Montag, Dezember 13, 2021

Neue Zürcher Zeitung: "Haben wir vor lauter Girlpower die jungen Männer vergessen?" – News vom 12. Dezember 2021

1. In einem aktuellen Artikel verwendet die Neue Zürcher Zeitung die steigende Jugendgewalt als Anhänger für die Frage, ob es wirklich so sinnvoll war, Geschlechterpolitik nur auf die Anliegen eines Geschlechts auszurichten. Ein Auszug:

Auch wenn seit fünf Jahren nur etwas mehr als zwei Prozent aller Jugendlichen in der Schweiz straffällig werden: Die Delikte dieser Randgruppe sind zahlreicher und schwerwiegender geworden. Das hat zur Folge, dass das Niveau der Schweizer Jugendkriminalität 2020 um mehr als ein Drittel höher war als noch vor fünf Jahren. In Zürich etwa verübte letztes Jahr im Schnitt jeden Tag ein Minderjähriger eine schwere Straftat. Die meisten Delikte werden immer noch von männlichen Minderjährigen mit Migrationshintergrund aus urbanen Gebieten begangen. Zugenommen haben aber unterdessen auch die schweren Delikte von Schweizer Teenagern. Und so geht nun eine neue Angst geht um: Statt bloss um die Töchter sorgen sich Eltern nun auch um ihre Söhne.


Das alte Problem: Um damit gehört zu werden, dass sie Probleme haben, müssen Männer erst mal Probleme machen. Und daraufhin wundern sich die Verantwortlichen für unsere einseitige Geschlechterpolitik, dass Männer aggressiver auftreten als Frauen.

Mütter und Väter erzählen, dass sie sich zu Hause fast noch mehr um den Sohn als um die Tochter ängstigen, wenn er nachts unterwegs ist.


Aus gutem Grund: Während eine Kampagne nach der anderen gegen Gewalt an Frauen gefahren wird, zeigt die Kriminalstatistik seit Jahrzehnten, dass die meisten Opfer von Gewalt männlich sind.

Weil Mädchen sich besser organisieren beim Heimgehen oder im Klub Hilfe holen können, wenn sie belästigt werden. Aber die Jungs sind allein und gleich doppelt gefährdet: Sie können auf der Strasse jederzeit sowohl zu Tätern als auch zu Opfern werden. Fast jeder Teenie-Junge weiss eine Geschichte zu erzählen: von "Gangs" aus anderen Stadtkreisen, die sie "ausgenommen" hätten, da ein gezücktes Messer, dort eine Massenschlägerei. Schon Dreizehnjährige halten den Blick gesenkt, je nachdem, wo sie sind. Viele kennen jemanden, der schon spitalreif geprügelt wurde, weil er das falsche Fantrikot trug. Oder seine Nike-Sneakers nicht hergeben wollte. Zum Allgemeinwissen gehört, dass ein "Penalty" nichts mit Eishockey zu tun hat, sondern ein Fusstritt ist – in den Kopf einer Person, die bereits am Boden liegt.

Was ist bloss los mit diesen jungen Männern? Warum ist Gewalt wieder cool? Fragt man nach bei Kantonspolizistinnen, Jugendanwälten und Sozialarbeiterinnen, werden sperrige Begriffe wie "Perspektivenlosigkeit" und "Chancenungleichheit" bemüht. Oder aber "Langeweile" und "Wohlstandsverwahrlosung", denn die Gewalt geht durch alle sozialen Schichten. So richtig erklären kann sich die neue Gewaltbereitschaft niemand.


Bis auf die Leute natürlich, die dicke Bücher über die Vernachlässigung unserer Söhne geschrieben haben, aber die zählen in der medialen Geschlechterdebatte ja tatsächlich als "niemand" und finden auch politisch kein Gehör.

Auf den zweiten Blick allerdings stellt man fest, dass alle sich im Regenbogen der LBGTQI-Bewegung finden können ausser die heterosexuellen Männer. Viele von ihnen fühlen sich offenbar von der woken Bewegung nicht abgeholt oder sogar provoziert. Sie essen Burger von McDonald’s, shoppen am Black ­Friday Billigmode, finden Dinge "schwul" und spielen "Fight Club" in den Strassen. Für junge Männer scheint es schwieriger geworden zu sein, ihre Rolle zu finden. Oder in ihren Worten: "Wenn du diese selbstbestimmte junge Frau bist, welcher Mann soll ich dann sein?" Kann es sein, dass wir vor lauter Girlpower die jungen Männer vergessen haben?


Wenn schon Jungen vom Kinderbett an eingetrichtet wird, dass Männlichkeit per se toxisch ist und Männer wandelnde Probleme oder Monster darstellen: Was erwartet man denn ernsthaft, wie sich diese Jungen zum Mann entwickeln werden?

"Was unsere Gesellschaft schon immer beunruhigt hat, sind junge Männer, die in Gruppen auftreten", sagt Dirk Baier, der Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. (…) Diese Gruppendynamik sei nicht neu, was sich aber verändert habe, sei der Blick auf die jungen Frauen. Seit #MeToo ist der Fokus vermehrt auf sie gerichtet, da sei ja auch Schlimmes passiert. "Die Frauen haben sich eine Stimme gegeben, sich als Opfer von Belästigungen und sexuellen Übergriffen geoutet. Die dulden das nicht mehr einfach so."


