"Befreiungsbewegung für Männer" im Buchhandel
Das Buch "Befreiungsbewegung für Männer", das ich hier bereits vorgestellt hatte, ist inzwischen im Buchhandel erschienen. BOL, Libri, Thalia usw. haben es ab sofort lieferbar, Amazon innerhalb von vier bis fünf Tagen.
Ich habe das Buch bereits gelesen und mir gefällt es, da ich aber selbst zwei Beiträge darin veröffentlicht habe, kann ich es schlecht seriös rezensieren. Deshalb habe ich mich stattdessen dafür entschieden, Passagen aus dem Vorwort eines seiner Herausgeber, Paul-Hermann Gruner, hier online zu stellen, damit man sich einen Eindruck von seiner Stoßrichtung machen kann.
»Lass dich als junge Frau nicht klein machen, denn in dir schlummert so viel, was du entfalten kannst. Sei fordernd.« Ein Satz, der uns irgendwie bekannt vorkommt. Eine fast schon klassisch anmutende Äußerung aus der Mädchenförderung, sagen wir: aus dem Jahre 1975? Falsch. Die zitierte Botschaft stammt aus dem Juli 2008 und aus dem Munde der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (2008).
Seit Jahrzehnten hören wir in unserer demokratisch verfassten, westlich-pluralistischen Industriegesellschaft solche Sätze. Packen wir den scheinbar schlichten Satz auf die ideologiekritische Goldwaage und gehen wir seine Teilbotschaften Stück für Stück durch.
Die Suggestion, dass junge Frauen in diesem Lande »klein gemacht« würden, ist objektiv falsch. In der Regel werden Mädchen und junge Frauen »groß« gemacht und geredet, sie werden unterstützt, gefördert, wertgeschätzt und anerkannt, per se sogar oft – konnotiert mit dem Wunderglauben, der sich ans Weibliche heftet – für die einzige Inkarnation von lebenswerter Zukunft gehalten. In den jungen Frauen »schlummert« tatsächlich viel, das steht absolut fest, allerdings in etwa genauso viel wie in den meisten Jungs und jungen Männern, denen dies jedoch niemand sagt; schon gar nicht in solch motivierender Ansprache und in der Zielrichtung, die eigenen oder die eingebildeten Grenzen ihrer Geschlechterrolle zu überwinden. Zu »entfalten« gibt es ebenfalls sehr viel, allerdings wiederholt sich hier das selektive Unterstützungsprinzip: Bei beiden Geschlechtern gäbe es viel zu entfalten, angesprochen dazu wird aber nur eins. »Sei fordernd!« schließlich muss man den Frauen innerhalb wie außerhalb der Frauenbewegung seit den späten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts nun wirklich nicht mehr sagen oder raten. Fordern tun sie ohne Unterbrechung. Sie fordern etwas von der Gesellschaft, der Politik, der Wirtschaft, den Medien, den Bildungsinstitutionen, vor allem aber von den Männern.
Wer so viele Jahrzehnte immer wieder neue, einseitige Forderungen aussendet, könnte entweder a) eine entspannte Zufriedenheit entwickeln ob des Erreichten und mit dem Fordern aufhören oder b) endlich Zeit finden, sich zu wundern, warum dies alles eigentlich ein Geschlechtermonolog ist. Warum Männer dazu schweigen, sich den Mund entweder selbst verboten haben oder ihn sich haben erstaunlich fest verschließen lassen. Und warum sie sich quasi alles abfordern, alles bieten lassen. Und schweigen.
Was bedeutet dieses Schweigen? Sind Männer in dieser Gesellschaft einfach einsichtig und daher gefasst? Sind sie still, weil schuldbewusst? Sind sie fantasielos und daher intellektuell weitgehend unfähig, der Debatte zu folgen? Sind sie überzeugt vom Gehörten und stimmen daher generell zu? Sind sie tief beschämt und bekommen kein Wort heraus? Sind sie überzeugt, dass die Frauen Recht haben? Sind sie froh, dass die Sache mit der Emanzipation überhaupt mal jemand in die Hand genommen hat? Gehen sie davon aus, dass bei dieser Gelegenheit auch für sie selbst etwas herausspringt? Denken sie also, dass die Frauenbewegung sie letztendlich, wie nebenbei, einfach mitbefreien wird, wenn sie nur die ganze bittere Zeit über schön stillhalten, über das eigene Geschlecht ebenfalls verächtlich witzeln und allen Behauptungen und Forderungen zustimmen?
