Dienstag, Juli 18, 2017

Welche Entlastungsfunktion hat der grüne Internet-Pranger?

Heute morgen wies Genderama auf den neuen Internet-Pranger der grünen Heinrich-Böll-Stiftung hin, der die Frage aufwirft, warum die Verantwortlichen dafür (Henning von Bargen, Andreas Kemper und Elisabeth Tuider) dermaßen versessen darauf sind, Aktivisten für die Bürger- und Menschenrechte von Männern zu diskreditieren. Ein "Haters gonna hate" allein genügt für die Analyse kaum.

Meine linksliberale Positionierung ist seit Jahren durch zahlreiche Bücher und Artikel bekannt. Ich habe zu Zeiten, als ich noch mein Zweitblog "Hinter meinem Schreibtisch" geführt habe, lange Jahre mehrere Stunden pro Tag unentgeltlich gegen fremdenfeindliche Positionen angeschrieben. Ich habe ebenfalls unentgeltlich zahlreiche ähnliche Beiträge in den verschiedensten Publikationen veröffentlicht und auch in Genderama immer wieder eingebracht, was zu massiven Anfeindungen durch die tatsächlich Rechten führte. Ich habe gemeinsam mit zwei Muslimas ein "Watchblog Islamophobie" geführt. Und so weiter und so fort. Jemandem wie Andreas Kemper, der sich fast schon manisch mit mir beschäftigt, kann das nicht alles entgangen sein. Wenn ich tatsächlich rechts wäre – warum um alles in der Welt würde ich mich dann nicht bei Verlegern wie Kopp und Autoren wie Ulfkotte und Pirincci einreihen, um ebenfalls mit einer Mörderauflage den großen Reibach zu machen, während ich stattdessen ein "Plädoyer für eine linke Männerpolitik" mit einer sehr überschaubaren Auflage veröffentliche und deshalb nur ein schmales Einkommen habe? Die seit Jahren anhaltenden Versuche, mich zu diskreditieren, sind offenkundig ebenso unseriös wie bei anderen auf diesem Online-Pranger angegangenen Personen. (Professor Aigner etwa wird sich wundern, an welchem Kongress er 2015 teilgenommen haben soll.)

Die naheliegende Erklärung lautet natürlich, dass Ad-personam-Attacken Sachdebatten unterbinden sollen, weil derjenige, der diese Angriffe leistet, einer Diskussion auf Sachebene nicht gewachsen wäre. Bezeichnenderweise ist es diese Ebene persönlicher Angriffe, auf denen die Auseinandersetzung mit der Männerbewegung grundsätzlich stattfindet: Kempers Spezi Thomas Gesterkamp spricht von "Familienfundamentalisten", Martin Rosowski von "Frauenfeinden", in einer Abschlussarbeit der Genderstudien von Hinrich Rosenbrock stellen gleich die Überschriften ganzer Kapitel persönliche Attacken dar. Der linke Maskulist "Leszek" hat einmal analysiert, wie sich die Vertreter der Genderstudien mit dem pauschalen Vorwurf, Kritik an ihrer Perspektive sei "rechts", grundsätzlich gegen solche Kritik imunisieren. Ein Auszug:

Das "Kritiker-sind-alles-Rechte"-Argument bedeutet ja nichts anderes als: "Kein Mensch, der ohne ideologische Scheuklappen durchs Leben geht, findet etwas Ernsthaftes daran auszusetzen." Und das muss doch skeptisch stimmen, denn Wissenschaft speist sich immer daraus, dass Annahmen hinterfragt, kritisiert, widerlegt, verworfen, verbessert, verfeinert werden. Ein "da kann man ja gar nichts mehr dran verbessern" ist unwissenschaftlich und ein verlässlicher Hinweis auf ideologische Scheuklappen.


Die Frage ist nur, ob "Denunzierung als Strategie" ausreicht, um die bizarre Manie zu erklären, der Männerrechtsbewegung eine rechte Haltung bis hin zu Vergleichen mit dem Nationalsozialismus zu unterschieben.

Ich kann natürlich nicht in den Kopf von Andreas Kemper, Henning von Bargen und Elisabeth Tuider hineinsehen. Aber man kann sich ja vorstellen, man hätte eine Wahl: Man könnte sich über lange Jahre hinweg gründlich in die Geschlechterdebatte einarbeiten, sich mit den Erfahrungen vieler männlicher Opfer eingehend beschäftigen (was belastend sein kann) und würde, sobald man darüber berichtet, vor allem als Unhold dargestellt werden, wenn man über die dabei gewonnen Erkenntnisse schreibt. Oder man könnte sich überhaupt nicht in dieses Thema einarbeiten, gebetsmühlenartig dieselben Ad-personam-Attacken wiederholen und würde daraufhin finanziell von einer Bundestagspartei getragen und von den verschiedensten Journalisten als "Experte" befragt. Vor diese Wahl gestellt: Wofür würden sich da wohl viele Menschen entscheiden? Ein krankes System gebiert nun mal häufig krankes Verhalten. Gleichzeitig ist es dieses Verhalten, das immer mehr Menschen von der Linken abwandern lässt und die Linken den Begriff "Gutmenschen" eingebracht hat: Menschen, die sich selbst als moralisch inszenieren, die Situation tatsächlich aber nur schlimmer machen.

