Montag, Dezember 21, 2020

Annalena Baerbock (Grüne): "Ich traue mir das Kanzleramt zu" – News vom 21. Dezember 2020

1. Durch diverse Medien ging gestern die Meldung, dass sich die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock gut vorstellen kann, Bundeskanzlerin zu werden. Grundlage hierfür ist dieses Interview mit der "Bild am Sonntag", in dem Baerbock keinen Hehl daraus macht, für welches Geschlecht sie sich als Kanzlerin einsetzen würde. Allerdings bereiten die Fragen der "Bild"-Redakteure ihren Sexismus vor.

Bild-Zeitung: Wenn der Ehemann oder Vater prügelt, ist Weihnachten für Frau und Kinder die gefährlichste Zeit. Was heißt das im Weihnachtslockdown?

Baerbock: In einigen Familien sicher nicht Gutes. Schon im ersten Lockdown sind die Fälle von häuslicher Gewalt explodiert. Gut, dass die Kinder- und Jugendhilfe dies Mal offen bleibt und mehr Not-Hotlines geschaltet wurden. Aber wir alle sind gefragt: Wenn aus der Nachbarwohnung Angstgeschrei kommt, den Mut aufbringen, klingeln oder Polizei rufen."

Bild-Zeitung: Die Frauenhäuser haben oft keine Plätze mehr.

Baerbock: Städte und Kommunen sollten Hostels und Jugendherbergen anmieten, damit keine schutzsuchende Frau mehr abgewiesen wird. Frauen und Kinder haben ein Recht auf Schutz, das darf nicht an knappen staatlichen Kassen scheitern. SPD und Union müssen diesen Rechtsanspruch endlich im Sozialgesetzbuch einführen, damit auch arme Kommunen genug Plätze in Frauenhäusern bereitstellen können. Passiert das nicht, hat das für uns in einer Regierung nach der Bundestagswahl Priorität.


Schön, dass Baerbock derart deutlich macht, wer in Deutschland ein "Recht auf Schutz" hat und wer nicht. Hierzulande genügt das, um zur Kanzlerin gewählt zu werden.



2. Die Frankfurter Allgemeine hat die FDP-Politikerin Linda Teuteberg interviewt. Auch hier ein Auszug aus dem Gespräch, das leider nur im Anriss online steht:

Frankfurter Allgemeine: Darf der Staat Firmen eine Frauenquote vorschreiben, damit die Vorstände weiblicher werden?

Linda Teuteberg: Jede Institution, ob Partei oder Unternehmen, tut gut daran, das Potential der Frauen zu nutzen. Eine vorgegebene Quote ist dafür allerdings nicht das richtige Instrument. Zugleich ist mehr Vielfalt kein Zufall, sondern eine Führungsaufgabe. In unserer Partei haben wir dazu Zielvereinbarungen für die unterschiedlichen Ebenen, schreiben aber nicht das Ergebnis von Wahlen vor. Im Übrigen schlage ich dringend vor, das Wort "Frauenförderung" zu tilgen, da es suggeriert, dass sich Frauen im Wettbewerb nicht durchsetzen könnten. Im Gegenteil brauchen wir für mehr Vielfalt auch mehr Wettbewerb. Normalität im besten Sinne hieße: Geschlecht ist weder Makel noch Verdienst. Tatsächlich wird unbewusst oft das Männliche zum Maß gemacht. Diese Voreingenommenheit zu überwinden ist anstrengend, aber jede Mühe wert. Schließlich ist Emanzipation ein liberales Projekt.

Frankfurter Allgemeine: Sie selbst wurden dieses Jahr Opfer von alten weißen Männern, die Ihnen das Amt der FDP-Generalsekretärin genommen haben.

Linda Teuteberg: Damit beschäftige ich mich nicht, sondern schaue nach vorn (…).




3. Bei den "Ruhrbarone" erklärt der WDR-Moderator Michael Westerhoff, warum die Medien kein Gendersternchen verwenden sollten. Der Artikel ist absolut lesenswert und geht über die altbekannte Kritik an der feministischen Sprache deutlich hinaus. Deutlich sind auch die Leserkommentare.



4. Das Blog Uepsilonniks hat einen Text von Lucas Schoppe aus einer Kommentarspalte aufgegriffen, damit er dort nicht untergeht:

Mir ging es grundsätzlich darum zu zeigen, dass der Begriff "Antifeminismus" völlig inhaltsleer ist. Gerade deshalb lässt er sich ja auch gut völlig beliebig verwenden. Er ist wiederum deshalb inhaltsleer, weil auch der Begriff "Feminismus" keine klare Bedeutung hat.

