Montag, März 28, 2022

Spiegel-Online: "Der Mann ist zu weich für die neue Wirklichkeit" – News vom 28. März 2022

1. Kaum ist in der Nähe Krieg, gibt es beim Gerede über "toxische Männlichkeit" eine Kehrtwende, und Spiegel-Online veröffentlicht einen Artikel, in dessen Teaser es heißt:

Der deutsche Großstadtmann kann kochen, trägt gepunktete Socken und hat sich von der Streitkultur seiner Väter verabschiedet. Ihm fehlt die nötige Härte für eine Welt, in der sich nicht jedes Problem wegdiskutieren lässt.


Danach beginnt bereits die Bezahlschranke, und sie stört mich diesmal nicht. Ich bin es so Leid, dass Männern immer wieder gesagt wird, warum sie jetzt schon wieder "falsch" sind, und dass sie beständig in unterschiedliche Richtungen gezerrt werden, was ihr Verhalten und ihre Persönlichkeit angeht.



2. In ihrem Artikel "Frau Fettnapf" beschäftigt sich Miriam Hollstein mit der mangelnden Eignung von Christine Lambrecht (SPD) zur Verteidigungsministerin. Ein Auszug:

Im Dezember kündigte Lambrecht in einem Interview in der "Bild am Sonntag" an, Frauenkarrieren in der Bundeswehr fördern zu wollen. Sie hoffe, dass es eine erste Frau General außerhalb des Sanitätsdienstes "hoffentlich in meiner Amtszeit" geben werde. Das sorgte für Kopfschütteln in der Truppe. Denn das wäre in der Praxis aufgrund des langen Vorlaufs für die Beförderung zum General laufbahnrechtlich gar nicht möglich. Das aber schien Lambrecht nicht bewusst zu sein.

(…) Sie soll auch deshalb den Zuschlag erhalten haben, weil Bundeskanzler Olaf Scholz aufgrund des öffentlichen Drucks Karl Lauterbach zum Gesundheitsminister machen musste und wegen der Geschlechterparität noch dringend eine Frau für ein Ministeramt benötigte. Die Juristin Lambrecht mit mehrjähriger Ministeriumserfahrung schien für die Bundeswehr, die auch ein riesiger Verwaltungsapparat ist, am besten geeignet. Außerdem galt das Ressort seit jeher als Schleudersitz, auf dem eh niemand etwas gewinnen kann.

Doch mehr noch als bei anderen Ministerien sind für die Führung des Verteidigungsministeriums viel Fachwissen und Strukturkenntnisse wichtig. Die brachten auch Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer nicht mit. Beide arbeiteten sich aber schnell und sehr zielstrebig ein. Lambrecht vermittelt im Haus hingegen das Gefühl, dass sie die Materie schlicht nicht interessiert.




3. Die Debatte, ob die Wehrpflicht zurückkehrt, hat sich immer noch nicht erledigt:

Der Krieg in der Ukraine treibt die Menschen in Deutschland um. Unter anderem diejenigen, die schon einmal im Einsatz waren für die Bundeswehr – die Reservisten. Michael Zimmermann ist Vorstandsmitglied in der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK). Er sagt, die Anfragen nach Beratung seien in den vergangenen Wochen massiv angestiegen.

Normalerweise gebe es von den Reservisten ein bis zwei Anfragen im Monat, jetzt seien es plötzlich bis zu zehn am Tag. "Sie bekommen angesichts des Krieges in der Ukraine Angst, dass die Nato doch eingreifen könnte und sie dann dran wären", sagt Zimmermann.

Aber es sind auch junge Menschen, die sich bei den Beratungsstellen per Telefon oder Internet melden. Sie wollen wissen, wie sie verweigern können - für den Fall, dass die Wehrpflicht nach mehr als zehn Jahren wieder eingesetzt wird. "Die Unsicherheit ist groß", sagt EAK-Geschäftsführer Wolfgang Burggraf.


Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hält eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für nicht umsetzbar:

In den vergangenen Jahren sei die Wehrpflicht "von innen heraus kaputtgemacht" worden, sagte er diese Woche bei einem Gespräch mit Parlamentsjournalisten in Saarbrücken. Es würde ewig dauern, überhaupt wieder Ausbildungsstrukturen zu schaffen. Laut Bundeswehr könnten junge Wehrpflichtige die speziellen Aufgaben in einer modernen Armee auch gar nicht ohne Weiteres erfüllen.

Unabhängig von der Wehrpflicht haben alle Menschen in Deutschland das Recht, den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern. Laut Gesetz müsste zwar jeder Mann zwischen 18 und 60 Jahren im Kriegsfall das Land verteidigen. Es kann aber niemand dazu gezwungen werden, auf Menschen zu schießen. Wer den Dienst an der Waffe verweigert, könnte zum Beispiel im medizinischen Bereich oder in anderen Dienste ohne Waffe eingesetzt werden.

(…) Eine Alternative zur Wehrpflicht könnte auch die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht sein. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) zum Beispiel befürwortet das – bei Hilfsorganisationen, sozialen Diensten, der Bundeswehr oder im ökologischen Bereich. Seiner Ansicht nach würden junge Frauen und Männer davon ebenso profitieren, wie die Gesellschaft insgesamt.




4. Unter der Schlagzeile "Warum hat Selenskyj keine Beraterinnen?" hat die Berliner Zeitung die schwedische Militärexpertin Annick Wibben dazu interviewt, was der Begriff "feministische Außenpolitik" konkret bedeutet. Ein Auszug aus dem Gespräch:

Berliner Zeitung: Wie unterscheidet sich feministische von traditioneller Außenpolitik?

Annick Wibben: (…) Wichtig ist in der feministischen Außenpolitik, dass die menschliche Sicherheit im Zentrum steht und strategische Interessen von Staaten auch mal hinterfragt werden. Die schwedische Vorstellung basiert auf drei Rs: Rechte, Ressourcen und Repräsentanz. Da geht es hauptsächlich darum, dass alles, was außenpolitisch passieren soll, vorab einer feministischen Analyse unterworfen wird. Praktisch ist dieser Ansatz aber oftmals minimal und es wird hauptsächlich geguckt, was mit den Frauen passiert. (…)

Berliner Zeitung: Was müsste feministische Rüstungspolitik oder Außenpolitik in der Ukraine konkret diskutieren?

Annick Wibben: Die Ukraine ist nicht unbedingt für ihre Gleichstellungspolitik bekannt. Die Rollen sind noch traditionell verankert, es gibt relativ viel häusliche Gewalt. Ein Beispiel wäre die Bürgermeisterin aus einer kleinen Stadt, die vor Beginn des Angriffskrieges viel dafür tat, Kleinwaffen aus dem Verkehr zu ziehen. Jetzt im Verteidigungsfall werden diese Waffen nun leider wieder notwendig. Aufgabe feministischer Politik ist es, wenn der Krieg irgendwann hoffentlich vorbei ist, dafür zu sorgen, dass diese Waffen wieder verschwinden. Das Schutzbedürfnis der Einzelnen – in diesem Fall der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und Kinder, nicht nur das des Landes – muss dann wieder diskutiert werden. Dafür müssen aber feministische Politikerinnen später auch am Verhandlungstisch sitzen. (…)

Berliner Zeitung: Der Krieg in der Ukraine begann nicht erst vor vier Wochen. Was hätte eine feministischere Außenpolitik seit 2014 anders machen müssen, um den Angriffskrieg zu verhindern?

Annick Wibben: Es ist nicht möglich, zu sagen, dass eine feministische Außenpolitik diesen Krieg hätte verhindern können. Die EU fördert bereits seit Jahren verschiedene Gleichstellungsprojekte in der Ukraine. Viele Ideen feministischer Außenpolitik – zum Beispiel, dass das Sicherheitsinteresse der Individuen im Zentrum steht – fanden sich da wieder.




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