Mittwoch, Oktober 14, 2015

Gastbeitrag: So geht es einem als nicht feministischem Mann in den Genderstudien

Am 1. Oktober ließ ich mich bei dem Bericht über ein Experiment der Journalistin Lauren Southern zu diesem Statement hinreißen:

"Ich frage mich, was passieren würde, wenn nur eine Handvoll männerpolitisch gut informierter Studenten, die selbstbewusst auftreten, einen Kurs der Genderstudien belegen würde."


Dazu schrieb mir einer meiner Schweizer Leser mehrere Mails als Erfahrungsbericht, die ich mit seinem Einverständnis zusammengefasst und auf noch bessere Lesbarkeit hin redigiert habe. Meiner Einschätzung nach haben seine Texte bereits den Status eines "Gastbeitrags", den ich ja immer durch blaue Schrift hervorhebe. Schneidet ihn aus und steckt ihn allen Leuten zu, die so tun, als sei Kritik an den Genderstudien nur dadurch bedingt, dass die Kritiker nun mal unterbelichtete Reaktionäre wären:

Ich habe selbst als einer der ganz wenigen Männer - zumindest hier in der Schweiz ist es relativ selten - einige Jahre Gender Studies studiert und mehrmals - wenn auch erfolglos - gegen die Misandrie in diesem Umfeld protestiert.

Die Spätfolgen waren im eigentlichen Sinne aber auch seelisch existenzvernichtend und ich wähle den Begriff nicht aus rhetorischen Gründen. Ich wäre daher skeptisch, ob man dazu jemanden ermutigen sollte; nicht jeder hat Lauren Southerns Bekanntheitsgrad und kann sich notfalls medial wehren.

Auch stösst man innerhalb der Manosphere selbst oftmals auf Ignoranz in Bezug auf solch eher abstrakte/theoretische Problemlagen innerhalb der Geschlechterdebatte. Meine Erfahrungen als ehemaliges und langjähriges 'männer.ch'-Mitglied sind da eher frustrierend ...


[Markus Theunerts Männer.ch kritisiert Feminismus und Gender genauso ungern wie das deutsche "Bundesform Männer". – A.H.]

Ich hatte im Herbstsemester 2004 mein Studium an der Universität Basel aufgenommen (Geschichte/Soziologie/Gender Studies, ich begann noch unter dem alten System, dem Lizenziat).

Als Mann Gender Studies zu wählen war seinerzeit relativ selten und ich hatte meine ganz eigenen Gründe dafür. Ich hatte bereits in meiner Jugend einige unschöne Begegnungen mit Feministinnen (oder was sich dafür hielt) hinter mir und ich habe mir daraufhin ein feines Sensorium angeeignet insbesondere für die Sprechweise dieser Menschen, die damals schon ihren Platz in der Gesellschaft hatte, auch wenn dies in meinem Kollegenkreis keiner nachvollziehen zu können schien.

Um's kurz zu machen: Ich wollte wissen, woher der Hass auf Männer kam, und versprach mir von den Gender Studies – in der Annahme, es handle sich um eine seriöse Wissenschaft – Antworten darauf. Ich tat dies im Übrigen ohne grossen Groll, es war ehrliches Interesse; der Drang, einfach nur diesen Irsinn in den Köpfen diverser Ideologinnen verstehen zu wollen.

Zu Anfang fühlte ich mich nicht besonders unwohl, trotz dem – nennen wir es in Ermangelung eines besseren Wortes – Argwohn der Frauenmehrheit in den entsprechenden Kursen. Das Ganze änderte sich, als ich anfing, bei einschlägigen Themen um Details nachzufragen. Wenn z.B. in einer Übung eine Kommilitonin – nicht selten mit offener Bewunderung – einen Text von Andrea Dworkin oder Susan Brownmiller o.ä. zur Besprechung ausgewählt hatte und von der Vergewaltigung als patriarchalem Mittel der systematischen Frauenunterdrückung redete, lautete z.B. meine Frage, was die entsprechenden Autorinnen unter 'systematisch' verstanden. Ich habe nicht getrollt, es war eine ehrliche wenn auch im Nachhinein naive Frage nach dem Systembegriff, weil es in den Sozialwissenschaften mehrere davon gibt und ohne dessen Definition sich die These unabhängig von Zustimmung oder Ablehnung dazu nicht verstehen/erörtern liesse.

Die Antwort war meist eine unwirsch formulierte Ausflucht und entgeisterte Blicke von Kommilitoninnen und der Dozentin gleichermassen.

Das Klima wurde kälter. Klar sind es nicht immer die gleichen Leute in den Veranstaltungen, aber bei einem relativ kleinen Fachbereich überschneiden sich die Studienwege halt öfter. (Um fair zu sein, es gab auch jeweils einige Frauen, welche im freien Kreditpunktebereich Veranstaltungen besuchten, also nicht zu dem sich schnell gebildet habenden ideologischen Kern gehörten, deren Verdutztheit in solchen Situationen nicht zu Übersehen war).

