Donnerstag, August 18, 2022

Strafrechtlerin: "Frauen müssen wissen, dass sie durch eine falsche Aussage das Leben eines Menschen zerstören können" – News vom 18. August 2022

1. Für Spiegel-Online hat Nina Ponath die Strafrechtlerin Arabella Pooth interviewt, die als Fachanwältin für Strafrecht, vor allem bei Tötungs- und Sexualdelikten, tätig ist. Ein Auszug aus dem ausführlichen Gespräch:

SPIEGEL: Wann haben Sie das letzte Mal einen Mandanten in einem Vergewaltigungsvorwurf verteidigt und wie ging dieser aus?

Pooth: Ich bin Strafverteidigerin und habe deshalb laufend mit solchen Fällen zu tun – auch aktuell. Ich muss da natürlich an der Oberfläche bleiben wegen meiner Verschwiegenheitspflicht. Grundsätzlich kann man aber sagen: Eine Falschbeschuldigung vernichtet fast immer die Existenz. Verlust von Job, Ehefrau oder Freunden ist fast immer die Folge. Selbst, wenn sich am Ende herausstellt, dass die Vorwürfe falsch waren, bleibt oft ein Reputationsschaden zurück, den man gar nicht oder nur sehr schwer wieder reparieren kann. Ich hatte zum Beispiel einmal den Fall, dass einem Mandanten von mir noch während des laufenden Verfahrens das Sorgerecht für seine eigene Tochter entzogen wurde. Seine Ex-Frau Frau hatte die Beschuldigung als Gelegenheit genutzt, obwohl das Verfahren noch nicht abgeschlossen war. Der Mann wurde freigesprochen.

(…) SPIEGEL: Ist ein Mann grundsätzlich in der Defensive, wenn er falsch beschuldigt wird? Oder hat er Optionen, den Vorwurf sofort zu entkräften?

Pooth: Ein Beschuldigter ist natürlich immer in der Defensive. Erst recht ein zu Unrecht Beschuldigter. Im Bereich der Sexualdelikte schlägt einem da viel Hass entgegen, wenn der Fall bekannt wird. Manchmal ist es sinnvoll, in die Offensive zu wechseln, um das Verfahren möglichst frühzeitig in eine andere Richtung zu lenken. Polizei und Justiz sind heutzutage sehr ergebnisoffen. Das ändert natürlich nichts am Reputationsverlust der Beschuldigten.

(…) SPIEGEL: Kann es auch sein, dass zwei Personen eine unterschiedliche Geschichte zum Thema Vergewaltigung / Nicht-Vergewaltigung schildern und dennoch ihre subjektive Wahrheit erzählen?

Pooth: Das ist besonders in Situationen der Fall, in denen eine Partei keine Lust zum Sex hat. Der Unterschied zwischen subjektiver Unlust und einem externen Bitten oder Drängen würde dann gedanklich so verschwimmen, dass die Betroffenen selbst nicht mehr beantworten können, wie freiwillig der Sex nun war. Bei solch auseinanderklaffenden Erwartungen kann es passieren, dass Frauen weiter gehen, als sie eigentlich wollen. Vielleicht wollte die Frau wirklich nur Netflix schauen, er aber mehr. Viele denken so etwas wie "Wenn ich jetzt nicht mit ihm schlafe, will er mich womöglich nicht wiedersehen." Anschließend fühlen sie sich dann subjektiv missbraucht. Besonders, wenn er sich nicht mehr meldet und kein Wiedersehen stattfindet. Solche Beschuldigungen klären sich meist vor Gericht. Da hört man manchmal so etwas wie "Wenn Sie mich jetzt so fragen…", und dann sind die Vorwürfe schnell entkräftet.

(…) SPIEGEL: Wenn es nicht einvernehmlich passiert, ist es doch sehr eindeutig eine Vergewaltigung.

Pooth: Ja, aber so eindeutig ist es in den seltensten Fällen. Viel häufiger ist es so: Zwei Menschen verabreden sich zu einem Netflix-Abend. Die Frau hat sich auf einen Filmabend eingestellt, der Mann versteht "Netflix & Chill" aber so, wie es in der Jugendsprache genutzt wird: als Sex-Date. Wenn dann die Frau mitmacht, weil sie ihn toll findet und ihn nicht vergraulen will, wird es schwierig. Mal angenommen, sie benutzen dann auch noch kein Kondom und er meldet sich danach nie wieder, fühlt sich die Frau schlecht und benutzt; sie erzählt es am nächsten Tag vielleicht auch noch einer Freundin, die dann sagt: "Du wolltest das doch gar nicht. Du bist vergewaltigt worden."

SPIEGEL: Wie ist dann die Rechtslage?

