Freitag, Oktober 18, 2024

Die Welt: "Die Krise der jungen Männer geht uns alle an"

1. In einem Beitrag für "Die Welt" beschäftigt sich Franziska Zimmerer mit der Situation der jungen Männer. Ein Auszug:

Es verändert sich etwas. In den USA, Großbritannien und Kanada sind mehr Frauen zwischen 20 und 24 Jahren in einem Beschäftigungsverhältnis als Männer. In Großbritannien verdienen Frauen in dieser Altersklasse erstmals auch mehr als Männer.

Ist das Grund zur Freude? Nicht wirklich. Denn die Zahl junger Männer in den wirtschaftsstarken Staaten, die weder arbeiten noch studieren oder eine Ausbildung machen, steigt. Fast ein Fünftel der jungen Männer in Deutschland hat keinen weiterführenden Abschluss. Selbst für Frauen, die erbittert gegen das Patriarchat ankämpfen und nach Jahrtausenden von Benachteiligung und Unterdrückung ihre Chance wittern, müsste die Entwicklung beunruhigen.

(…) 82 Prozent der Drogentoten in Deutschland sind Männer. 77 Prozent der an Suizid verstorbenen jungen Menschen bis 29 Jahren sind Männer.


Zimmerer kommt darauf zu sprechen, wie Frauen und Männer politisch in verschiedene Richtungen streben: die Frauen eher nach links, die Männer eher nach rechts.

Dieser Kampf ist auch im aktuellen US-Wahlkampf zu beobachten. Männer unterstützen in mehreren Umfragen eher Trump, Frauen Kamala Harris. Weil sich mit dem Wahlkampfthema "Girlpower" keine Präsidentschaftswahl gewinnen lässt, das hat Hillary Clinton gezeigt, versucht das Team von Harris insbesondere schwarze Männer anzusprechen – allerdings auf völlig absurde Art.

Die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten stellte in dieser Woche ihre "Opportunity Agenda for Black Man" vor. Darin zu finden sind zwei originelle Punkte mit noch originelleren Begründungen: Mehr Schutz von Kryptowährungen, "damit Schwarze Männer wissen, dass ihr Geld sicher ist". Außerdem möchte sie nicht-medizinisches Marihuana legalisieren, damit "Schwarze Amerikaner in dieser neuen Industrie Karrierechancen finden". Ob dieses Bild von schwarzen Männern als Krypto handelnden Kiffern und Dealern irgendwem außer Donald Trump hilft, bleibt abzuwarten.

(…) Stattdessen braucht es männliche Vorbilder für Jungs und junge Männer. Es braucht Lehrer, Kindergärtner, Mentoren im privaten Umfeld. Vaterfiguren, die Werte wie Respekt und Toleranz und Charaktereigenschaften wie Selbstwert, Verantwortungsbewusstsein und Widerstandsfähigkeit vorleben. Was es nicht braucht: eine Verteufelung einer lauten pseudo-politisierten Bubble, die Männer zum Ursprung aller gesellschaftlichen Probleme macht. Also Männer, rettet euch Männer!




2. Der Feminist Nils Pickert ist stocksauer auf den SPIEGEL-Artikel "Ohne euren Männerhass wäre die Welt noch schöner". Er habe, berichtet Pickert, "den Text von Ralf Neukirch auf Instagram als verlogenen Scheißtext bezeichnet, der unfassbar wehtut." Neukirch werbe nämlich "auf den Nacken von Frauen für Männerrechte".

Auch diese Strategie existiert seit Jahren. Und sie schmerzt mich ganz persönlich. Denn auch wenn ich nachvollziehen kann, dass Neukirch für seine drei Söhne keine Welt möchte, die Männer hasst, und in seinem Text Probleme anspricht, mit denen Jungen und Männer tatsächlich konfrontiert sind, ist das eine furchtbare, um nicht zu sagen widerliche Strategie. Ich schreibe, mache und tue seit über 15 Jahren zu feministischen Themen. Jedes Mal, wenn ich einen Text über Gewalt gegen Frauen schreibe, kotzen mir irgendwelche Dudes in die Kommentare, was denn mit Gewalt gegen Männer sei? Also habe ich mir angewöhnt, zurückzufragen: Ja, was ist denn damit? (…) Und was zur Hölle ist eigentlich mit dir Ralf, dass du ganz entspannt verschweigst, wer in den meisten Fällen die Täter sind.

Aber wer bedroht denn Jungen, dass sie das Handy herausrücken? Wer bricht Nasen? Wer hat denn den Sohn deines Bekannten zusammengeschlagen? Ja genau, Ralf. Einfach nicht dazuschreiben. Einfach so tun, als wären Jungen und Männer nicht durch allgegenwärtige Männlichkeitszurichtungen die größte Gefahrenquelle für Jungen und Männer. Als würden Jungen und Männer nicht mehrheitlich durch andere Jungen und Männer bestohlen, beraubt, geschlagen, vergewaltigt und getötet. Und dann am Ende Frauen noch vorwerfen, sie würden das alles nicht sehen wollen. (…) Frauen wollen einfach nur das Mindeste und es wird ihnen zumeist von Männern vorenthalten. Sie würden gerne nicht betäubt, geschlagen, vergewaltigt und ermordet werden.




