Dieter Wedel, Tagesspiegel-"Journalismus", Gewaltpornos – News vom 21. Juli 2022
1. Der Starregisseur Dieter Wedel, dem wir einige der besten deutschen Serien ("Der große Bellheim", "Der Schattenmann") zu verdanken haben, ist am 13. Juli in einer Hamburger Klinik gestorben. In den letzten Jahren erntete Wedel vor allem wegen Vorwürfe der Vergewaltigung in den neunziger Jahren die Aufmerksamkeit der Leitmedien. Eine Anklage gegen ihn war bislang nicht zugelassen worden.
Die mediale Vorverurteilung Wedels prangern seine Anwälte nun in einer Pressemitteilung an, in der es heißt:
Anlass für die Fortsetzung öffentlicher spekulativer Erwägungen besteht nicht. Das Verfahren gegen unseren Mandanten wurde medial zum angeblichen "Musterverfahren" einer gesellschaftlichen Bewegung aufgebauscht. Die rechtsstaatlich gebotene Trennung zwischen allgemeinen gesellschaftlichen Anliegen und persönlicher Schuldfeststellung ist hierbei missachtet und der Beschuldigte nunmehr als Objekt eines allgemeinen Verfolgungsbedürfnisses behandelt worden.
Einzelne Medien haben in vorverurteilenden Berichterstattungen die Rollen des Journalisten und des Strafverfolgers vermischt. Das ist überdies durch ersichltich sachfern motivierte Aktivitäten Dritter angeheizt worden.
All dies hat eine rechtsstaatlich normale, faire, Aufarbeitung des erhobenen Vorwurfs behindert. Wenn schon der Umstand, dass der einer schweren Straftat Beschuldigte sich gegen diesen Vorwurf verteidigt, zu weiterer Ausgrenzung und Vorverurteilung führt, werden bürgerrechtliche Prinzipen des Strafverfahrensrechts missachtet.
Das durch den Tod unseres Mandanten beendete Verfahren erweist sich somit als bedrückendes Beispiel dafür, wie durch einseitige Skandalisierung und moralisierende Verfolgungsmentalität Grundlagen des rechtsstaatlichen Strafverfahrens unter Druck geraten und in Frage gestellt werden können.
Wie effektiv diese Berichterstattung war, konnte man gestern auf Twitter verfolgen, als "Dieter Wedel" trendete und etliche Menschen dem Toten zahlreiche Beleidigungen und andere Schmähungen noch ins Grab hinterher brüllten. (Alles im Dienst der guten Sache, natürlich.)
2. Im Politikmagazin CICERO beschäftigt sich Ben Kirschke mit der "großen Lust am Verschwörungsjournalismus", wenn es um angebliche "rechte Netzwerke" geht. Und an welches Blatt müssen viele von uns denken, wenn es um Verschwörungsjournalismus geht? Klar, an den Berliner "Tagesspiegel" natürlich. Aufhänger des CICERO-Artikels sind zwar nicht Männer-Aktivisten sondern Kritiker der staatlichen Corona-Politik, aber die denunziatorischen Methoden erscheinen auffallend ähnlich:
Artikel, in denen angebliche "rechte Netzwerke" und andere konspirative Machenschaften identifiziert werden sollen, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Sie alle eint eine journalistisch fragwürdige Herangehensweise, getrieben von dem Wunsch, alles zusammenzutragen, was irgendwie ins eigene Narrativ passt. Jeder Retweet wird zum Indiz verklärt, jeder lose Kontakt zum Schuldbeweis aufgeblasen. Das Ergebnis ist ein semi-paranoider "Verschwörungsjournalismus", der jedem Aluhut Konkurrenz macht.
"Diese Recherchen haben zahlreiche neue Hintergründe aufgezeigt, wurden vielfältig zitiert und wir führen sie weiter. Allerdings sind uns dabei auch handwerkliche Fehler unterlaufen, für die wir um Entschuldigung bitten", war im Mai 2021 in einer Veröffentlichung des Tagesspiegels in eigener Sache zu lesen. Die Redaktion hatte zuvor einen Artikel veröffentlicht, in dem die Autoren – teilweise ohne Klarnamen – ein "antidemokratisches Netzwerk" hinter der Aktion "#allesdichtmachen" identifiziert haben wollten.
Wir erinnern uns: Die "#allesdichtmachen"-Videos hatten sich ironisch mit den Maßnahmen des Bundes und der Länder zur Corona-Bekämpfung und der Rolle der Medien in der Pandemie auseinandergesetzt. Wenn Sie mich fragen, waren da ein, zwei Perlen dabei – zum Beispiel die Medienkritik von Jan Josef Liefers –, ansonsten liegt die künstlerische Qualität der Aktion eben im Auge des Betrachters. Dem Tagesspiegel ging es damals aber nicht um Stilkritik. Denn bekanntermaßen bestimmt das Sein das Bewusstsein, und wer sich bestmöglich eingerichtet hat in seiner Solidarität mit und in der eigenen Folgsamkeit gegenüber den politisch Verantwortlichen, der mag es nicht besonders, wenn andere aus der Reihe tanzen.
