Sonntag, Dezember 08, 2019

Psychologe: "Der Typ Schoßhund ist unter Männern heute am meisten verbreitet" – News vom 8. Dezember 2019

1. Der Schweizer "Tagesspiegel" hat den Psychologen Stephan Grünewald zur Rolle des Mannes in der Gegenwart interviewt. Grünewald legt folgendes dar

Der neue Mann ist sensibel, selbstreflektiert, er akzeptiert seine weichen Seiten und ist ehrlich bemüht, im Alltag eine Gleichberechtigung hinzubekommen. (...) Aber im Zuge dieser Entwicklung sind wir in die Situation geraten, dass es zwei unterschiedliche Regieanweisungen gibt: Immer noch das Bild des durchsetzungsstarken Mannes aus der Vergangenheit und gleichzeitig das neue, postmoderne Bild des soften Frauenverstehers. Das führt bei den Männern heute immer wieder zu Inszenierungskrisen. Sie wissen nicht mehr genau, wie sie sein sollen, so wie der eigene Vater oder Grossvater: selbstbestimmt, herrisch, richtungsgebend. Oder eher zurückhaltend, bedächtig.

(...) Das fängt schon beim Restaurantbesuch an. Man lernt eine Frau kennen, es ist das erste Date, also geht man in ein Restaurant. Erste Hürde für den Mann: Bestimme ich selber das Restaurant, oder frage ich die Partnerin, welches Restaurant sie bevorzugt? Wenn man dann am Tisch sitzt, die nächste Hürde: Gestalte ich das Gespräch? Ich bin sicher, mein Vater hätte in blühenden Farben seinen bisherigen Werdegang offengelegt und seine Zukunftspläne entfaltet. Der heutige Mann überlegt, ob es nicht besser wäre, nichts zu sagen, interessiert zu schweigen und die Frau zu Wort kommen zu lassen. (...) Früher war klar, dass der Mann zahlt. Ende der Neunzigerjahre, Anfang der Nullerjahre gab es Männer, die sagten: Das ist gegen die Emanzipation, vielleicht lasse ich besser die Frau bezahlen, ich habe ja jetzt auch zwei Stunden zugehört. Manche sagten: Wir teilen die Zeche. Heute versucht ein Teil der Männer, diese Inszenierungskrise zu beheben, indem sie sich in vorauseilender Manier an dem orientieren, was sie glauben, was die Partnerin von ihnen erwartet.

Sie wollen sich nicht angreifbar machen. Und sie wollen sich nicht schuldig machen. In dem Moment, in dem sie das Gefühl haben, ich will eigentlich etwas ganz anderes als meine Partnerin, fühlen sich manche Männer direkt schuldig, weil sie das Gefühl haben, das ist verkehrt, das darf nicht sein. In dem Masse, in dem die Männer sich aber an der Partnerin orientieren und eine brave Folgsamkeit an den Tag legen, bedienen sie sich einer infantilen Strategie.

Sie machen auf Liebkind, um keinen Disput, keinen Konflikt, keine Zurückweisung zu riskieren. Wir hatten am Institut eine Gruppendiskussion, bei der ein Schreiner, Mitte 40, breite Schultern, riesige Pranken, auf die Frage des Psychologen, wie der Mann von heute sein soll, die Antwort gab: "Der Mann sollte die beste Freundin seiner Frau sein." Das war äusserlich ein kerniger, harter Mann. Aber er wich Auseinandersetzungen mit seiner Frau aus.


Auf der politishen Ebene sehen wir dieses Verhalten heute zum Beispiel bei den Grünen und beim "Bundesforum Männer" zumindest unter Martin Rosowski und Dag Schölper. Das veranschaulicht ein im Juni letzten Jahres veröffentlichter Spiegel-Artikel, in dem es hieß:

Als in den vergangenen Monaten die #MeToo-Debatte losging, als das ganze Land über das Verhältnis von Männern und Frauen debattierte, hätte man sich als Mann durchaus einen Repräsentanten gewünscht. Jemanden, der in den Talkshows sitzt und auf kluge Weise für die Männer streitet – für die anständigen jedenfalls. Dag Schölper aber saß in keiner Talkshow. Er gab kein einziges Interview. Er stellte keine Forderung und äußerte keine Meinung. Auf der Homepage des Bundesforums Männer findet sich kein Hinweis darauf, dass es die Debatte überhaupt gibt. Wie kann das sein? "Wir haben natürlich überlegt, ob wir uns zu der Debatte äußern oder uns eher zurückhalten", sagt Schölper. "Unsere Rolle war dann die des solidarischen Zaungastes."


Vor diesem Hintergrund lässt sich erklären, dass sich die Männer des Bundesforums mit den Aktiven der Männerrechtsbewegung immer wieder schwer tun – was beispielsweise zu der skurrilen Situation führten, dass sich Martin Rosowski als der Chef des Bundesforums Männer in Alice Schwarzers "Emma" über uns ausweinte. Dabei wird braves Sich-Anpassen von weiblicher Seite nicht einmal goutiert, wie der weitere Verlauf des Interviews zeigt:

Tages-Anzeiger: Wie toll finden Frauen denn diese brave Folgsamkeit?

