Mittwoch, April 20, 2016

Rosowski-Debatte: Was hat das "Bundesforum Männer" eigentlich gegen Männer?

In einem aktuellen Blogbeitrag vertieft der Gymnasiallehrer und Blogger Lucas Schoppe seine Analyse der befremdlichen Attacken von Martin Rosowski, dem Vorsitzenden des feministisch geprägten Bundesforums Männer, gegen männerpolitisch aktive Graswurzelorganisationen. Dabei arbeitet Schoppe heraus, dass Rosowskis Widerstand dagegen, das scheinbar Private auch als politisch wahrzunehmen, gerade nicht auf eine linke (progressive, emanzipatorische) Geisteshaltung schließen lässt:

Das (...) ist eben der Aspekt, der hier Rosowski stört: Dass Männer eigenen Erfahrungen nicht durch verstärkte Arbeit an verinnerlichten Geschlechterklischees begegnen, sondern nach der Bedeutung politischer Strukturen fragen. So sehr sich Rosowski selbst als emanzipatorischer, progressiver Akteur einschätzt – diese Haltung ist ein Bruch mit Traditionen, die gerade für die politische Linke unverzichtbar waren.

Die eigene Situation nicht einfach nur als eigenes Verschulden zu begreifen – sie auch nicht allein als individuelle Situation zu interpretieren, sondern als ein Problem, das viele in ähnlicher Lage betrifft – und zu dem Schluss zu kommen, dass persönliche Leiderfahrungen ohne politische Veränderungen nicht zu lindern sind: Das ist eine Grundüberzeugung, ohne die es eine linke Politik nie gegeben hätte, sei sie nun kommunistisch, sozialdemokratisch oder anarchistisch geprägt.


Die Konsequenz von Rosowskis Denken wäre, dass das Bundesforum Männer stolz darauf ist, gerade KEINE Männerpolitik zu betreiben und das herrschende System (von dem das Bundesforum bezahlt wird) NICHT in Frage zu stellen.

Auch sonst wird für Schoppe in Rosowskis Texten deutlich, dass sein Männerbild eher reaktionär geprägt ist. Männer sollen seiner Darstellung nach weiterhin unverwundbar erscheinen, statt ihre Leiden zu zeigen – ein Indianer kennt keinen Schmerz. Das ist Rosowski zufolge das Selbstverständnis des von ihm geleiteten Bundesforums:

"Es geht bei uns nicht darum, in Jammern über die leicht gesunkenen Abschlussnoten von Jungen insgesamt gegenüber Mädchen zu verfallen."

Hierzu merkt Lucas Schoppe an:

Nun sind bei Jungen nicht nur die Abschlussnoten leicht gefallen, sondern Jungen sind in den Haupt- und Förderschulen signifikant überrepräsentiert, im Gymnasium und im Abitur signifikant unterrepräsentiert. In der Schlüsselkompetenz des Lesens sind die Schwierigkeiten von Jungen im Vergleich größer, als es umgekehrt die häufig beklagten Schwierigkeiten von Mädchen in der Mathematik sind. Das sind reale Probleme, die für viele Betroffene reale Folgen haben – wer das Ansprechen dieser Probleme als "Jammern" bezeichnet, argumentiert sachfern und orientiert sich an Männlichkeitsklischees, nach denen Männer und Jungen nicht klagen sollten.


Vielleicht ist Rosowskis eigene reaktionäre Haltung einer der Gründe dafür, dass er Teilnehmern des Genderkongresses im November eine "rechte" Gesinnung unterstellt hatte – eine Mixtur aus unbewusster Projektion und gezielter Ablenkung von der eigenen Denke? Schoppe allerdings vermutet, dass Rosowski Entwicklungen wie der Genderkongress deshalb Angst einjagen, weil sie alte Fronstellungen aufzulösen beginnen und Unordnung in Rosowskis Welt hineintragen:

Seit einigen Jahren aber entwickelt sich eine weitgehend männlich initiierte, aber längst nicht mehr nur von Männern geführte, vielfältige Geschlechterdiskussion, die sich von feministischen Setzungen löst. Ein Beispiel dafür ist der Text Christoph Kucklicks, "Das unmoralische Geschlecht", der die These entfaltet, dass Männlichkeitsabwertungen keine Erfindung des heutigen Feminismus seien, sondern moderne Diskussionen seit Beginn der Aufklärung begleiteten. Ein anderes Beispiel ist Arne Hoffmanns "Plädoyer für eine linke Männerpolitik", in dem Hoffmann – angelehnt an den linken Männerrechtler Leszek – das Konzept des "integralen Antisexismus" vorstellt, das sich ausdrücklich gegen geschlechterbedingte Diskriminierungen aller richtet, nicht nur gegen Diskriminierungen eines Geschlechts.

Ein Beispiel ist auch die vielfältig gewordene Blog-Landschaft, ein anderes ist eine Organisation wie Gleichmaß e.V., aber eben auch der Gender-Kongress des letzten Jahres, gegen den Rosowski offenbar hinter den Kulissen und per Email entschlossen agitiert hat.

So wird denn eben auch klar, warum er in seinen heftigen Angriffen auf feminismuskritische Männer gleichwohl so seltsam diffus bleibt. Die Unterstellung, sie seien tendenziell rechtsradikal, ist natürlich nicht haltbar, er braucht sie aber. Die Pointe dabei: Mit den männlichen Spiegelungen des Feminismus, die sich tatsächlich politisch deutlich rechts – wenn auch nicht rechtsradikal – verorten, mit längst eingestellten Blogs wie den "Söhnen von Perseus" oder dem "Maskulist", oder auch mit dem wgvdl-Forum, kann Rosowski sehr gut leben. Schwierig wird für ihn erst eine Auflösung gewohnter Fronten, um die sich etwa der Gender-Kongress bemüht hat.

Die Unterteilung, dass es eine linke und eine rechte Männerbewegung gäbe, ist richtig, erklärt aber nur einen Teil der Unterschiede – zumal in meinen Augen Konservative zu einem demokratischen Spektrum sicher dazugehören. Der wesentliche Unterschied ist möglicherweise nicht der zwischen rechten und linken Männern – sondern der zwischen Männern, die feministischen Ressentiments verhaftet bleiben und sie bloß aus männlicher Perspektive zurückspiegeln, und Männern, die sich von diesen Ressentiments und Frontstellungen zu lösen beginnen.

Dass diese Ablösung ebenso wenig im Interesse vom Bundesforum Männer ist wie in dem von brachial-antifeministischen Männerrechtlern, zeigt sich beispielsweise daran, dass sie beide den Gender-Kongress als erhebliche Provokation wahrnehmen.


Vor diesem Hintergrund gelangt Schoppe zu dem Fazit:

Es fehlen also noch positive Perspektiven, die sich von den üblichen feministischen Vorschlägen – Verschärfungen von Gesetzen, Bereitstellung staatlicher Gelder, Schaffung von Positionen in öffentlichen Institutionen – unterscheiden. Aber dafür wäre auch ein politischer Rahmen wichtig, der nicht auf Abgrenzungsmanöver bis hin zu politischen Verleumdungen fixiert ist, sondern der die Impulse aufnimmt, die durch die sich verändernde Debattenlage möglich werden.

Wer sich hingegen aus Steuermitteln finanzieren lässt und dies nützt, um bürgerrechtliches und bürgerschaftliches Engagement zu bekämpfen – der wird vielleicht Schaden anrichten können, solange er noch im Amt ist, aber er wird nichts bewegen.

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