Genderama-Neujahrsgruß 2022: Extralanger Blogbeitrag mit Meldungen, die ihr vielleicht verpasst habt
Ich wünsche euch allen ein frohes neues Jahr – und danke allen von euch sehr herzlich, die Genderama in den letzten Wochen durch Spenden und freundliches Feedback unterstützt haben. Es mag ein wenig seltsam klingen, wenn man ein Blog mittlerweile fast zwanzig Jahre lang führt, aber ich frage mich bei jedem Jahreswechsel, ob viele von euch Genderama immer noch für so notwendig und hilfreich halten, dass sie es subventionieren.
Erfreulicherweise habt ihr auch diesmal wieder eine klare Botschaft gesendet: Eure Spenden waren wieder wirklich stark. Ich freue mich sehr sowohl über die finanzielle Hilfe als auch über die Anerkennung meiner Arbeit, die damit verbunden ist. Ihr seid super!
Weil ich nie vollständig in den Blogger-Urlaub gehe, habe ich auch in den letzten drei Wochen erwähnenswerte Meldungen gesammelt, die man meiner Ansicht nach trotz der Genderama-Pause nicht unter den Tisch fallen lassen sollte.
1. Die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigt einen Vorstoß für eine europaweite Frauenquote von mindestens 40 Prozent an. Hierfür soll ein vor Jahren auf Eis gelegter Gesetzesvorschlag wiederbelebt werden. Mit der neuen Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP bestehe Hoffnung, dass Deutschland seinen Widerstand aufgebe, befindet die CDU-Politikerin: "Es ist an der Zeit, dieses Dossier voranzubringen", sagte von der Leyen mit Blick auf das seit zehn Jahren von mehreren EU-Ländern blockierte Vorhaben.
2. "Der Mann, der sich komplett um die Kinder kümmert, erfährt auch Diskriminierung" befindet die neue grüne Familienministerin Anne Spiegel:
Mein Mann hat schon bei der Geburt unserer ersten Tochter seinen Job aufgegeben. Bei uns ist also ein bisschen sehr umverteilt worden (lacht). Und wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Mann, der komplett zu Hause ist und sich um die Kinder kümmert, auch Diskriminierungserfahrungen macht – etwa, wenn ihm im Café überfürsorgliche Mütter zeigen wollen, wie man einem Baby die Flasche gibt.
Diese Umverteilung möchte Spiegel auch insgesamt durchsetzen:
"Eine gleichberechtigte und zukunftsorientierte Partnerschaft bemisst sich daran, dass Männer selbstverständlich die Hälfte der Familien- und Hausarbeit machen." Es brauche daher eine neue "Umverteilungsdebatte", wie Männer mehr im Haushalt helfen und ihre Frauen leichter Karriere machen können.
Die Reaktionen der Deutschen zeigen sich in einer INSA-Umfrage: Eine Mehrheit von 61 Prozent findet, dass sich der Staat aus solchen Angelegenheiten raushalten sollte. 83 Prozent derjenigen, die in gemeinsamen Haushalten leben, sind mit der von ihnen vorgenommenen Verteilung der Hausarbeiten zufrieden.
Birgit Kelle kommentiert Spiegels Vorstoß süffisant in der "Weltwoche".
Auf die Frage, was sie für Trennungskinder tun wolle, antwortet Spiegel:
Vor allem wollen wir die Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und Eltern dabei helfen, das für sie richtige Betreuungsmodell zu finden, zum Beispiel das Wechselmodell.
Damit greift die neue Frauenministerin eine Forderung der Väter- beziehungsweise Männerrechtsbewegung auf.
3. Das Forum Soziale Inklusion, das sich um die Anliegen beider Geschlechter kümmert, mahnt bei Anne Spiegel längst überfällige Reformen vor allem im Familienrecht ein.
4. Thomas Gesterkamp bewegt sich in seinem bekannten Fahrwasser und poltert dagegen, dass das Forum Soziale Inklusion wenn schon nicht vom Bund, dann zumindest von Bayern mit Fördergeldern bezuschusst wird: "Geld vom Staat für 'Männerrechtler'? Den Bayern gefällt's" heißt sein aktueller Beitrag in der Wochenzeitung "Freitag". In Genderfragen polemisiert Gesterkamp, lebe der Freistaat hinterm Mond. Nur dort könne das Forum Soziale Inklusion "seine reaktionären Thesen verbreiten". Wie im Rechtspopulismus tarne der Verein seine "rückwärtsgewandten Positionen", nämlich "mehr Rechte für Väter, die nach einer Scheidung über den erschwerten Zugang zu ihren Kindern klagen." Glücklicherweise stünden in der Ampelkoalition die Chancen für weitere Unterstützung schlecht.