Steht er dafür, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sein sollen? Dann sind die letzten verbliebenen Antifeministen, neben ein paar marginalen Winzgruppen, die Mütterlobbys und die unterstützenden Parteien, Grüne, Linke, SPD. Das wollte Ulle Schauws jedoch offenbar nicht sagen. Was aber dann?

Steht er für die Meinung, dass sich gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse grundsätzlich als Herrschaft von Männern über Frauen beschreiben lassen? Dann ist sein Kern eine sachliche Einschätzung, die man richtig oder eben auch mit guten Gründen falsch finden kann, ohne dadurch "anti" zu werden. Wer es für widerlegt hält, dass die Erde eine Scheibe ist, wird deswegen ja auch nicht als "Antischeibler" bezeichnet.

Tatsächlich geht es, wie breakpoint ja auch schon andeutet, einfach darum, Kritik beliebig abwehren zu können. Feminismus ersetzt so in einem bestimmten Milieu tatsächlich die Religion, und "Wie hältst Du’s mit dem Feminismus?" wird dort zu einer neuen Gretchenfrage, auf die niemand einer Gegenfrage ("Mit welchem denn?") rechnet.

Deshalb hatte ich nachgesehen, wie der Begriff „Antifeminismus“ denn historisch verwendet wird, um vielleicht dort etwas mehr Klarheit zu finden. Hedwig Dohm war eine zentrale Figur der bürgerlichen Frauenbewegung, und Fabrikantentochter. Sie hat mit ihrer "Antifeministen"-Beschreibung Männer eines ganz bestimmten, winzigen, großbürgerlichen Milieus im Kopf. Der Begriff "Arbeiter" kommt in ihrer Schrift überhaupt nicht vor. ("Arbeiterin" nur ein paar Mal.)

Bezeichnend ist, dass dieser radikal verengte Blick heute – in einer Gesellschaft, die nicht mehr durch die starren Strukturen des Kaiserreichs geprägt ist – sich nicht etwas erweitert hat, sondern dass er zum EINZIGEN als legitim präsentierten Blick der Geschlechterpolitik geworden ist. Zu Dohms Zeiten hingegen gab es wenigstens noch eine proletarische Frauenbewegung, von der heute nichts mehr übrig ist.

Das heißt: Eine Gruppe wie das Forum Soziale Inklusion kann mit dieser Bezeichnung gar nicht gefasst werden – die Männer (und auch Frauen), die dort aktiv sind und vertreten werden, kommen faktisch im etablierten Diskurs der Geschlechterpolitik überhaupt nicht vor. Die Diskreditierung durch die Bezeichnung "Antifeministen" funktioniert nur, weil sich alle längst daran gewöhnt haben, dass diese Bezeichnung eigentlich völlig inhaltsleer ist. Sie bedeutet faktisch nichts anderes als: Die gehören nicht zu uns.

Zugleich ist es ein Signal an Dritte: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!

Der Blick des heutigen Feminismus auf Männer reproduziert so mit erstaunlicher Genauigkeit den Blick von Töchtern aus gutem Hause, die auf der Suche nach geeigneten Heiratskandidaten sind. Wahrgenommen werden Männer mit einem besonders hohen sozialen Status, so dass völlig selbstverständlich Quoten in Vorständen, aber nicht etwa in den Schulen oder gar in gesundheitsgefährdenden Berufen gefordert werden. Der weitaus größte Teil der Männer kommt dort überhaupt nicht vor – was auch erklärt, dass an den meisten Männern rituelle feministische Aufregungen spurlos vorbeisausen, wenn sie nicht gerade als Trennungsväter oder Gewaltopfer direkt mit ihren Konsequenzen konfrontiert sind.




5. Indische Männerrechtler haben durchgesetzt, dass eine Reklame, die häusliche Gewalt gegen Männer propagiert, zurückgezogen wird.



6. Einer Studie zufolge, die im British Journal of Psychology veröffentlicht wurde, reagieren beide Geschlechter weniger positiv auf Forschungsergebnisse, die eine Überlegenheit von Männern gegenüber Frauen zeigen:

"Ich habe viel über die Evolution der menschlichen Geschlechtsunterschiede geschrieben und geforscht, daher bin ich mir der vielen Kontroversen bewusst, die durch Behauptungen über Geschlechtsunterschiede im Laufe der Jahre ausgelöst wurden", sagte Studienautor Steve Stewart-Williams (@SteveStuWill), ein außerordentlicher Professor an der University of Nottingham Malaysia.