Stephan Grünewald: Wenn wir Männerstudien machen, werden die Interviews zum Teil von Psychologinnen gemacht. Wenn sie an einen Mann geraten, der immer alles lieb und nett macht, nervt das die Frauen nach einer halben Stunde. Diese Männer sind wie ein Pudding, den man an die Wand nagelt und der dann so runterglibbert. Man hat das Gefühl, sie sind gar nicht konturiert. Männer, die so lieb und folgsam sind, merken selber, dass sie an Authentizität verlieren. Und irgendwann verliert die Partnerin das Interesse.

Tages-Anzeiger: Der Frauenversteher wird also gar nicht geliebt?

Stephan Grünewald: Frauen wollen natürlich auch nicht den herrischen Despoten. Sie wollen jemanden, mit dem man sich auf Augenhöhe auseinandersetzen kann. Aber wenn da so eine bereitwillige Nachgiebigkeit ist und sich der Mann einer infantilen Strategie bedient, wird er auch irgendwann wie ein Kind behandelt.


Grünewald führt weiter aus:

Laut unseren Studien ist das der Typus, der heute am meisten verbreitet ist. 27 Prozent der Männer kann man zu dieser Kategorie zählen. Das heisst, jeder vierte Mann gehört heute zum Typus Schosshund.


Wie Grünewald erklärt, führt natürlich auch die Rolle des herrischen, despotischen, rücksichtslosen Mannes nicht weiter. Der Typ "Schoßhund" aber lebe seine Aggressivität oft nur in anderen Kontexten aus: Darüber hinaus begünstige er lediglich ein neues Machtgefälle zwischen den Geschlechtern:

Letztes Jahr haben wir eine Frauenstudie gemacht, bei der wir den Alltag der jungen Frauen angeschaut haben. Da war klar, dass für Frauen um die 20 die Familie an erster Stelle kommt, an zweiter Stelle die eigenen beruflichen Entwicklungsvorstellungen und erst an dritter Stelle der Freund oder Partner. Er muss sich also quasi in die Familien- und Karrierevorstellungen integrieren, sonst läuft er Gefahr, abserviert zu werden.


Als Lösung für dieses Dilemma zeigt Grünewald "den Mut zum Streit":

Wir brauchen den im positiven Sinn streitbaren Mann, der aber auch bereit ist, den eigenen Standpunkt immer wieder zu hinterfragen und eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe zu führen. Streit ist immer wertschätzend, wenn er zivilisiert ist. Wenn ich die Perspektive des anderen mitbekomme, ist das eine Form der Erkenntnis. Sie schafft die Voraussetzung für einen Kompromiss, der für alle tragfähig ist. Das ist die Chance, aber auch die Herausforderung der heutigen Zeit.


Ich habe dem wenig hinzuzufügen, weil genau das seit Jahrzehnten meine Linie ist: Wir benötigen keine unreifen Konflikte, bei denen jeweils das andere Geschlecht herabgesetzt wird, sondern reife Konflikte, bei denen Mitglieder beider Geschlechter klar benennen, was sie überhaupt möchten und dann miteinander debattieren, wie eine Lösung aussehen kann, mit der beide gut leben können.

Problematisch wird das allerdings durch jene Feministinnen, die in Politik, Medien und dem akademsichen Sektor inzwischen an den Hebeln der Macht sitzen und die schlicht auf Diskursverweigerung setzen, wenn Männer(rechtler) eigene Wünsche äußern. Eine Debatte mit diesen Männern findet ja an keiner Stelle statt: in keiner Zeitung, keiner Talkshow, keiner politischen Stiftung, keinem Gender-Studien-Seminar. Sie werden dort überall genauso "abserviert", wie Grünewald das für den privaten Bereich schildert. So ziehen viele Feministinnen derzeit immer mehr Männer vom passiv-aggressiven Typus heran, die es ihnen wiederum leicht machen, ihre Diskursverweigerung aufrecht zu erhalten. Solange genug "Schoßhünde" als Gesprächspartner existieren, kann man selbstbewusst fordernden Männern leicht aus dem Weg gehen. Der einzelne Mann kann in dieser Situation nur achtgeben, dass seine eigene Psyche darunter nicht leidet und er selbst zum "Schoßhund" mutiert.

Diese Diskursverweigerung ist heute Thema bei Christian Schmidt.



2. Die Post. Eine Leserin schreibt mir zu dieser Meldung:

Kurze Anmerkung zu der heute von dir angeführten Nachricht aus dem "Offenbacher Kreistag" (Kreistag des Landkreises Offenbach, die namensgebende Stadt Offenbach selbst ist kreisfrei, aber das verwirrt viele).

Ich nenne den Antrag der Fraktion ALO (bestehend aus zwei Mitgliedern, die zuvor Teil der dortigen AfD-Fraktion waren und weiterhin AfD-Parteimitglieder sind, wird ja bei der FAZ auch erwähnt) mal einen "Schaufensterantrag". Noch dazu einen kopierten: Es ist nämlich nicht unüblich, gleichlautende Anträge übers gesamte Land in allen möglichen Gremien einzubringen, und bei diesem Copy/Paste wird lustigerweise manchmal nicht mal korrekt umformuliert oder Rücksicht auf tatsächliche Zuständigkeiten der jeweiligen Gebietskörperschaft genommen.

