Beispiel für genau diese Dynamik:

"Hier ist eine Geschichte, die ich von einem Freund gehört habe, die ich leicht verändern werde, um die Unschuldigen zu schützen. Ein angesehener Psychologieprofessor unterzeichnete einen offenen Brief, in dem Psychologen den Glauben an angeborene Geschlechtsunterschiede verurteilten. Mein Freund wusste, dass dieser Professor glaubte, dass es solche Unterschiede gäbe, und fragte ihn, warum er den Brief unterschrieben hatte. Der Professor erwiderte, dass er erwartet hatte, dass alle anderen in seiner Abteilung es unterschreiben würden, so dass es wirklich schlimm aussehen würde, wenn er es nicht tun würde. Mein Freund fragte, warum er von allen anderen in seiner Abteilung erwartete, dass sie es unterschreiben, und er sagte: Vermutlich aus dem gleichen Grund wie ich".

Wer weiß, wie lange diese paranoide Atmosphäre noch andauern wird. Amerika scheint periodische Anfälle von hysterischem Puritanismus zu durchlaufen, was teilweise den anhaltenden Reiz von "The Crucible", Arthur Millers Theaterstück über die Hexenprozesse von Salem, erklärt. Ich denke, es hängt weitgehend davon ab, was in den Halbzeitwahlen für den Kongress passieren wird. Wenn die Demokraten die Sieger hervorbringen, beginnt das Trump-Umnachtungs-Syndrom zu verblassen und die Vernunft kann sich wieder in die liberalen Institutionen Amerikas einschleichen. Aber wenn die Republikaner gewinnen, sinken die Demokraten wahrscheinlich in den Bürgerkrieg und die identitäre Linke kann die Partei gefangen nehmen, so wie sie die britische Labour Party gefangen genommen hat. Wenn das passiert, erwarten Sie nicht, dass diese Hysterie bald nachlässt.

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