"Eine Sache, die mir aufgefallen ist - und ich bin mir sicher, dass es vielen Leuten so geht - ist, dass sich die Kontroversen fast immer um Behauptungen drehen, die Männer in ein besseres Licht rücken als Frauen, und nicht umgekehrt. Das ist vielleicht nicht allzu überraschend, wenn man unsere lange Geschichte des Sexismus gegen Frauen bedenkt und wenn man die Forschung in der Sozialpsychologie bedenkt, die nahelegt, dass Menschen oft positivere Klischeevorstellungen von Frauen hegen, sich mehr Sorgen über Schäden für Frauen machen und Frauen mehr beschützen als Männer."

"Aber obwohl es mir ziemlich offensichtlich erschien, dass die Menschen sich mit männer- statt frauenbegünstigenden Geschlechtsunterschieden weniger wohl fühlen, wurde mir klar, dass viele Leute denken, dass es umgekehrt ist: dass die Menschen eher männerbegünstigende Unterschiede akzeptieren - oder dass jeder Unterschiede bevorzugt, die das eigene Geschlecht begünstigen. Für mich sah es also so aus, als ob die Welt auf eine Art und Weise funktioniert, aber viele Leute darauf beharren, dass sie anders ist. Das war es, was mein Interesse an dem Thema geweckt hat."

In der Studie wurden 492 Teilnehmer - die meisten von ihnen wohnten in den USA, Großbritannien oder Kanada - gebeten, einen (gefälschten) populärwissenschaftlichen Artikel sorgfältig zu lesen, der über einen Geschlechtsunterschied entweder in der Zeichenfähigkeit oder in der Lügenhäufigkeit berichtete. Eine Version jedes Artikels behauptete, dass Männer besser als Frauen abschneiden, während eine andere Version behauptete, dass Frauen besser als Männer abschneiden.

Nach der Lektüre der Artikel füllten die Teilnehmer einen Fragebogen aus, um ihre Einstellung zu den Ergebnissen zu ermitteln. Sie gaben auch an, wie sie dachten, dass der durchschnittliche Mann und die durchschnittliche Frau auf die wissenschaftlichen Untersuchungen reagieren würden.

Stewart-Williams und seine Kollegen fanden heraus, dass beide Geschlechter weniger positiv reagierten, wenn der Artikel über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen berichtete, als wenn er über die Unterschiede zwischen Frauen und Männern berichtete.

"Die Studie hat zwei Hauptaussagen. Die erste ist, dass, wie wir vermutet haben, Menschen weniger positiv auf Geschlechtsunterschiede reagieren, die Männer bevorzugen, als auf solche, die Frauen bevorzugen. Zum Beispiel betrachten Menschen hypothetische Untersuchungen, die behaupten, dass Männer besser zeichnen oder weniger lügen als Frauen, als beleidigender, schädlicher und ärgerlicher als hypothetische Untersuchungen, die die gleichen, aber gegenteiligen Behauptungen aufstellen. Außerdem halten sie die Behauptungen, die Männer bevorzugen, für weniger wichtig und weniger plausibel", so Stewart-Williams gegenüber PsyPost.

"Die zweite Erkenntnis ist, dass die Menschen sehr schlecht darin sind, vorherzusagen, wie der durchschnittliche Mann und die durchschnittliche Frau auf solche Untersuchungen reagieren werden. Insbesondere sagen sie voraus, dass beide Geschlechter Unterschiede, die ihr eigenes Geschlecht bevorzugen, stark bevorzugen werden, wenn tatsächlich Frauen nur mäßig Unterschiede bevorzugen, die das eigene Geschlecht bevorzugen, und Männer mäßig Unterschiede, die Frauen bevorzugen."

Die Forscher replizierten praktisch alle Ergebnisse in einer zweiten Studie mit 336 Teilnehmern aus Südostasien. Der einzige Unterschied, den sie beobachteten, war, dass die südostasiatischen Teilnehmer tendenziell etwas positiver auf die Forschung reagierten als die westlichen Teilnehmer.