Thomas Gesterkamp gehört zum Umfeld des staatlichen Bundesforums Männer, das sich in einer Konkurrenz mit dem Forum Soziale Inklusion sieht.
5. Auf Web.de findet man einen Beitrag über die Benachteiligung von Vätern beim Sorge- und Umgangsrecht für ihre Kinder und wie Kritiker um eine Verbesserung kämpfen, die in anderen europäischen Ländern bereits gegeben ist.
6. Auch anderweitig tobt der "Rechtspopulismus": Der Schweizer SRF beschäftigt sich mit Eltern-Kind-Entfremdung; dasselbe tut Spotify mit dem Beitrag "Manipulierte Trennungskinder: Wenn der Papa zum Buhmann wird".
7. Ein Vater stand dieser Tage in Neubrandenburg vor Gericht, weil er sich jahrelang der Zahlung des Unterhalts für seine beiden Töchter verweigert haben soll. Das Ungewöhnlich an diesem Fall: Sowohl der Richter als auch seine Ex-Frau haben volles Verständnis für ihn.
8. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens baut ihr Programm für von Gewalt betroffene Männer weiter aus. Anfang kommenden Jahres sollen sich die Plätze in Schutzwohnungen auf 16 verdoppeln.
9. Die Journalistin Jana Sepehr schildert, inwiefern alleinstehende männliche Flüchtlinge bei Hilfsangeboten oft durchs Raster fallen.
Für Familien, Kinder und Frauen wird eher gespendet und sie erhalten leichter konkrete Hilfsangebote. Sie gelten als vulnerabel – alleinstehende Männer nicht. Sie werden oft als gewalttätig stereotypisiert, vor allem wenn sie verärgert und wütend auf ein diskriminierendes System reagieren.
Gut, das trifft auch auf uns Männerrechtler zu. Wir werden mitunter sogar als "militant" oder "radikal" etikettiert, weil wir von Benachteiligungen nicht begeistert sind.
Jana Sepehr berichtet weiter, wie sie und ihre Kollegen sich für die geflüchteten Männer engagieren:
Wir bieten alleinstehenden Männern psychologische Einzelgespräche an. Die meisten Männer in unserem Projekt zeigen traumabezogene Symptome wie Schlaflosigkeit, Panikattacken, depressives Verhalten, Hoffnungslosigkeit, selbstverletzendes Verhalten und vermehrt auch Suizidgedanken. Wir sind bemüht, den Männern einen sicheren Raum in einer unsicheren Umgebung zu gewähren, in welchem sie für ihre Gefühle, Gedanken und ihr Verhalten nicht verurteilt werden. Stattdessen wollen wir ihre Gefühle anerkennen und sie darin unterstützen, ihr Selbstwertgefühl wiederherzustellen.
10. Per Rundmail erreichte mich letzte Woche folgende Info, die auch zur Veröffentlichung auf Genderama freigegeben ist:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit laden wir ein zum Online-Vortrag mit Diskussion zur Wiener Männerstudie: "Männerrechtler und Geschlechtergerechtigkeit - passt das zusammen?" am Mittwoch, den 19.1.2022 von 19:00 - 20:30 Uhr.
Zoom-Webinar, kostenfrei. Wegen Teilnehmerzahlbeschränkung ist eine formlose Anmeldung erforderlich an sebastian.meding@liberale-maenner.de
Kurzbeschreibung: Im Geschlechterverhältnis hat sich in den westlichen Gesellschaften während der vergangenen Jahrzehnte viel verändert. Gleichgeblieben ist nur der Mangel an Empathie für und der Respekt vor Männern.