Was immer stimmen mag: Die Summe der Motivationen und Hintergründe verschließt den männlichen Mund nur umso fester. Wenn sich ein männlicher Mund öffnet, dann um die gängigen Beschreibungen zur Lage der Frau, wie sie seit rund 40 Jahren im öffentlichen Bewusstsein etabliert wurden, zu bestätigen. Der Feminist ist der erlaubte Mann. Er etablierte sich endgültig in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Er sitzt heute meist bequem. Aus Solidarität und Hyperidentifikation hat er die eigene Ratio außer Betrieb gesetzt. Er vertritt die Frauenbewegung quasi von außen, als Mann. Und es sind viele Männer, die nach dem Munde reden. Nach dem Munde einer hegemonialen, die einfache Wahrnehmung und das umfassendere Bewusstsein lenkenden Weltanschauung, die als Bewegung der Frauen begann und sich heute im organisatorisch durchgegliederten feministischen Netzwerk des »Gender Mainstreaming« in Allgegenwart übt. Der Feminist ist aber keineswegs bösartig, er ist nur faul. Er hat eine plausibel erscheinende Interpretation von Wahrheit und Wirklichkeit übernommen. Akzeptiert. Verinnerlicht. Die frauenbewegte Frau ist selbstverständlich für den akuten Stand des Geschlechtermonologs im Feminismus, der Feminist als domestizierter Mann jedoch markiert seinen letztendlichen Totalerfolg. Die Frauenbewegung hat sich mit seinem massenhaften Auftreten zu Tode gesiegt.
An diesem äußerst interessanten und produktiven Punkt der sozio- und psychohistorischen Entwicklung der Moderne befinden wir uns heute. Wenn Männer einen Feministen hören – und diese prägen inzwischen fast ausnahmslos die Verwaltungen, die Stadträte, die Parlamentarier und Parteiaktivisten aller Färbungen –, wissen sie sich endgültig auf verlorenem Posten. Endgültig unverstanden. Mithin ist dies der Soll-Zeitpunkt für eine Männerbewegung, die die Frauenbewegung notwendig ergänzt und unbedingt korrigiert. Männer müssen heraus aus den Zwangsjacken ihres Rollendenkens und -handelns. Sie müssen ihren demütigen, permanent um Verzeihung bittenden Dackelblick vom Gesicht nehmen. Und da ihnen dabei Frauen nicht helfen – anders als der Feminist insgeheim hofft –, müssen sie sich ihres Dackelblicks und ihrer diversen Zwangsjacken schon selbst entledigen. Zunächst einmal aber muss man Letztere als solche erkennen. (…)
Nehmen wir Deutschland als Pars pro Toto, sehen wir in einige problematische Felder des Gesellschaftlichen hinein. Vorab: In keinem System auf diesem Planeten lebt die Unterdrückte, die Benachteiligte und Verfolgte sechs bis sieben Jahre länger als der Unterdrücker. Das Pseudo-Patriarchat offeriert also eine erkleckliche Anzahl an versteckten Gewinnen für Frauen.
Gar nicht versteckt waren und sind dagegen die für Männer gut spürbaren Schattenseiten dieser gesellschaftlichen Organisation. Sie sind im Grunde ganz einfach ablesbar. Wenn man will. Auch in diesem Land. Von der geringeren Lebenserwartung mal ganz abgesehen: Männer stellen die große Mehrheit der Obdachlosen. Männer üben auch in diesem Lande die gefährlichsten und unattraktivsten Berufe aus, die meisten davon ohne jede Aufstiegschance. Männer erleiden die allermeisten Berufsunfälle bis hin zur Invalidität. Männer treffen in Sachen medizinischer Versorgung auf deutlich weniger Forschung, Betreuung und Angebote; von AIDS sind Männer beispielsweise viermal häufiger betroffen als Frauen. Männer bilden eindeutig die größte Gruppe der Kriminalitätsopfer: Sie stellen den Löwenanteil der Opfer im außerhäuslichen Bereich, zu gut der Hälfte im Bereich der häuslichen Gewalt. Männer lassen sich immer noch zu Soldaten abrichten und als entmenschtes, weil fremdbestimmtes Werkzeug gebrauchen. Und: Männer begehen in jeder Altersgruppe, vom jüngsten bis zum ältesten Vertreter des Geschlechts, wesentlich häufiger Suizid. Simple Frage: Greift man zu diesem allerletzten Mittel, der gewaltsamen Beendigung des eigenen Lebens, wenn man die große Gewinnerkarte gezogen hat, wenn man zu denen gehört, die die Macht besitzen, die allseits profitieren und von der Wiege bis zur Bahre bevorteilt sind?
Die Macht des institutionalisierten Feminismus zeigt sich, unter anderem, an der Tatsache, dass diese und ähnliche Fragen seit Jahrzehnten nicht zum großen Gesellschaftsthema werden dürfen. (…)
Die Männerbewegung ist eine überfällige weltanschauliche Korrektur. Sie wird sich als Korrektiv der Frauenbewegung verstehen, sollte sich darüber hinaus aber unbedingt dem ganzheitlichen Fortschritt verschreiben. Die Tempi der Emanzipationen müssen synchronisiert werden. Der Emanzipationsfortschritt ist gleichzeitig lebbar und organisierbar für Männer wie Frauen. Das Niveau der Aktionen beider Geschlechter ist wie die Interaktion zwischen ihnen jedoch dringlich auf eine neue Verständigungsebene zu heben. An einer so offenen wie offensiven Interessenvertretung der Männer führt dabei kein vernünftiger Weg vorbei.
Schließlich wollen wir bald auch solche Sätze hören: Lass dich als jungen Mann nicht klein machen, denn es schlummert so viel in dir, was du entfalten kannst! Sei fordernd!
Labels: Bücher, Femokratie, Männerrechtsbewegung
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