Freitag, Juli 28, 2017

Hetzen die Grünen auch deshalb gegen die Männerbewegung? (Buchvorstellung)

Die Debatte über die schwarzen Listen, die die grüne Heinrich-Böll-Stiftung über Menschen angelegt hat, die nicht stramm feministisch sind, wirft mehrere Fragen auf: Warum lässt sich die Genderfraktion inzwischen zu derart fragwürdigen Attacken hinreißen, dass selbst Zeitungen des eigenen Lagers nicht mehr mitgehen wollen? Warum genügt inzwischen das Frisieren von Wikipedia-Artiklen nicht mehr, in denen man jahrelang völlig ungestört die Männerrechtsbewegung und ihre Aktivisten als Ausgeburten der Hölle darstellen konnte? Und warum kommt es gerade jetzt zu einer neuen Eskalationsstufe, bei der Linksliberale besinnungslos mit Rechtsradikalen in einen Topf geworfen werden?

Vielleicht liegt der Grund dafür schlicht in Angstbeißerei: Die Aggression entsteht aus Angst davor, im Genderbereich das Privileg der Alleinherrschaft zu verlieren, weil man gegenüber neuen politischen Diskursen allzu ausgrenzend und verkrustet ist. Gerade in diesem Jahr haben sich männerpolitische Graswurzel-NGOs wie die "IG Jungen, Männer, Väter" Zugang zu Gesprächen mit Vertretern des Familienministeriums verschafft und damit die ersten Sprünge in der "gläsernen Decke" für Männeranliegen in der Politik erzeugt. Über die FDP könnten Männerrechtler schon in zwei Monaten einen dauerhaften Repräsentanten im Bundestag haben. Dieselbe Instituionalisierung beginnt allmählich aber auch im akademischen Bereich, wo das Schmuddelkinder-Image für Maskulisten ebenfalls aufweicht. Das lässt sich etwa daran aufzeigen, wie das Buch Männer: Rollen und gute Orte des Psychologen und Familienberaters Christoph Hutter die Männerrechtsbewegung darstellt.

Bei diesem Buch freut es mich zunächst einmal, dass darin nicht nur mein eigenes Plädoyer für eine linke Männerpolitik häufig zitiert wird, sondern auch die Veröffentlichungen der Professoren Amendt und Hollstein, Dr. Matthias Stiehler, Dr. Peter Döge, Dr. Christoph Kucklick, Dr. Heike Diefenbach, Johannes Meiners und Christine Bauer-Jelinek – sämtlich Autoren, deren Gedanken und Analysen für die Männerrechtsbewegung von Bedeutung waren.

Das allmähliche Herausbilden einer Männerpolitik in Deutschland schildert Hutter ab Seite 27 unter der Überschrift "Es gibt eine Männerbewegung, aber sie bleibt immer wieder stecken". Ein Auszug daraus:

Die Probleme, die bisher aufgezeigt wurden, bedürfen dringend einer Antwort. Diese Antwort kann nicht individualisiert gegeben werden, sie muss von der Gesellschaft und der Politik formuliert und getragen werden, sie muss aber vor allem von Männern vorangetrieben werden. (...) Die gute Nachricht vorweg: Es gibt in Deutschland eine Männerbewegung, vielleicht präziser Männerbewegungen. Besucht man im Internet die Seiten von MANNdat (www.manndat.de), agens (www.agensev.de) oder Väteraufbruch für Kinder (www.vaeteraufbruch.de) – um nur drei Beispiele zu nennen –, so wird man sich schnell davon überzeugen können, dass Männer sich organisiert haben, um ihre eigene Situation zu reflektieren, um ihre Bedürfnisse zu artikulieren und um gesellschaftliche Forderungen durchzusetzen. Auch "vor Ort" in der psychosozialen Praxis von Jugendhilfe, Beratungsarbeit, Therapie und pädagogischen Angeboten lassen sich Jungen- und Männerthemen kaum noch übersehen. (...) Und doch teile ich die Einschätzung von Arne Hoffmann (...), dass es heute eine starke Frauenbewegung, aber lediglich eine schwache, oftmals stille und wenig präsente Männerbewegung gibt. Männerthemen werden manchmal offen, in größerem Maße aber unbewusst vermieden.