Vielleicht hilft hier aber auch ein Erklärungsmodell, das der Sozialpsychologe Professor Jonathan Haidt verwendet, der von der ZEIT über die aktuelle linke Studentenbewegung (nicht nur) in den USA befragt wurde:

Diese gigantische linke Studentenbewegung ist eine dogmatische Linke, die jetzt nicht nur die Konservativen, sondern auch die liberale Linke attackiert.


Der linksliberale Blogger Lucas Schoppe berichtet hier, wie er von jemand mit dem Nick "Love" auf Twitter als "rechtsradikal" angefeindet und blockiert wurde, weil er eine problematische Koransure beanstandet hatte. Schoppe führt zu diesem Vorgang aus:

Die sprachliche Gewaltsamkeit von "Love" entsteht daraus, dass er offenbar die Situation im Sinne von Freund-Feind-Mustern wahrnimmt. Eine einzelne Äußerung wird dann gar nicht mehr für sich genommen interpretiert, sondern nur auf Signale hin gescannt, die eine Einordnung in diese Muster erlauben. Da rechtsradikale Deutsche den Islam heftig ablehnen, erlaubt dann schon eine deutliche Skepsis gegenüber einzelnen Koran-Positionen eine Einordnung als "rechts". Andere aus anderen politischen Richtungen agieren ebenso mit dem Feindbild "Linke", oder "Feministinnen", oder "Maskus"…


An anderer Stelle erinnert Lucas Schoppe daran,

dass die stark abwertenden, diffamierenden Texte über Männerrechtler in Deutschland (...) erst herauskamen, NACHDEM sich Alternativen zu Foren wie wgvdl o.ä. herausgebildet hatten. Erst als ziemlich viele Männer anfingen, sich als linke oder liberale Männerrechtler zu positionieren und gegen rechts abzugrenzen – als Kritik am Feminismus auch von links geübt wurde und nicht mehr leichthin als Phänomen aus rechten Ecken hinzustellen war – erst zu dem Zeitpunkt setzten Parteien mit linkem Selbstverständnis großen Nachdruck dahinter, Engagement für Männer oder Jungen als etwas originär Rechtes hinzustellen. Vorher war es für sie offenbar keine Bedrohung.


Henning von Bargen, Andreas Kemper und Elisabeth Tuider stellen Männerrechtler wie mich demnach also vielleicht nicht deshalb an einen irreführenden Onlien-Pranger, OBWOHL sondern WEIL ich links bin. Womöglich erschüttert es auch ihr Selbstbild zu sehr, dass sie als Linke eigentlich gegen Diskriminierung sein müssten, die Diskriminierung von Männern bei ihnen aber nur Wut auf diejenigen erzeugt, die davon berichten. Es entsteht eine innere Kluft: Man möchte zu gerne zu den moralisch besseren Menschen gehören, zugleich aber zahlreiche geschlechtsbezogene Problemlagen ignorieren. Diese kognitive Dissonanz führt zu dem intellektuellen Kurzschluss, dass Linke, die über diese Problemlagen sprechen, eigentlich irgendwie "rechts" sein müssen, sonst würde man sich ja mit ihrem Kampf gegen Diskriminierung solidarisieren.

Es ist NICHT vorstellbar, dass die Verantwortlichen für den grünen Internet-Pranger beispielsweise nichts von den Menschenrechtsverletzungen zu Lasten von Männern wissen. Denn mein Buch "Plädoyer für eine linke Männerpolitik", das ein ausführliches Kapitel über diese Menschenrechtsverletzungen enthält, wird von den Verantwortlichen für den Online-Pranger dort an mindestens einer Stelle zitiert. Offenbar wurden aber sämtliche Inhalte dieses Buches ignoriert, die sich nicht als Munition gegen den politischen Gegner verwenden lassen.

"Männer" ist in der Linken ein Schimpfwort stellte der ehemalige taz-Mitarbeiter Matthias Lohre vor mehreren Jahren anhand von Schlagzeilen der "taz" fest. Und Benachteiligungen speziell von Männern sind in der Linken kaum Thema. Das bedeutet für viele offenbar: Wenn Linke gegen die Diskriminierung von Männern und gegen männerfeindlichen Sexismus eintreten, sind es eben keine Linken mehr, sondern Rechte. Und wer nicht von den Kempers dieser Welt mit Nationalsozialisten verglichen werden möchte, muss bei diesem Sexismus gefälligst brav mitmachen.



Die Arbeit an einem Blog wie Genderama wird durch keine finanzkräftige Parteistiftung getragen, sondern ist unbezahlte Graswurzelabeit. Das verleiht der politischen Auseinandersetzung ein sehr einseitiges Gewicht. Gerne aber können Sie mich aber durch eine Spende unterstützen.

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