3. Clint Eastwoods Tochter Francesca wurde wegen häuslicher Gewalt festgenommen.

Die Schauspielerin (31) wurde verhaftet, nachdem sie ihren Freund angeblich körperlich angegriffen hatte, als sie durch Beverly Hills, Kalifornien, fuhren. (…) Francescas Freund habe die Polizei angerufen, nachdem ihr verbaler Streit handgreiflich geworden sei, und die Beamten wiesen ihn an, zum Beverly Hills Police Department zu fahren. (…) Die Beamten sprachen nach der Ankunft des Paares auf der Polizeiwache mit beiden Parteien, bemerkten aber sichtbare Verletzungen bei dem Mann. Die Entdeckung führte zur Verhaftung von Francesca.




4. Das ist auch ein Erfolg der Männerrechtsbewegung: Der SWR hat den dreiviertelstündigen Beitrag "Meine Frau schlägt mich" am 10. Oktober ausgestrahlt und in die ARD-Mediathek gestellt. Die Tabus, über die ich auch von Nils Pickert noch nie irgendetwas gelesen habe, bröckeln weiter.



5. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerungen in Deutschland ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen.

2022 hatten 1.123 Personen einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung (KDV) gestellt. 2023 waren es bereits 1.609 Anträge. Im laufenden Jahr 2024 nahm der Trend noch einmal Fahrt auf: Bis zum 31. August gab es schon 2.053 Anträge. (…) Die größte Gruppe unter den Antragstellern sind mit 835 Anträgen "Ungediente", zumeist junge Männer, die für den Fall einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht deutlich machen wollen, dass sie für mögliche Kriegseinsätze nicht zur Verfügung stehen.

(…) Die allgemeine Wehrpflicht für junge Männer wurde 2011 ausgesetzt, aber nicht abgeschafft. Sie kann jederzeit wieder eingesetzt werden, wenn ein Spannungs- oder Verteidigungsfall festgestellt wird. Der Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat zudem angekündigt, im Fall seiner Wahl die Wehrpflicht beziehungsweise den verpflichtenden Ersatzdienst auf junge Frauen auszudehnen.

"Dazu müssten wir das Grundgesetz ändern", sagte Merz vor wenigen Tagen in der ARD-Talkshow von Caren Miosga . In Artikel 12a Grundgesetzes ist bisher nur die Rede von Männern, die zum Dienst verpflichtet werden können. Für Merz ist jedoch "selbstverständlich", im Ernstfall Frauen einzubeziehen.




6. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

in dem von Ihnen gestern verlinkten Spiegel-Online-Artikel hatte Silke Fokken Folgendes gesagt:

In der jüngsten Pisa-Studie zeigte sich erneut, dass 15-jährige Mädchen schlechter in Mathematik abschneiden als Jungen. Das ist seit Jahren in vielen OECD-Ländern so, aber kein Naturgesetz, wie etwa Finnland zeigt.

Ich will nicht sagen dass es in Wirklichkeit doch ein Naturgesetz sei, aber die immer wieder zu hörende Behauptung, dass die nordischen die (durchschnittliche) Mathe-Schwäche der Mädchen beseitigt hätten ist falsch. Schaut man sich die Ergebnisse von Finnland in der PISA-Studie 2022 nämlich genauer an sieht man, dass die Mädchen in Finnland zwar tatsächlich leicht bessere Ergebnisse in Mathematik zeigen als die Jungs. Allerdings ist es auch so, dass die Mädchen in Naturwissenschaften, wo die Geschlechterdifferenzen in der Mehrheit der OECD-Länder eher gering sind, ebenfalls einen klaren Vorsprung gegenüber den Jungs haben. Und beim Lesen, wo in allen Ländern die Mädchen die Nase vorne haben, ist der Vorsprung der Mädchen in Finnland besonders groß.

Zusammengefasst haben die Mädchen in Finnland in allen Kompetenzbereichen einen Vorsprung gegenüber den Jungs, aber in Mathematik ist er am kleinsten. Es wurde also nicht Mathe-Schwäche der Mädchen beseitigt sondern der Vorsprung der Mädchen beim gesamten Bildungsniveau wurde so stark vergrößert, dass sie auch in ihrem schwächsten Bereich über den Jungs liegen.

Hier sieht man womöglich auch eine Erklärung für das Gender-Equality-Paradox: Mädchen und Frauen streben halt nach der Schule die Fachgebiete an, in denen sie die größten Vorteile gegenüber dem männlichen Geschlecht haben, während Jungs und Männer die Fachgebiete anstreben, in denen ihre Nachteile gegenüber dem weiblichen Geschlecht am geringsten sind. Damit wäre das kein Paradox sondern das Ergebnis einseitiger Geschlechterpolitik.




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