Immer öfter beobachtete ich die beschriebene Situation, in der selbst grundsätzliche Fragen offen blieben und gar nicht erst das Interesse nach Klärung bestand. Es frustrierte mich so dermassen, dass in diesem Fach nicht das gelebt wurde, was ich in den anderen zwei als wissenschaftliche Grundregeln kennengelernt hatte.

Ich schien einfach nur der Störfaktor zu sein in einer quasi-religiösen Gemeinschaft, deren Veranstaltungen mit der Zeit eher wie esoterisch angehauchte Selbshilfegruppen auf mich wirkten.

Als ich dann auch noch – und ich möchte betonen, nicht in einer feindseligen Art und Weise – immer öfter den "Was-ist-mit-den-Männern?"-Aspekt in die Diskussion einbrachte, wurde mir klargemacht, dass diese Fragen nicht erwünscht seien. Mal über passiv-aggressive Zurechtweisungen im Untericht selber, mal über rhetorische Spitzen, wenn man sich zufällig über den Weg lief.

Schliesslich bekam ich eines Tages von der Uni eine Broschüre zum Thema sexuelle Belästigung zugeschickt. Ich hatte mir dabei erst nichts gedacht; die Uni verschickt regelmässig Infomaterial zu allen möglichen Themen. Aber nach dem Rumfragen bei vielen anderen Kommilitonen all meiner Studienfächer wurde mir klar: Niemand sonst hatte diese Broschüre zugeschickt gekriegt. (Ich hätte es mir denken können: Sie kam in einem normalen Umschlag, nicht dem offiziellen mit dem Logo der Uni.)

Die Message war klar: "Uns zu widersprechen ist sexuelle Belästigung, noch mal 'ne eigene Meinung und du wirst gekachelmannt!".

(Den Fall Kachelmann gab's da noch nicht, aber die Formulierung passt wirklich gut, finde ich.)

Das mag in Ihren Augen weinerlich klingen, aber wenn Sie dieses Klima jahrelang aushalten müssen – zusätzlich zu dem Hass auf's eigene Geschlecht, der Ihnen thematisch immer wieder eingetrichtert wird – dann gehen Sie daran als sensibler Mensch irgendwann kaputt. Ich habe schliesslich aufgegeben und mich fortan ruhig verhalten. Ich wollte nur mein Studium erfolgreich abschliessen und dieses hinterhältige, bösartige Gehabe nie wieder ertragen müssen. (Das Fach wechseln wollte ich nicht. Ich hatte schon zu lange zu viel darin investiert und ich dachte, ich könnte mich durchbeissen).

Aber es kam anders. Es ging mir immer schlechter, das Studium litt darunter und zog sich hin. Männeruntypisch hatte ich mir psychologische Hilfe geholt; es hatte nichts mehr genützt .... Ich konnte mich zwar im Mai 2011 gerade noch für die letzten Lizenziatsprüfungen qualifizieren, aber die Abschlussarbeit nicht zu Ende bringen. Ich hatte einfach keine Kraft mehr ... (und oft fehlt sie mir noch heute).

Soviel zum den seelischen Spätfolgen. Was die Existenzvernichtung angeht: Ich habe mich wieder fürs Studium angemeldet (nur Geschichte/Soziologie), um wenigstens irgendwie noch einen BA zu machen, obwohl meine Genesung trotz eines erfahrenen Therapeuten an meiner Seite noch lange nicht abgeschlossen ist. Nur: Als über 30-jähriger, mit DER Lücke im Lebenslauf!?!? Ich krieg selbst bei 'nem guten Abschluss nie 'nen anständigen Job, isso!

Sie sehen an dieser Stelle mein Problem: ich würde gerne öffentlich über diese Zustände sprechen, etwas verändern, doch was kann ich denn im Nachhinein noch beweisen? (Und glauben Sie mir: Das Beschriebene ist nur die Spitze des Eisbergs.)

Mein Mindset ist bis heute dasselbe geblieben, auch wenn mein Verhältnis zum Antifeminismus differenzierter geworden ist. (Das heisst: Ich verachte die IGAF und Konsorten nach wie vor, empfinde jedoch Antifeminismus generell als Prinzip der Kritik als opportun und erkenntnisbringend.)

Es ging ja ursprünglich um die Aktion von Lauren Southern und daraus folgend Ihren Vorschlag, "männerpolitisch gut informierter Studenten, die selbstbewusst auftreten", Gender- Studies-Kurse belegen zu lassen, woraufhin ich Skepsis anmeldete. Vielleicht würde das sogar klappen, aber nach allem, was ich selbst erlebt hab' ... Ich weiß nicht. Ich möchte nicht das anderen Ähnliches widerfährt, nur weil sie kritische – und letzten Endes komplett unschuldige – Fragen stellen.

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