Braucht es daher eine eigenständige Männerrechtsbewegung, und wie kann sie gestaltet werden? Derart grundsätzliche Fragen könnten die politische Reaktion auf eine sozialwissenschaftliche Studie zur Geschlechtergerechtigkeit sein, die der Club of Vienna, die Denkfabrik der Stadt Wien, veröffentlichte. Johannes Meiners stellt die Forschungsergebnisse vor. Im Mittelpunkt steht der Maskulismus: Seine Themen, Ziele und Repräsentanten. Dabei geht Meiners auch auf Geschichte und Strömungen ein, Zahlen, Daten und Fakten rund um die Männerrechtsbewegung. Welche Rolle könnte die (deutschsprachige) Männerrechtsbewegung in künftigen Diskursen wie im öffentlichen Raum einnehmen?
Weitere Webinare:
Mi., 16.02.: Männergesundheit
Mi., 16.03.: "Gender"-Sprache
Mi., 20.04.: Eltern-Kind-Entfremdung
11. Männer zwischen 40 und 80 Jahre sterben einer deutschen Studie zufolge, über die unsere Leitmedien nicht berichten, häufiger nach Operationen als Frauen:
Bei Männern mittleren Alters ist die Wahrscheinlichkeit, nach einer Operation zu sterben, um etwa 50 % höher als bei Frauen mittleren Alters, so das Ergebnis einer neuen Studie, die auf der diesjährigen Euroanaesthesia vorgestellt wird. Die Untersuchung von mehr als 100 000 nicht-kardiologischen Patienten in einem führenden deutschen Krankenhaus ergab, dass die Sterblichkeitsrate bei Männern in den 40er und 50er Jahren sowie bei Männern in den 60er und 70er Jahren höher ist.
Bei dem erwähnten Krankenhaus handelt es sich um das Klinikum der Technischen Universität München. Hier erfährt man mehr über die Untersuchung.
12. Eine weitere neue Studie sagt das Scheitern der Gendersprache voraus:
Gender-Sprache "zielt als autoritär-feministisches Projekt in erster Linie darauf ab, Männer sprachlich weniger sichtbar zu machen", warnt Professor Dr. Michael Klein (Köln) in einer psychologischen Studie. Er erwartet das Scheitern der "Sprach-Marotte". Gemeinsam mit dem Kulturwissenschaftler Hendryk von Reichenberg beschreibt er die Hintergründe im aktuellen Sachbuch "Das Ende der Gender-Sprache".
Nach den Einschätzungen der Autoren ist die Gender-Sprache "kein Produkt einer intellektuellen oder sprachwissenschaftlichen Analyse - und besitzt keine wissenschaftliche Basis. Gender-Sprech schafft Ungerechtigkeiten, nimmt keine Rücksicht auf Behinderte, sozial Benachteiligte, Migranten, Diverse" und andere.
Michael Klein: "Die Gender-Bewegung ist im Kern eine kleine Gruppe in gesellschafts- und erziehungswissenschaftlichen Fachbereichen der Hochschulen. Dort gibt es inzwischen mit staatlicher Förderung mehr als 220 Gender-Professuren. Dadurch ist eine starke, gut vernetzte Powergroup entstanden, die in Kooperation mit mehr als 2000 Gleichstellungsbeauftragten die Gender-Sprache propagiert" und unter Umständen autoritär verordnet.
(…) Die Bevölkerungsmehrheit nimmt die häufig verordnete Gender-Sprache mit einer Mischung aus Ignoranz, Spott und Aversion wahr. "In der deutschen Kultur ist die Obrigkeitshörigkeit tief verankert. Dies gilt auch für vermeintlich progressive und linke Gruppierungen. Im Bereich der Gender-Sprache kann sich erweisen, zu wieviel zivilem Ungehorsam die Deutschen in der Lage sind," schreibt Michael Klein und zeigt sich optimistisch: Der Buchtitel enthält bereits seine psychologisch begründete Prognose.
13. Dieter Hallervorden stellt klar, dass er von solcher Obrigkeitshörigkeit wenig hält, und legt in seiner Kritik an der Gendersprache noch einmal nach:
"Wie kommt eine politisch motivierte Minderheit dazu, einer Mehrheit vorschreiben zu wollen, wie wir uns in Zukunft auszudrücken haben? Die deutsche Sprache als Kulturgut gehört uns allen. Keiner hat ein Recht, darin herumzupfuschen. Sprache entwickelt sich von allein, aber nicht auf Druck von oben. Gendern ist – wie ein weiser alter Mann wie Joachim Gauck sagte – 'betreutes Sprechen'. Ich und viele mit mir brauchen keine Erziehung zu Sensibilität."