Der Auftrag der Autoren des ursprünglichen Tagesspiegel-Artikels war für jeden halbwegs objektiven Leser deutlich: Man versuchte in bester Diffamierungsmanier alles zusammenzutragen, mit dem sich die rund 50 Schauspieler und Regisseure der "#allesdichtmachen"-Aktion ins moralische Abseits schreiben ließen. Früher nannte man das Gesinnungsschnüffelei, beim Tagesspiegel war das "investigative Recherche". Das Ergebnis war ein veröffentlichtes Halbmärchen – und ein neues Genre war geboren, eine Symbiose aus Journalismus und Verschwörungstheorie. Nennen wir es "Verschwörungsjournalismus".
(…) Gleichzeitig sind die Grenzen zwischen seriösem und weniger seriösem Journalismus in den vergangenen Jahren, etwa infolge der Digitalisierung und der Aufmerksamkeitsökonomie im Netz, weiter sichtlich aufgeweicht worden. Ein Redakteur einer großen Online-Marke nannte das mir gegenüber einmal "bouliöser" Journalismus, was da heute vielfach im Internet publiziert wird. Also eine Mischung aus Boulevard und Seriosität, was bei näherer Betrachtung aber auch nur als semi-guter Versuch einer Definition gewertet werden kann, weil Boulevardjournalismus eben nicht zwangsläufig unseriös ist und eine seriöse Aufmachung trotzdem allerhand Schmu transportieren kann.
(…) Außerdem ist unsere Branche Magnet für Leute, die meinen, der Journalismus sei das passende Berufsfeld, um die Welt zu verbessern. Das ist nicht per se verwerflich, wird aber zum Problem, wenn gewisse Themen nicht mit der nötigen kritischen Distanz behandelt werden und man lieber nach unten tritt statt nach oben (...).Dass im Journalismus Schindluder getrieben wird, ist kein neues Phänomen. Gleichwohl ist es eines, das durch die Digitalisierung und die sozialen Medien befördert wird. (...) In Filterblasen, die sich auf Basis gleicher oder ähnlicher Perspektiven auf die Welt zusammenfinden, wird zwangsläufig nach passender Haltung ein- und aussortiert. Die Welt wird aufgeteilt in Gut und Böse, Narrative, auch die besonders dummen, werden unreflektiert gestreut und komplexe Zusammenhänge stark reduziert oder solange gebogen und verdreht, bis das Ergebnis stimmt. Und genau derlei ist eben auch typisch für die Entstehung und Verbreitung von Verschwörungstheorien.
Wie der "Tagesspiegel" verschwörungsjournalistisch vorgeht, wenn Menschen, die sich für Jungen und Männer einsetzen, es an politischer Folgsamkeit mangeln lassen, hat vor ein paar Jahren der Historiker Gunnar Kunz dargestellt.
Aktuell berichtet der Volksverpetzer, den ich nicht verlinken mag, darüber, "wie ein rechtsradikales Netzwerk Feministinnen für den Faschismus rekrutiert" und wittert ein Netzwerk solcher Feministinnen mit Adelsfamilien, Oligarchen und der Neuen Rechten.
3. Eine neue Studie hat untersucht, wer Gewaltpornos besonders zu schätzen weiß:
Feministische Aktivistinnen und Sozialkommentatoren beklagen seit langem das Ausmaß an Aggression, das in pornografischen Videos gezeigt wird. Das Argument ist, dass das Anschauen solcher Videos Männer lehrt, dass gewalttätiges Sexualverhalten akzeptabel ist. Darüber hinaus wird behauptet, dass Männer, die sich Gewaltpornos ansehen, vielleicht sogar eine Vorliebe für aggressiven Sex entwickeln, die sie vorher nicht hatten.
Die gängige Meinung besagt, dass Pornos für ein männliches Publikum produziert und von diesem konsumiert werden. In dieser Sichtweise spielt die Pornografie in das Patriarchat hinein, in dem Männer versuchen, Frauen zu unterwerfen, indem sie sie als bloße Sexobjekte für ihre eigene sexuelle Befriedigung betrachten. Der Inhalt von Internetpornos spiegelt also den Geschmack der männlichen Konsumenten wider.
Angesichts der riesigen Menge an Pornos, die heute online verfügbar sind, ist es schwierig, den Prozentsatz der Pornos mit gewalttätigem Inhalt zu schätzen, vor allem, wenn man bedenkt, dass verschiedene Seiten unterschiedliche Geschmäcker ansprechen. Die Schätzungen reichen von 10 Prozent bis zu 90 Prozent.
Diese große Spanne ist größtenteils darauf zurückzuführen, dass Forscher Aggression unterschiedlich definieren. Anti-Porno-Autoren neigen dazu, Statistiken am oberen Ende dieser Spanne zu zitieren. Das liegt daran, dass sie Handlungen zählen, die als spielerisch angesehen werden können, wie z. B. Versohlen, Kitzeln oder an den Haaren ziehen, und denen die Frau offenbar zugestimmt hat.
