Donnerstag, Juni 08, 2023

"Die Zeit" fordert: "Zäunt die Männer ein!"

1. Die Debatte um die Vorwürfe gegen den Rammstein-Sänger Lindemann und die Konsequenzen daraus geht weiter. So forderte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) eine schnelle und umfassende Aufklärung:

Die Grünen-Politikerin begrüße den Mut vieler junger Frauen, offen über ihre teilweise traumatischen Erlebnisse zu sprechen. "Patriarchales Mackertum und sexuelle Übergriffe haben in der Musikbranche, wie überhaupt in Kunst und Kultur und auch überall sonst, nichts mehr zu suchen", fügte sie hinzu. (…) "Es ist ein wichtiger Schritt, dass es bei den Rammstein-Konzerten in München keine Row Zero und keine Aftershow-Party mehr geben wird", sagte Roth.


"Die Zeit" (Bezahlschranke) macht aus den Vorwürfen gegen Lindemann unter der Schlagzeile "Zäunt doch die Männer ein" zum Teil des Geschlechterkampfs:

Wie naiv waren denn all die Männer bei den Konzerten, anzunehmen, dass den jungen Frauen aus der Row Zero schon nichts passiert? (…) Geschützte Frauenräume, seien es nun ausgewiesene Zonen auf Konzerten oder Frauenabteile in Nachtzügen, dürfen niemals mehr als eine Notlösung sein. (…) Wenn also für eine Personengruppe Bereiche im öffentlichen Raum abgesperrt werden, dann gerne für Männer, die andere herabwürdigen, belästigen und missbrauchen.


Wie konkret das aussehen soll, verschweigt der Artikel.

In beiden Fällen wird davon ausgegangen, dass die Vorwürfe zutreffend sind. Das bleibt allerdings weiterhin unklar:

Die Berliner Staatsanwaltschaft antwortet auf rbb-Anfrage, es seien bei ihr "derzeit keine Ermittlungsverfahren anhängig". Zudem weist Sprecher Sebastian Büchner darauf hin, dass die Behörde ohnehin erst dann Auskünfte erteilen darf, wenn "ein Mindestbestand an Belegtatsachen gegeben wäre". Das wäre auch weder bei der möglichen Erstattung einer Anzeige noch einer etwaigen Vorprüfung von Amts wegen der Fall, so lange man sich im Bereich der Verdachtsberichterstattung befinde.


Das politische Monatsmagazin CICERO (Bezahlschranke) befindet:

Die Parallelen zwischen dem Fall Lindemann und der Causa Reichelt liegen (…) einigermaßen offen zutage: Der Ex-Bild-Chef soll einst von einer seiner Kolleginnen "Sex on Demand" erwartet haben (inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Avancen umgekehrt von der Mitarbeiterin selbst ausgingen). Rammstein-Sänger Lindemann wiederum wird vorgeworfen, am Rande von Konzerten gegenüber weiblichen Fans sexuell übergriffig geworden zu sein. (…) Lindemann und die anderen Rammstein-Musiker bestreiten die Vorwürfe und bitten darum, auf öffentliche Vorverurteilungen zu verzichten. Was natürlich völlig vergeblich ist, denn die mediale und politische Vorverurteilungsmaschinerie ist längst angelaufen und entfaltet jene brachiale Gewalt, mit der die Band sich sonst unter Zuhilfenahme von Pyrotechnik auf der Bühne in Szene setzt.

Aus der eingangs erwähnten popfeuilletonistischen Perspektive geht es denn auch weniger darum, die gegen Lindemann gerichteten Aussagen weiblicher Groupies auf ihren möglichen Wahrheitsgehalt hin abzuklopfen oder das Ergebnis laufender polizeilicher Ermittlungen abzuwarten. Sondern darum, sein Mütchen an der gesamten Band zu kühlen, die den eigenen ästhetischen und weltanschaulichen Vorstellungen offenbar komplett widerentspricht. So urteilt etwa der Stern-Autor Stephan Maus: "Eine irische Rammstein-Verehrerin erhebt schwere Vorwürfe gegen Sänger Till Lindemann. Bewiesen ist noch nichts. Doch man braucht kein Gerichtsurteil, um die Band abscheulich zu finden. Das Werk reicht." Exakt nach denselben Mechanismen hat vor gut zwei Jahren die #MeToo-Kampagne gegen Reichelt funktioniert: Es genügte, dass da ein als unangenehm empfundener Journalist bei einem als unangenehm empfundenen Verlag (Springer) für eine verhasste Zeitung (Bild) vermeintlich skandalöse Regierungskritik betrieb (etwa an den Corona-Maßnahmen), um ihn medial hinzurichten. Ganz nach dem Motto: Egal was dran ist, es trifft schon den Richtigen.

Wenig verwunderlich sind es die Grünen, die als erste Partei politisches Kapital aus der Rammstein-Affäre schlagen wollen: Eine Band, die in ihren Shows und Texten derart provokativ an den Grundfesten des politischen comme il faut rüttelt, muss auch im echten Leben, gelinde gesagt, höchst fragwürdig sein – zumal sie mit ihrem Programm auch noch maximal massentauglich ist, und zwar weltweit. Natürlich hüten sich die Grünen vor expliziten Präjudizien, aber der mit Blick auf bevorstehende Rammstein-Konzerte formulierte Forderungskatalog lässt wenig Zweifel daran, dass sie die aktuelle Gelegenheit auf keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen wollen. Darin finden sich ein Verbot des Row-Zero-Bereichs unmittelbar vor der Bühne (wo die von Rammstein handverlesenen Groupies die Konzerte aus nächster Nähe mitverfolgen konnten) ebenso wie die Bereitstellung von "Awareness Teams" und die Einrichtung von "Safe Spaces" für Fans. Anne Hübner, SPD-Fraktionschefin im Münchener Stadtrat, bezeichnete diese Initiative zwar schlichtweg als "Aktionismus und Augenwischerei" – was die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus allerdings nicht davon abhielt, sich die Forderungen ihrer bayerischen Parteifreunde zu eigen zu machen. Merke: Vorverurteilungen können auch durchaus subtil daherkommen.