14. Auch Jürgen von der Lippe hat zu diesem Thema eine klare Meinung:
"Es ist doch ein Skandal, dass Universitäten verlangen, dass Arbeiten von den Studenten gegendert und so in einem falschen Deutsch eingereicht werden", sagte der Entertainer der Bild am Sonntag. "Es entsteht der Eindruck, dass es eine breite Bewegung wäre. Aber das Gegenteil ist der Fall. Je nach Umfrage wollen bis zu 91 Prozent der Deutschen nicht gendern." Am meisten regen ihn demnach "die sinnfreien Partizipien" auf. Von der Lippe: "Der Bäcker ist ein Backender, wenn er in der Backstube steht. Wenn er auf dem Klo sitzt, dann nicht mehr."
(…) Außerdem frage er sich, was mit all den anderen Menschen sei, die benachteiligt seien. Solle für die auch etwas eingeführt werden? "Ein Emoji vielleicht? Das stimmt doch alles hinten und vorne nicht. Warum bleiben wir nicht einfach beim generischen Maskulinum, da kann sich jeder zu Hause fühlen."
(…) Er bekenne, "ein alter weißer Mann" zu sein, der als Wurzel von Übeln wie Kolonialismus und Klimawandel ausgemacht sei, führte von der Lippe aus – wohl um Kritik vorwegzunehmen. "Nur wenn man es als Dreifach-Diskriminierung nutzt, ist es unzulässig. Denn ich darf wegen meines Alters, meiner Hautfarbe und meines Geschlechts nicht beleidigt werden. Da muss schon gleiches Recht für alle gelten."
Für ihn sei das Gendern eine Veränderung der Sprache "von oben", betonte von der Lippe in dem Interview. Doch Sprache ändere sich "von unten". Ausnahme sei "das Beamtendeutsch. Wer sich so etwas wie 'Personenvereinzelungsanlage' ausdenkt, ist vielleicht auch vom Gendern begeistert. Wissen Sie, was das ist? Nein? Ein Drehkreuz."
15. Im Dresdner Stadtbezirksbeirat Loschwitz wurde kürzlich eine gegenderte Vorlage des Rathauses wegen "Nicht-Lesbarkeit" abgelehnt. Ausschlaggebend dafür waren Sternchen in Wörtern wie "Zuwendungsempfänger*innen" sowie Formulierungen wie "Besitzhabende Personen" statt, wie wir Boomer früher sagten, schlicht "Besitzer". Gegen das ideologisch korrekte Kauderwelsch hatte sich der Ex-CDU-Stadtrat und Stadtbezirksbeirat Helfried Reuther (71) ausgesprochen, und obwohl er doch nur ein "alter weißer Mann" war, war ihm die Mehrheit zu seiner Überraschung gefolgt. Abweichende Stimmen gab es etwa vom Stadtbezirksbeirat Martin Jehne (Grüne), der dieser Mehrheit vorwirft, "weit ab vom rationalen Denken" zu sein.
16.
Vor drei Jahren kam heraus, dass der "Spiegel"-Journalist Claas Relotius Reportagen fälschte. Jetzt hat das "heute journal" enthüllt, wie dem Hamburger Magazin so etwas passieren konnte: Es waren die Männer und ihr Testosteron-Spiegel. Das muss natürlich Konsequenzen haben.
Hier geht es weiter.
Wir kommen zu Meldungen aus dem Ausland.
17. Österreichs Frauenministerin steht unter schwerem Plagiatsverdacht:
"Zahlreiche Plagiate und Quatsch" hat "Plagiatsjäger" Stefan Weber eigenen Angaben zufolge in der Diplomarbeit von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) gefunden, wie er am Freitag in seinem Blog schrieb. Sie habe die wissenschaftlichen Grundregeln ihres Fachs nicht beherrscht. Im Büro der Ministerin sprach man von an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen, die man nicht kommentiere.