Aber selbst wenn die Schätzungen im unteren Bereich genauer sind, bleibt die Frage bestehen: Welche Art von Menschen finden Gewaltpornos erregend? Sicherlich müssen es Männer sein, zumindest der gängigen Meinung nach. Schließlich sollten die weiblichen Zuschauer mit den weiblichen Darstellern, die missbraucht werden, mitfühlen und daher solche Inhalte eher abstoßend als erregend finden.
Bis vor kurzem war die überwiegende Mehrheit der Pornonutzer männlich, und diese Argumente machten Sinn, auch wenn es kaum empirische Belege dafür gab. In den letzten Jahren haben jedoch immer mehr Frauen Pornos konsumiert. Jetzt stellt sich also die Frage: Welche Art von Pornos wollen Frauen sehen?
Bisher ging man allgemein davon aus, dass Frauen an romantischen Szenen interessiert sind, in denen liebende Paare gezeigt werden, die auf die sexuellen Bedürfnisse des anderen eingehen - am besten mit sanfter Musik im Hintergrund. Mit dem Anstieg der weiblichen Pornozuschauer haben eine Reihe von Pornofirmen begonnen, solche "frauenfreundlichen" Inhalte zu produzieren. Aber ist das wirklich das, was Frauen wollen?
Jüngste Untersuchungen haben die gängige Meinung in Frage gestellt, dass Männer Gewaltpornos und Frauen romantische Pornos mögen. Aus Umfragen geht hervor, dass die meisten Männer von Gewaltpornos abgeschreckt werden, außerdem berichten zumindest einige Frauen, dass sie Darstellungen von Aggressionen gegen Frauen anregend finden. Dies deutet darauf hin, dass das Interesse an Gewaltpornos nicht so sehr ein Unterschied zwischen den Geschlechtern als vielmehr zwischen den Persönlichkeiten ist.
Um besser zu verstehen, welche Art von Menschen Gewaltpornos mögen, führte die Psychologin Eran Shor von der McGill University (Montreal, Kanada) Interviews mit 122 Personen durch, die ungefähr zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen bestanden. Ihre Ergebnisse stellen die gängige Meinung über die Pornovorlieben von Männern und Frauen in Frage.
Erstens stellte sie fest, dass viele Männer und Frauen keine Gewaltpornos mögen, da sie sich von Darstellungen von Aggressionen gegen Frauen abgeschreckt fühlen. Es war zwar zu erwarten, dass Frauen keine Gewaltpornos mögen würden, aber dieses Ergebnis stellt die These in Frage, dass Männer Frauen nur dominieren und als Sexobjekte benutzen wollen.
Kein Scheiß, Sherlock. Diese sexistische These steht tatsächlich "in Frage".
Shor stellt fest, dass viele der weiblichen Teilnehmerinnen zunächst jegliches Interesse an Gewaltpornos verneinten, bis sie im weiteren Verlauf der Befragung verstanden, dass der Interviewer auch einvernehmliche Aggression einschloss. Insgesamt gaben zwei Drittel der Frauen in dieser Studie an, dass sie zumindest einige Aggressionen in Pornos erregend fanden, und etwa die Hälfte gestand, dass sie manchmal auch "härtere" Formen der Aggression suchten.
Wichtig ist, dass diese Frauen darauf bestanden, dass sie sich bereits zu einvernehmlicher Aggression und Dominanz hingezogen fühlten, bevor sie anfingen, Pornos zu schauen. Mit anderen Worten: Sie suchten aktiv nach dem, was sie bereits interessierte, und entwickelten nicht erst eine Vorliebe dafür, nachdem sie es in Pornos gesehen hatten. Solche Enthüllungen stellen die Behauptung in Frage, dass das Ansehen von Gewaltpornos den Wunsch weckt, diese Art von Aggression mit Sexualpartnern auszuleben.
Die Frauen, die ein Interesse an Gewaltpornos bekundeten, machten auch deutlich, dass sie diese nicht immer mochten. Eine der Befragten drückte es so aus: "Es kommt auf die Stimmung an. Manchmal mag ich es, manchmal ekelt es mich an." Anstatt die Vorliebe für Gewaltpornos mit geschlechts- oder persönlichkeitsbedingten Unterschieden zu erklären, scheint es besser zu sein, sie als eine Art von Pornos zu betrachten, die viele Zuschauer gelegentlich genießen.
Viele der Frauen, die sagten, dass sie Gewaltpornos mögen, gaben auch an, dass sie sich danach oft schuldig fühlten. Hier sehen wir den Konflikt zwischen persönlichen Vorlieben und gesellschaftlichen Erwartungen. (…) Die menschliche Sexualität ist komplex und vielschichtig. Sich auf geschlechtsspezifische Stereotypen über sexuelle Vorlieben zu verlassen und bestimmte Handlungen als ekelhaft oder dekadent zu verbieten, hilft uns wenig, die ganze Bandbreite des menschlichen Sexualverhaltens zu verstehen. Insgesamt bringen die Befragten in dieser Studie eine gesunde sexuelle Einstellung zum Ausdruck, nämlich dass alles, was Erwachsene, die sich einig sind, im Privaten tun, in Ordnung ist und niemanden sonst etwas angeht.
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