Pooth: Es kann passieren, dass die Frau das wirklich so empfindet und mit der Überzeugung "Ich wollte es nicht, ich habe mich drängen lassen" zur Polizei geht. Vielleicht hat sie auch Angst vor ungeschütztem Geschlechtsverkehr und fühlt sich deshalb schlecht. Dabei vergisst sie einen entscheidenden Punkt: Eine Vergewaltigung liegt dann vor, wenn vor dem Sex "Ich will das nicht" gesagt oder signalisiert wurde. Wenn das ausbleibt – eben weil die Frau gefallen wollte und mitgemacht hat –, sprechen wir nicht von einer Vergewaltigung. Dann mag der Mann moralisch fragwürdig sein, ein Straftäter ist er nicht.

SPIEGEL: Wie ist Ihre Erfahrung mit dem Thema Falschaussagen? Kann man darüber öffentlich sprechen?

Pooth: Über Sexualdelikte öffentlich zu sprechen ist generell schwierig. Es ist ein sensibles Thema. Immer wieder wird die Forderung laut, dass einer Frau, die behauptet, vergewaltigt worden zu sein, pauschal geglaubt werden sollte. Das ist juristisch gesehen natürlich völliger Quatsch und stünde in keiner Weise im Einklang mit unserem Rechtssystem. Daran wird aber deutlich, dass gerade das Thema Falschbeschuldigung im Bereich der Sexualdelikte in der Öffentlichkeit schwer zu diskutieren ist. Es ist aber wichtig, das zu tun. Frauen müssen wissen, dass sie eine falsche Beschuldigung nicht einfach aussprechen dürfen und sich dadurch auch strafbar machen können. Ihnen muss klar sein, dass sie durch eine falsche Aussage das Leben eines Menschen zerstören können.

SPIEGEL: Wie kann ein Mann sich davor schützen, falsch beschuldigt zu werden?

Pooth: Einen effektiven Schutz vor Falschbeschuldigung gibt es nicht. Wenn nach dem Sex allerdings Nachrichten ausgetauscht werden, in denen man sich gegenseitig schreibt, wie schön die letzte Nacht war, wird es für die Frau schwierig, im Nachhinein etwas anderes zu behaupten. Die Vorlage solcher Nachrichten hat vor Gericht schon den einen oder anderen Mann vor einem falschen Urteil gerettet.




2. Eine Hamburger Grünen-Politikerin stoppt die Gendersprache in ihrer eigenen Behörde. Der Plan, die Kundenzentren der Bezirke künftig "Bürger:innen-Service" zu nennen, wird nicht umgesetzt.



3. Der rbb berichtet:

Die sogenannte Gender-Sprech- und Schreibweise ist nicht Teil des Lehrplans an Berliner Schulen. Das betont die Bildungsverwaltung des Senats in einer Antwort auf eine Anfrage von CDU-Abgeordneten.

Die Schulen des Landes müssten sich an die Lehrpläne halten, "damit wird unter anderem der normgerechte Spracherwerb und -gebrauch sichergestellt", heißt es in der Antwort, die dem rbb vorliegt. Abweichende Normen, die die Verwendung von Binnen-Stern, Binnen-I oder anderen sprachlichen Genderformen regelten, existierten nicht.

(…) Der Senatsverwaltung für Bildung seien in ihrer Funktion als Schulaufsicht lediglich "nicht repräsentative Einzelfälle" für die schriftliche Anwendung der Gender-Sprache im Unterricht bekannt, heißt es in dem Schreiben weiter. Konkret gehe es dabei um zwei Briefe von Eltern, in denen die Gender-Sprechweise von Lehrern oder Lehrerinnen an der Schule des Kindes kritisiert wird. Außerdem gebe es die Eingabe eines Schülers, der die Verwendung des Gender-Sternchens an seiner Schule bemängele.

Lehrkräften stehe es grundsätzlich frei, Gender-Sprache mündlich mit der Schülerschaft, der Elternschaft und im Kollegium anzuwenden – hier gebe es keine Vorgaben. Man gehe aber davon aus, dass Lehrer die schriftliche Unterrichtssprache mit den "allgemeinverbindlichen Vorgaben der deutschen Rechtschreibung" verwenden. Wenn Schüler die amtliche Rechtschreibung verwendeten, dürfe das nicht negativ bewertet werden.


Mittlerweile muss also eigens deutlich gemacht werden, dass es keine schlechtere Note für das Verwenden der korrekten Rechtschreibung geben darf …



4. Normalerweise berichte ich hier nicht auf einzelne verbrecherische Frauen, aber in diesem Fall finde ich das Motiv bemerkenswert:

Mit einem Geständnis hat in Essen am Mittwoch der Prozess um den gewaltsamen Tod eines Kindes begonnen. Angeklagt ist eine Mutter aus Bottrop. Die 46-Jährige gab über ihren Verteidiger zu, ihre sechsjährige Tochter in der Nacht zum 28. Januar 2022 getötet zu haben. Zum Prozessauftakt wollte sie keine Einzelheiten nennen. Die deutsche Angeklagte soll zunächst versucht haben, das Mädchen in der Badewanne zu ertränken. Anschließend soll sie dem Kind laut Anklage mit einem Küchenmesser tief in den Hals geschnitten haben.