An den Haaren herbeigezogen? Der Standard hat sich das näher angeschaut und gelangt zum gegenteiligen Eindruck:
Immer wieder finden sich über mehrere Sätze hinweg Formulierungen, die fast oder ganz wortgleich in früher erschienenen Werken auftauchen. Mitunter hat Raab dabei auch die Quellenverweise mitübernommen, sodass es so wirkt, als hätte sie selbst Literaturarbeit geleistet. Am Ende solcher Absätze finden sich weder Fußnoten noch andere Hinweise, dass es sich um übernommene Aussagen und Gedanken handelt.
Gibt es eigentlich schon die ersten Beschwerden, dass derartige Überprüfungen frauenfeindlich sind?
18. Ein Australier muss wegen ausbleibender Unterhaltszahlungen 8000 Jahre lang in Israel bleiben. Wie die Welt wohl aussehen wird, wenn er das gelobte Land endlich verlassen darf?
19. Kamala Harris, die Vizepräsidentin der USA, sieht ihre negative Darstellung in den Medien darin begründet, dass sie kein weißer Mann ist.
Damit ist ein neuer Rekord erreicht, wie weit man inzwischen aufsteigen kann, um sich wegen seiner Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht immer noch als Opfer zu fühlen: bis zur Vizepräsidentin der USA. Was weiße Männer von den Medien aushalten müssen, wenn sie sich für ihre Anliegen politisch engagieren, ahnt Harris mit Sicherheit nicht einmal.
20. In der englischsprachigen Wikipedia gibt es jetzt ein Projekt für die politischen Anliegen von Männern.
21. Hierzulande werden die nach wie vor kreuzbraven und engelsgeduldigen Männerrechtler unter anderem deshalb angefeindet, weil sie "antifeministisch" seien. Wie echte Antifeministen aussehen, berichtet die New York Times mit Blick auf Südkorea:
Sie sind immer dann aufgetaucht, wenn Frauen in Südkorea gegen sexuelle Gewalt und geschlechtsspezifische Vorurteile demonstriert haben. Dutzende junger Männer, meist schwarz gekleidet, verhöhnten die Demonstranten, kreischten und skandierten "Thud! Thud!", um das Geräusch zu imitieren, das ihrer Meinung nach die "hässlichen feministischen Schweine" machten, wenn sie liefen.
"Raus mit den Männerhassern!", riefen sie. "Feminismus ist eine Geisteskrankheit!"
Auf der Straße würde man solche Kundgebungen leicht als extreme Rhetorik einer Randgruppe abtun. Doch die antifeministischen Äußerungen werden im Internet verstärkt und finden ein großes Publikum, das seine Vorstellungen zunehmend in der südkoreanischen Gesellschaft und Politik durchsetzt.
Diese männlichen Aktivisten haben alles ins Visier genommen, was nach Feminismus riecht, und eine Universität gezwungen, eine Vorlesung einer Frau abzusagen, die sie beschuldigten, Männerhass zu verbreiten. Sie haben prominente Frauen verunglimpft und An San, eine dreifache Goldmedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen in Tokio, wegen ihres Kurzhaarschnitts kritisiert.
Sie haben Unternehmen mit Boykott gedroht und sie dazu veranlasst, Anzeigen mit dem Bild von zusammengeführten Fingerspitzen zurückzuziehen, die ihrer Meinung nach die Größe der männlichen Genitalien lächerlich machen. Und sie haben die Regierung ins Visier genommen, weil sie sich für eine feministische Agenda einsetzt, was den konkurrierenden Präsidentschaftskandidaten das Versprechen entlockte, das 20 Jahre alte Ministerium für Geschlechtergleichstellung und Familie zu reformieren.
Südkorea sieht sich mit einer neuen Art von politischer Korrektheit konfrontiert: Sie wird von wütenden jungen Männern durchgesetzt, die sich gegen alle Kräfte wehren, die ihrer Meinung nach ihre Chancen untergraben - und Feministinnen sind in ihren Augen der Feind Nr. 1. Ungleichheit ist eines der heikelsten Themen in Südkorea, einer Nation, deren wirtschaftliche Unsicherheit durch ausufernde Immobilienpreise, einen Mangel an Arbeitsplätzen und eine sich vergrößernde Einkommenskluft noch verstärkt wird. (...) Familien kümmern sich jetzt um ihre Töchter. Mehr Frauen als Männer besuchen das College, und sie haben mehr Möglichkeiten in der Regierung und anderswo, obwohl die gläserne Decke nach wie vor groß ist.