"Eine mögliche Implikation dieser Ergebnisse ist, dass Forschung, die geschlechtsspezifische Unterschiede zu Gunsten von Männern untersucht, es etwas schwerer haben könnte, finanziert, veröffentlicht oder in den Mainstream-Medien behandelt zu werden. In gewisser Hinsicht könnte das eine gute Sache sein; wir wollen nicht versehentlich sexistische Stereotypen verstärken", sagte Stewart-Williams.

"Auf der anderen Seite könnte die Tendenz, die Wissenschaft über Geschlechtsunterschiede zu verzerren, es schwieriger machen, Interventionen angemessen zu gestalten. Obwohl es also dem Wunsch entspringt, Frauen zu schützen, ist es nicht unbedingt im besten Interesse der Frauen. Eine genaue Sicht der Dinge ist unsere beste Chance, die Welt zu einem besseren Ort zu machen."

"Eine zweite Implikation ist, dass die Menschen das Ausmaß, in dem Männer und Frauen zu eigengeschlechtlichen Vorurteilen neigen, stark überschätzen. Es scheint unwahrscheinlich, dass dies harmonische Beziehungen zwischen den Geschlechtern fördern würde. Eine genauere Betrachtung der Situation könnte also dazu beitragen, Antagonismen zwischen Männern und Frauen abzubauen, was für alle Beteiligten von Vorteil wäre. Auch hier ist eine genaue Sichtweise das Beste, was wir tun können", so Stewart-Williams weiter.

Wie bei allen Untersuchungen gibt es auch bei der Studie einige Einschränkungen. Teilnehmer bei beiden Studien waren politisch linker eingestellt, gebildeter und weniger religiös als die Gesamtbevölkerung, was die Ergebnisse beeinflusst haben könnte. Aber die Forscher haben kürzlich drei weitere Studien abgeschlossen, die die Ergebnisse replizierten. Die neue Forschung wird vor der Veröffentlichung wissenschaftlich überprüft.

"Unsere neuen Studien haben sich auch mit verschiedenen anderen Fragen beschäftigt. Eine davon ist, ob die Reaktionen der Menschen auf Forschung zu Geschlechtsunterschieden zum Teil durch das Geschlecht des leitenden Forschers geprägt sind. Die gute Nachricht ist, dass wir im Gegensatz zu dem, was viele erwarten würden, keine Hinweise darauf gefunden haben, dass Menschen weniger positiv auf Forschung reagieren, die von einer weiblichen Forscherin geleitet wird als von einem männlichen Forscher", sagte Stewart-Williams.

"Wir fanden jedoch vorläufige Hinweise darauf, dass Menschen weniger positiv auf Forschung reagieren, die von einem Mann geleitet wird, wenn die Forschung einen männerfreundlichen Unterschied bei einem hoch geschätzten Merkmal findet. Männerbegünstigende Forschung ist also im besten Fall schlecht, aber sie könnte noch schlechter sein, wenn sie von einem männlichen Forscher stammt.

Eine andere Frage, die wir untersuchen, ist, warum Menschen weniger positiv auf männer- als frauenbegünstigende Geschlechtsunterschiede reagieren. Unsere jüngste Studie deutet darauf hin, dass es fast ausschließlich daran liegt, dass männerbegünstigende Unterschiede als schädlicher für Frauen angesehen werden als frauenbegünstigende Unterschiede für Männer. Wir haben auch herausgefunden, dass die Wahrnehmung der Schädlichkeit der Forschung dazu beiträgt, die Wahrnehmung ihrer Qualität zu prägen - fast so, als ob die Leute denken: 'Die Ergebnisse sind schädlich, also war die Studie schlecht gemacht'", erklärt Stewart-Williams.




7. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

ich verfolge Ihren interessanten Blog nun schon eine Weile und möchte meinen Dank für Ihre Arbeit hiermit ausdrücken.

Heute erlaube ich mir den Hinweis auf eine aufschlussreiche Dokumentation der BBC: The Schools That Chain Boys. Es geht um Kindesmisshandlung (Jungs) im Sudan an religiösen Schulen. Thematisch eventuell dem ganzen #BringBackOurGirls Komplex zuzuordnen (naja, im weitesten Sinne).

Als Warnung muß ich hinzufügen, das manche Bilder sehr schockierend sind. Eventuell ist diese Dokumentation ja für Ihre Leserschaft ebenfalls interessant.

Viel Erfolg mit Ihrem Blog weiterhin!


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