Hintergrund der Tat ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Sorgerechtsstreit. Der getrennt von der Angeklagten lebende Vater des Kindes soll am Vortag der Tat ein erweitertes Umgangsrecht zugesprochen bekommen haben. "Die Angeschuldigte war getrieben vom tiefen Gefühl der Niederlage", heißt es in der Anklage. Sie habe in der Vorstellung gehandelt, niemand außer sie selbst habe ein Recht auf ihre Tochter. Die Anklage lautet auf Mord.




5. Durch Corona ist die Lebenserwartung von Männern in Bayern deutlich gesunken.



6. Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek berichtet:

Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene sagte, dass ein gesellschaftlicher Backlash gegen weiße Männer zu Einsamkeit, einem Anstieg der Pornozuschauer und mehr Zeit für Videospiele führe.

(…) "In Hollywood, in Büchern, in der Musik, in unserer gesamten Kultur hören wir, dass weiße Männer schlecht sind, dass sie in den Hintergrund gedrängt werden müssen, dass man ihnen nicht zuhören sollte", sagte Greene (…). "Aber was das mit eurer Generation gemacht hat... es hat bei vielen dieser Jungs Hoffnungslosigkeit erzeugt. Sie sind verloren, sie wachsen in einem zerrütteten Elternhaus auf oder vielleicht in einem schlechten Elternhaus. Keiner ist für sie da." Diese Zeit allein "verleitet sie zu allen möglichen schlechten Dingen", sagte Greene und nannte Internetpornografie, Chatrooms und "viel Zeit" mit Videospielen als Beispiele.


Nun zählt Marjorie Taylor Greene zu jenem Teil der Republikaner, den viele als besonders problematisch betrachten. (Die Wikipedia schreibt umstandslos "Sie vertritt rechtsextreme Ansichten und Verschwörungstheorien" – und während Wikipedia sich vom Neutral Point of View längst verabschiedet hat, nennt der entsprechende Eintrag eine ganze Latte von Beispielen.) Im hier zitierten Interview vertritt Greene die Position eines "christlichen Nationalismus". Dementsprechend bezeichnen linke Medien wie die Huffington Post, Greenes Ansichten über die Situation junger Männer als eine "bizarre Theorie – sogar für sie", wobei eine nähere Begründung nicht notwendig erscheint.

Allerdings stammt diese These ursprünglich nicht von Greene, sondern wird von dem weltweit renommierten Psychologen Philip Zimbardo in seinem Buch "Man Interrupted. Why Young Men Are Struggling & What We Can Do about It" vertreten und ausführlich begründet. Greene hat sie lediglich insofern gekapert, als sie diese Analyse dezidiert auf "weiße" Männer anlegt (das tut Zimbardo vernünftigerweise nicht) und noch einmal zuspitzt.

Wir haben hier also wieder das alte Problem, das mich als Linken besonders ärgert: Unser eigenes Lager zeigt seit geraumer Zeit keinerlei Interesse daran, die Probleme von Jungen und Männern aufzugreifen. (Zimbardos Buch ist mittlerweile sechs Jahre alt.) Natürlich sehen Rechte irgendwann, dass hier ein großes unbeackertes Feld liegt – beziehungsweise ein großer Fluss, dessen Wasser man auf seine eigenen Mühlen lenken und für krude Thesen wie eine "Verfolgung der Weißen in unserer Gesellschaft" instrumentalisieren kann. Die Chancen dieses Lagers, sich politisch durchzusetzen, wachsen ebenso wie die Polarisierung in unserer Gesellschaft. Dem unbenommen ist die Linke bis heute nicht daran interessiert, das Naheliegende zu tun und selbst die Probleme und sozialen Anliegen eines großen Teils ihrer Wählerschaft (also vieler Männer) zum Thema zu machen.

Das wird onehin immer schwieriger, je länger kurzsichtige linke Journalisten auf Männerrechtler jedes politischen Lagers einprügeln. Wie will man seiner Leserschaft plötzlich vermitteln, dass diese angeblich so üblen Maskulisten in vielem Recht haben, ohne den Anschein zu erwecken, man selbst sei ins Lager "rechter Verschwörungstheoretiker" gerückt? Auch wenn die Probleme von Jungen und Männern immer offenkundiger werden, hat man sich selbst mittlerweile in eine Sackgasse gequatscht, aus der man nicht mehr so leicht heraus findet.



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