Dieser ist also auch so einer. Er fordert die Kreisverwaltung auf, von allen "Gender-Sprache"-Regelungen, die in der Verwaltung gelten, Abstand zu nehmen. Lustigerweise gibt es dort keine. Der Kreis Offenbach hat nicht, wie das ja ein paar Städte gemacht haben, Regelungen zum sprachlichen Umgang hinsichtlich "Gender" für seine Mitarbeiter getroffen. Der Antrag zielt also auf die Abschaffung von etwas, das gar nicht existiert. Hilfsweise will man das ganze natürlich noch als "Resolution" verstanden wissen. Der Begriff ist - für meinen persönlichen Geschmack - etwas hoch aufgehängt für eine Vertretungskörperschaft, die nicht mal gesetzgebende Kompetenz hat sondern Teil der Exekutive ist.

Solche Anträge dienen rein der Profilierung und Provokation und werden regelmäßig von den übrigen Fraktionen nicht unterstützt. Nicht nur die AfD bedient sich übrigens dieser Mittel, aber sie sind schon vorne mit dabei. Die Tagesordnung der besagten Kreistagssitzung hat noch ein paar solcher Anträge zu bieten: "Unterstützung landwirtschaftlicher Betriebe" - der Kreis Offenbach liegt mitten im Rhein-Main-Gebiet, es gibt da vielleicht noch 'ne Handvoll "Landwirte", meist im Nebenerwerb – der Antrag ist natürlich getriggert von den Bauernprotesten.

Oder zu Original Play oder Lebensmittelüberwachung oder Schwimmen-Lernen - hab es nicht im Einzelnen überprüft, aber die Anträge lassen sich sicher gleichlautend in ganz Hessen mehrfach finden.

Traurig ist natürlich, dass eine scheinbare selige Einigkeit der "großen Mehrheit" der Bevölkerung, äh ihrer Volksvertreter, der AfD eine solche Bühne bietet und sie zu den einzigen macht, die sich gegen diese Strömung stellen. Und traurig ist, dass diese so vehement und sinnfrei verteidigte "gerechte Sprache" von der Mehrheit der Menschen, zumindest in meinem persönlichen und beruflichen Umfeld, überhaupt nicht beachtet wird und niemand das für Ernst nimmt. Das tun bestimmt auch - so ganz privat - die Redner der übrigen Fraktionen nicht, die da im Kreistag die gendergerechte Sprache so schön verteidigt haben. Aber sie "müssen" es sagen, weil man ja gegen die AfD sein "muss". Damit macht die AfD die pseudo-gerechte Front mit jedem Angriff stärker und zerstört die letzten Reste einer Basis, auf der man vielleicht das Thema argumentativ hätte austragen können.

Und dann bin ich, wenn ich meine Meinung äußere, auf einmal in der Postion mich nach rechts abgrenzen zu müssen. Ich. Nach rechts. Für mich echt unfassbar ...

Gut, ich als Frau muss mich sowieso dauernd erklären und werde falsch verstanden, wenn es um solche Themen geht. Als Frau nicht feministisch zu sein ist für die Leute mittlerweile echt Gehirnakrobatik.

Komme aus der Nähe des Landkreises und kenne die kommunalpolitischen Verhältnisse vor Ort, daher hatte ich das Gefühl, das noch ergänzen zu wollen.

Danke für deine Arbeit und viele Grüße!


Mehr Post. Ein weiterer Leser schreibt mir:

Beim Genderama-Eintrag Nr. 4 von gestern ist der zitierten israelischen Oppositionszeitung "Haaretz" ein Schnitzer unterlaufen, den man korrigieren sollte, damit das nicht rhetorisch unfair als Angriff auf die Frauengesundheit umgemünzt werden kann:

Das Smegma ist nicht mit dem Präejakulat ("Lusttropfen") gleichzusetzen.

Das Präejakulat ist ein Sekret der Bulbourethraldrüse (auch Cowpersche Drüsen). In der tat dient der "Lusttropfen" als Gleitmittel beim Geschlechtsverkehr, aber auch zu der Reinigung der Harnröhre vor einem zu erwartenden Samenerguss, wobei der pH-Wert der Harnröhre zunimmt und das saure Milieu in ein alkalisches umgewandelt wird.

Smegma dagegen besteht aus dem Talg der Vorhautdrüsen, gemischt mit Rückständen abgestorbener Zellen und Bakterien. Smegma sammelt sich unter der männlichen Vorhaut wie zwischen den Schamlippen und der Klitoris. Smegma ist eine Quelle für unangenehmen Geruch wie Krankheiten und sollte durch Waschen entfernt werden. Übertreibungen sind hiere aber unnötig; die tägliche normale Wäsche reicht völlig.

Ich denke, der Schnitzer in der Zeitung wird eher ein Konzentrationsfehler sein.

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