Gut möglich, dass sich die Vorwürfe gegen Lindemann und das "System Rammstein" bestätigen. Aber die entsprechende Aufklärung ist Aufgabe der Ermittlungsbehörden und der Justiz. So ist das in einem Rechtsstaat. Dass die Medien eventuelle Missstände recherchieren, ist deren vornehmste Aufgabe. Doch solange die Aussagen möglicher Opfer ohne handfeste Beweise im Raum stehen (und auf Widerspruch der Betroffenen stoßen), gilt die Unschuldsvermutung – und zwar sogar für Böse-Buben-Bands wie Rammstein. Politiker, die dieses Prinzip verwässern, nur weil es ihnen gerade in den Kram passt, erweisen sich als ihres Amtes unwürdig. Das muss man so klar aussprechen, damit der in Deutschland vorherrschenden Gesinnungsindustrie nicht immer weiter Vorschub geleistet wird. Es ist schon genug ins Rutschen geraten.




2. Über eine Kontroverse an der Ludwig-Maximilians-Universität München berichtet die Legal Tribune (LTO):

Anlass ist die Ausschreibung eines Seminars mit dem Titel "Liebschaften am Arbeitsplatz". In diesem soll es um Rechtsprobleme gehen, die mit zwischenmenschlichen Beziehungen in Unternehmen einhergehen. Hierzu verfasste der das Seminar ausschreibende Prof. Dr. Volker Rieble, Inhaber des Lehrstuhls für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht und Siftungsvorstand am Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) in München, einige Fragestellungen, über die im Seminar debattiert werden sollte.

Insbesondere für die Formulierungen "Darf frau sich 'hochschlafen', also eine Einstellung oder Beförderung mit Sex erkaufen?" und "Was ist 'Machtmißbrauch' rechtlich (Fall Reichelt, jedenfalls in der Skandalisierungs-Wahrnehmung)?" erntete Rieble innerhalb kürzester Zeit Kritik.

Die Jurafachschaft der LMU schilderte auf LTO-Nachfrage, dass die so formulierte Ausschreibung schon einen Tag nach Veröffentlichung das Thema Nummer Eins an der juristischen Fakultät gewesen sei. Die Formulierungen, die Rieble wählte, würden von vielen als frauenfeindlich und herablassend wahrgenommen.

Nun positionierte sich das Professorium, dem auch die Dekanin, der Studiendekan und die Frauenbeauftragte der Universität angehören, klar gegen die so formulierte Seminarankündigung. Die Formulierungen seien diskriminierend, unangemessen und abstoßend.


Hier erfährt man, wie sich Professor Rieble gegen die Vorwürfe zur Wehr setzt und aus welchem anderen Grund er geschlechterpolitisch missliebig geworden war.



3. In den Parlamentnachrichten des Deutschen Bundestags heißt es:

Die mögliche Benachteiligung von Jungen im deutschen Bildungssystem thematisiert die AfD-Fraktion in einer Kleinen Anfrage (20/7105). Die Bundesregierung soll unter anderem Auskunft darüber geben, welche Auffassung sie zu den anhaltenden und deutschlandweit auftretenden schulischen Leistungsdefiziten, die Jungen gegenüber Mädchen aufweisen würden, vertritt.

Auch möchten die Abgeordneten wissen, welche Förderprojekte des Bundes in den Jahren 2021 bis 2023 explizit für Mädchen beziehungsweise Jungen bereitgestellt wurden. In der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage verweisen die Abgeordneten beispielsweise auf den IQB-Bildungstrend und die PISA-Studie, nach denen der Förderbedarf von Schülern fast doppelt so hoch sei wie der von Schülerinnen. Die Fraktion verweist außerdem auf eine Studie der Bertelsmann Stiftung, nach der 62 Prozent der Jugendlichen, welche die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen, männlich seien.


Die etablierten Parteien kümmern sich einmal mehr so lange nicht um ein wichtiges Thema, bis es die AfD aufgreift.



4. "Die Welt" meldet, dass rund 700 Sprachforscher die Mitglieder sämtlicher Fernsehräte von ARD und ZDF in einem Brief dazu auffordern, sich gegen das Gendern stark zu machen. Zu dem ersten Aufruf, Ende Juli 2022 von 70 Sprachwissenschaftlern unterschrieben, hätten sich die Sender bis heute nicht substanziell geäußert. Trotz "beharrlicher Zuschauerpost" genderten die Öffentlich-Rechtlichen "unverdrossen und beharrlich weiter". Dies dokumentiere "eine tiefe Entfremdung zwischen Medienmachern und ihrem Publikum".



5.
Es ist ein Fall, der immer mehr Kopfschütteln verursacht: Am 4. April wurde Lena in einem Kinderheim getötet. Dort sollte sie aber eigentlich gar nicht sein, sondern auf einem Kreuzfahrtschiff mit ihrem Vater. Alles war genehmigt und gebucht. Dann machte das Jugendamt einen Rückzieher. Warum, weiß Lenas Vater nicht. Aber das ist nur eine von vielen ungeklärten Fragen.


Hier geht es weiter.



6. Einer aktuellen Studie zufolge ist der Druck auf Männer gestiegen, ein hohes Einkommen zu erzielen, um eine Partnerin zu finden.



kostenloser Counter