Um das zu verdeutlichen zitiert Hutter eine Passage aus meiner Rezension von Dr. Matthias Stiehlers Buch "Der Männerversteher".

Auf den Seiten 30 und 31 schreibt Hutter unter der Überschrift "Gesellschaftlich unerwünschte Themen" folgendes:

Ein weiterer Faktor, der zu dieser langsamen Etablierung der Männerbewegung führt, ist die Tatsache, dass die wirklichen Männerthemen nicht unwesentlichen gesellschaftlichen Gegenwind haben. So kommen Meiners und Bauer-Jelinek in ihrer Studie zum gesellschaftlichen Einfluss von Feminismus und Maskulismus zu der Einschätzung, dass die Maskulisten "trotz großen Engagements [weit] von einer Realisierung ihrer Forderungen entfernt [sind]. Die mediale Wahrnehmung von Männerthemen ist noch gering oder überwiegend negativ" (Meiners & Bauer-Jelinek 2014). Und in der Tat gibt es viele für Männer wichtige Themen, die im gesellschaftlichen Diskurs entweder nicht wirklich interessieren oder aber nicht wirklich verstanden werden. Hier herrscht ein eklatanter Mangel in der Wahrnehmung männlicher Lebensrealität. (...) Das zuständige Ministerium ist seit Generationen fest in der Hand von Politikerinnen und es kümmert sich, wie der Name des Ministeriums besagt, bis heute um "Familien, Senioren, Frauen und Jugendliche", aber eben deutlich weniger um die Belange der irgendwie mitgemeinten Männer. Versuche von Männern, Recht und Politik in den Bereichen einzufordern, in denen Männer benachteiligt sind oder wenig wahrgenommen werden (...), scheitern an einem unverständlich hartnäckigen und breiten Desinteresse von Politikerinnen und Politikern (gut dokumentiert sind solche Versuche auf der Seite www.manndat.de).


Hutter zufolge forderten Männer inzwischen eine "Emanzipation 2.0" ein, die "systematisch die Bedürfnisse und Anliegen von Männern herauszuarbeiten und ihnen Gehör zu verschaffen" versucht.

Unter der Überschrift "Der Feminismus – oder: Wer oder was kritisiert die Patriarchatskritik?" kommt Hutter darauf zu sprechen, dass diese Ideologie Männer mitunter "global zu Tätern stilisiert oder undifferenziert beschimpft und entwertet". Er erwähnt auf Seite 46 mit Bezugnahme auf mein "Plädoyer" aber auch die leider noch sehr kleine Randgruppe der Equity-Feministen, die diesem Sexismus widersagen:

Sowohl in den Sensibilität für die Bedeutung der Geschlechterrollen, als auch in dem Bestreben, soziale Gerechtigkeit jenseits einer Parteinahme für eine bestimmte Untergruppe einzufordern, sind Vertreterinnen des Equity-Feminismus willkommene Gesprächspartner für Maskulisten, die ihrerseits primär Problemlagen und Diskriminierung von Männern in den Blick nehmen. Wichtig für jeden Dialog ist das gemeinsame Ziel politischer Gerechtigkeit und der unbedingte Verzicht darauf, eine andere Gruppe abzuwerten beziehungsweise sie zu missbrauchen, um die eigene Identität oder Position zu stärken.

Den anderen Pol des Kontinuums bezeichnet Arne Hoffmann als "Radikal-Feminismus" (Hoffmann 2014, S. 11). Er markiert damit Positionen, die weiter unten unter der Überschrift der "Misandrie" näher betrachtet werden. Ein gar nicht so kleiner Teil der feministischen Strömung spricht leider immer wieder dem offenen Männerhass das Wort. Diese Position ist nicht Gegenstand meiner Überlegungen, weil sie zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit der Männerrolle nichts beizutragen hat.