"Männer in ihren 20ern sind zutiefst unglücklich, sie sehen sich als Opfer einer umgekehrten Diskriminierung und sind wütend darüber, dass sie den Preis für die Geschlechterdiskriminierung früherer Generationen zahlen mussten", so Oh Jae-ho, Forscher am Gyeonggi Research Institute in Südkorea.
Während ältere Männer Frauen als schutzbedürftig ansahen, betrachteten jüngere Männer sie als Konkurrenten auf einem hart umkämpften Arbeitsmarkt.
Antifeministinnen weisen häufig darauf hin, dass Männer benachteiligt werden, weil sie ihre Berufstätigkeit aufschieben müssen, um ihren obligatorischen Militärdienst zu absolvieren. Doch viele Frauen scheiden nach der Geburt eines Kindes aus dem Berufsleben aus, und ein Großteil der häuslichen Pflichten fällt ihnen zu.
"Was willst du noch? Wir haben dir deinen eigenen Platz in der U-Bahn, im Bus, auf dem Parkplatz gegeben", schreibt der männliche Rapper San E in seinem 2018 veröffentlichten Song "Feminist", der unter jungen Antifeministen Kultstatus genießt. "Oh Mädchen brauchen keinen Prinzen! Dann zahl die Hälfte für das Haus, wenn wir heiraten."
Der Geschlechterkampf hat das südkoreanische Präsidentschaftsrennen, das vor allem als Wettbewerb für junge Wähler gesehen wird, durchdrungen. Keiner der Kandidaten setzt sich für die Rechte der Frauen ein, die einst so populär waren, dass Präsident Moon Jae-in sich selbst als "Feminist" bezeichnete, als er vor fünf Jahren Wahlkampf machte.
Yoon Suk-yeol, der Kandidat der konservativen Oppositionspartei People Power Party, schlug sich auf die Seite der antifeministischen Bewegung, als er das Ministerium für Geschlechtergleichstellung beschuldigte, Männer wie "potenzielle Sexualverbrecher" zu behandeln. Er versprach härtere Strafen dafür, Männer zu Unrecht eines Sexualverbrechens zu beschuldigen, obwohl er befürchtete, dass dies Frauen davon abhalten würde, ein solches Verbrechen zur Anzeige zu bringen.
Aber Yoon hat im vergangenen Monat auch eine prominente 31-jährige Anführerin einer feministischen Gruppe als leitende Wahlkampfberaterin eingestellt, um die Befürchtungen zu zerstreuen, dass seine Partei junge Wählerinnen verprellt.
Nach dem Gesetz kann Herr Moon nicht zur Wiederwahl antreten. Der Kandidat seiner Demokratischen Partei, Lee Jae-myung, hat ebenfalls versucht, junge Männer anzusprechen, indem er sagte: "Genauso wenig wie Frauen aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden sollten, sollten Männer diskriminiert werden, weil sie Männer sind."
(...) Auf der anderen Seite des Kulturkampfes stehen junge Männer mit einer Litanei von Beschwerden - Sorgen, die in von Männern dominierten Foren endlos wiedergekäut werden. Sie haben sich insbesondere auf Fälle von Falschbeschuldigungen fixiert, um einer breiteren antifeministischen Agenda Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Son Sol-bin, ein Gebrauchtmöbelverkäufer, war 29 Jahre alt, als seine ehemalige Freundin ihn 2018 der Vergewaltigung und Entführung beschuldigte. Online-Trolle forderten seine Kastration, sagte er. Seine Mutter fand Videomaterial, das beweist, dass die angeblichen Übergriffe nie stattgefunden haben.
"Der feministische Einfluss hat dazu geführt, dass das System so voreingenommen gegen Männer ist, dass die Polizei die Aussage einer Frau und einen einzigen Tropfen ihrer Tränen als ausreichenden Beweis ansah, um einen unschuldigen Mann ins Gefängnis zu bringen", sagte Herr Son, der acht Monate im Gefängnis verbrachte, bevor er freigesprochen wurde. "Ich glaube, das Land ist verrückt geworden.
Als Herr Son kürzlich bei einer antifeministischen Kundgebung mit den Tränen kämpfte, skandierten andere junge Männer: "Sei stark! Wir sind bei dir!"
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