Schließlich ist noch eine weitere Abgrenzung wichtig. In der Geschlechterdebatte wird immer wieder versucht, eine männliche Position durchzusetzen, die sich unter dem Banner der Männerarbeit primär darum bemüht, feministische Themen voranzutreiben (Hoffmann 2014, S. 383ff., Neukirch 2012). So wichtig es auch ist, das die Menschen, die gendersensible Themen aus einer parteilichen Geschlechterperspektive vorantreiben, die andere Seite im Blick behalten, so wenig löst diese konkrete Verschränkung den Anspruch an eine männersensible Theoriebildung ein. Eine zukunftsweisende Füllung der Männerrollen entsteht nicht aus dem Abarbeiten einer pro-feministischen Agenda, sondern aus der Selbstbestimmung auf die Themen, die Männer belasten und beschäftigen.


Schließlich kommt Hutter auf den Seiten 262 bis 264 seines Buches noch einmal eingehender auf das Thema "Männerpolitik" zu sprechen:

Arne Hoffmann (2014) weist in beeindruckend sachlicher, aber auch hartnäckiger Manier darauf hin, dass es nicht genügt, Männlichkeit und Tätigkeit im privaten Bereich positiv zu erschließen. Die Verletzungen der Männerrolle, die in diesen Überlegungen aufgezeigt wurden, müssen ebenso wie die Suche nach guten Männer-und Väterorten einen selbstverständlichen Platz im politischen Diskurs bekommen. Fatalerweise gibt es bezüglich der öffentlichen Thematisierung genderbedingter Ungleichheit aber eine massive Schieflage, die dazu führt, das "Benachteiligung und soziale Problemlagen, von denen Männer betroffen sind, weitgehend marginalisiert" werden (Hoffmann 2014, S. 13). Hoffmann arbeitet heraus, dass das Problem über ein bloßes Vergessen männlicher Anliegen weit hinausgeht. Männerthemen haben es schwer, politisches Gehör zu finden, weil Männlichkeit im politischen Raum mit Ideen von Macht, Unterdrückung und Täterschaft besetzt ist. Wo die Bundes-SPD in ihrem Grundsatzprogramm darauf drängt, die männliche Gesellschaft zu überwinden, um eine menschliche Gesellschaft erreichen, wo die Goslarer Grünen in einem offenen Brief an die Gleichungsbeauftragte darauf hinweisen, dass es "nicht ihr politischer Wille" sei, "Benachteiligungen von Männern aufzuzeigen und zu beseitigen"und wo das Wort "Mann" in der politischen Linken "geradewegs einem Schimpfwort geworden" ist (Hoffmann 2014, S. 16), dort ist schwierig, Diskussionen über die Diskriminierung, Benachteiligung und Verunglimpfung von Männern zu führen.

Spricht man über eine zukunftsweisender Männerpolitik, dann geht es um drei Schritte: um Entdämonisierung, um die Schaffung adäquater Strukturen und um die entsprechenden inhaltlichen Auseinandersetzungen. Für den ersten Schritt steht ein Titel von Christine Bauer-Jelinek. Sie dekonstruiert in ihrem Buch "Der falsche Feind. Schuld sind nicht die Männer" (2012) den "radikal-feministischen" Mythos, dass sich gesellschaftliche Probleme monokausal auf männliches Verhalten zurückführen lassen. Unabhängig von den heißen Themen, die sie in ihrem Buch durchspielt, markiert sie mit dem Titel einen notwendigen ersten Schritt weg von einem Denken, das den politischen Blick auf Männerthemen prinzipiell verstellt.

Der zweite Schritt hin zu einer Männerpolitik, die diesen Namen verdient, ist der Streit um Institutionen, die Männerthemen politisch vertreten können. Hier zeigt sich die Männerszene heute leider tief gespalten. Auf der einen Seite stehen Männer, die den etablierten Institutionen wie die Bundesforum Männer immer wieder nachweisen, dass diese sich in erster Linie als Vollstrecker feministischer Politik verstehen. Gegenüber stehen Männer, die dem Teil der Männerbewegung, der unter der Bezeichnung Maskulisten fingiert, vorwirft, sie würden reaktionäre, rechtsradikal unterwanderte und frauenfeindliche Positionen vertreten. So wenig hilfreich diese Spaltung auch ist, sie markiert deutlich Handlungsbedarf, weil Männer eine politische Lobby brauchen, die ihre eigenen Themen vertritt, und keine Männerpolitik "die vor allem Frauen nutzt" (Neukirch 2012; ausführlich zu dieser Auseinandersetzung: Hoffmann 2014, S. 383-401). Untrennbar zu dieser Debatte gehört auch die Frage nach einer akademischen Präsenz der Männerforschung. Hier klafft eine eklatante Lücke zwischen den Geschlechtern. "Während es [...] mehr als 200 Lehrstühle für Frauenforschung gibt, existiert kein einziger für Männerforschung" (Hoffmann 2014, S. 104). Dies führt zwangsläufig dazu, dass sowohl die Datenlage als auch die Theoriebildung zu spezifischen Männerthemen prekär sind, wo entsprechende Projekte nicht durch privates Engagement vorangetrieben werden. Und auch diese Situation verschärft sich noch einmal durch die innere Spaltung der Zunft. Für diesen Schritt der Institutionalisierung der Männerpolitik ist heute zu konstatieren, dass er noch aussteht, wenn er auch von einzelnen Initiativen so weit wie möglich kompensiert wird.

Erst wenn die Hürden der Dämonisierung und der Institutionalisierung genommen sind, wird es möglich, die vielfältigen, in diesem Buch bereits benannten Männerthemen inhaltlich anzugehen, ihnen politisches Gehör zu verschaffen und an gesellschaftlichen Lösungen zu arbeiten.


Es ist offenkundig, dass das traditionelle Lager und dabei insbesondere die Partei der Grünen für Jungen, Väter und andere Männer nichts Entsprechendes anzubieten hat. Es scheint dort auch eine große Unlust zu herrschen, ein solches Angebot zu entwickeln und sich mit Vertretern der Männerrechtsbewegung wenigstens zu sondierenden Gesprächen zusammenzusetzen. Die Alternative besteht dort offenbar nur in einem erneuten, jetzt noch heftigeren Versuch der Diskreditierung. Männerrechtler sollen weiter mit dem Hautgout des radikal Rechten belegt und damit unberührbar gehalten werden.

Darüber, warum Andreas von Kemper und Henning von Bargen sich für diese versuchte Diskreditierung hergeben, kann ich natürlich nur spekulieren. Offen gesagt vermute ich biographische Hintergründe. Allerdings hilft einem die Antwort auf diese Frage bei der angestrebten Sachdebatte genauso wenig weiter wie die Frage, wen ich in den 13 Jahren, die es Genderama inzwischen gibt, dort schon mal verlinkt habe. Für Gespräche auf Sachebene muss man Menschen finden, die dazu bereit sind. Andreas Kemper und Henning von Bargen gehören öffensichtlich nicht dazu.

Überdeutlich ist, dass der grüne Genderpranger genau jenen Zielen entgegenarbeitet, die Hutter als so ungemein wichtig kenntlich gemacht hat. Er treibt die Dämonisierung der Männerrechtsszene und die Spaltung der Lager mit Eifer voran. Profitieren dürfte davon außer denen, die für dieses Cybermobbing bezahlt werden, kaum jemand. Die Grünen und ihre Stiftung haben sich mit diesem Pranger breitflächig blamiert; das Zusammenfinden zu einer konstruktiven Sachdebatte ist einmal mehr torpediert worden. Gewinn bringt dieser Pranger nur jenen, denen das Verhindern einer Sachdebatte nutzt.

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