Männer haben sich auch eine Stimme gegeben und versuchen damit seit zwei Jahrzehnten, Aufmerksamkeit für ihre Anliegen und ihr Leiden zu erhalten. In der Neuen Zürcher Zeitung ist von dieser Männerrechtsbewegung indes nichts zu lesen.

"Ehrlich gesagt, habe ich mir die Daumen gedrückt, dass wir eine Tochter bekommen. Ich finde es gerade leichter, ein Mädchen zu haben", gesteht Dirk Baier. "In der Ausdrucksweise von Männlichkeitsbildern und darin, wie die Gesellschaft damit umgeht, befinden wir uns leider immer noch im Blindflug."


Es würde helfen, einfach die Augen zu öffnen.

Das sieht man etwa an der Wirkungskraft eines gestreckten Mittelfingers. Zeigt sich eine junge Frau mit Schmollmund und provokativ ausgestrecktem Stinkefinger auf Instagram, finden wir das stark und selbstbewusst, höchstens aufmüpfig. Macht dasselbe ein junger Mann mit grimmigem Blick und Boxerfrisur, wirkt er asozial und bekommt keine Lehrstelle.

(…) Für den Jugendpsychologen Carmelo Campanello ist klar: "Es gibt auf der einen Seite die Jungs, die sich über die LGBTQ-Bewegung informieren – und auf der anderen diejenigen, die ‹Der Bachelor› schauen." (…) Einige von «seinen Jungs» hätten in ihrem kurzen Leben aus Wut bereits schlimme Dinge getan. "Vor ihrer Wut stand oft eine Verletzung, der eigentlich eine Trauerphase folgen sollte." Aber viele Jungs gehen direkt in den Kampfmodus. Etwas anderes hätten sie nie kennengelernt, kämen die meisten doch aus zerrütteten Familienverhältnissen. Ihre Perspektiven waren von Geburt weg nicht rosig. Um Verzweiflung und Hilflosigkeit bauen sie einen Wall von Männlichkeit, um stark zu wirken. Dabei sei ihr Selbstwert am Boden. "Die meisten haben die Schule oder die Lehre hingeschmissen und fühlen sich in unserer Gesellschaft als Versager."


Sachkundige Hilfe ist hier seit langer Zeit überfällig. Und nicht nur, weil man andernfalls selbst Angst vor einem Überfall haben muss.



2. In Australien ist ein Junge nach einer Genitalverstümmelung in einer Klinik verstorben.



3. "Es ist Zeit für eine Männergesundheitsstrategie" befindet Doris Bardehle, Koordinatorin des Wissenschaftlichen Beirates der Stiftung Männergesundheit. An der Erarbeitung dieser Strategie müssten die im Bundestag vertretenen Parteien beteiligt werden.



4. Das Hamburger Landgericht hat Teile des "Spiegel"-Berichts "Die Akte Mockridge" für unzulässig erklärt. Dieser verstoße gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung, verletze die Persönlichkeitsrechte des Comedians und stelle unzulässige "Verdachtsberichterstattung" dar.



5. Nach dem Gutachten der Uni Kassel, das Medienberichten zufolge, das Punktabzug für mangelndes Gendern für zulässig erklärt, gibt es in diesem Konflikt noch immer keine Lösung:

Nun heißt es im Gutachten: Voraussetzung für die Berücksichtigung geschlechtergerechter Sprache bei Prüfungsleistungen sei "ein hinreichender fachlicher" oder "berufsqualifizierender Bezug". Die Bewertung, ob jemand Gendersternchen und Co. verwende, dürfe jedoch nicht willkürlich sein. Der "Antwortspielraum des Prüflings" müsse respektiert werden.

Zudem dürfe Studierenden ein "abweichender Sprachgebrauch nicht zum Nachteil gereichen", heißt es vonseiten der Uni, die sich durch das Gutachten in "früheren Einschätzungen" bestätigt sieht.

Ganz anders bewertet dies der Verein Deutsche Sprache, der das Vorgehen der Uni bereits im März kritisiert hatte. Aus der Stellungnahme der Uni liest Geschäftsführer Holger Klatte eindeutig heraus, "dass die geschlechtergerechte Sprache in der Regel nicht zur Benotung herangezogen werden darf" – allenfalls wenn sie etwa zum Studieninhalt gehöre wie bei der Sozialpädagogik

Klatte urteilt: „Das Gutachten gibt nicht das her, was sich die Universität erhofft hatte.“ Darum müsse man die Stellungnahme der Universität auf deren Webseite aufwendig suchen: "Vielleicht wollte man nicht zu viel Wind machen."

Auch Student Honemann wertet das Gutachten als "halben Sieg" für sich. Enttäuschend findet der Nachwuchspolitiker aus Grebenstein, dass die Uni das Gutachten zurückhält: "So wird alles nur noch komplizierter."


In einem Artikel für "Die Welt" beschäftigt sich Horst Haider Munske, Professor für Germanische und Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg mit diesem Fall. Ein Auszug:

Es ist geradezu lächerlich, was zum jüngsten Wellenschlag in der Genderfrage geführt hat. Es ist das Wintersemester 2018/19. Ein 17-jähriger Student, Erstsemester an der Universität Kassel, noch unvertraut mit den Sprachregelungen seiner Universität, benutzt in einem Prüfungstext das generische Maskulinum der Jugendliche und wird vom Korrektor gerügt, es müsse – geschlechtergerecht – die Jugendlichen heißen.

Es gibt deswegen einen Punktabzug, der Student beschwert sich bei der Universitätsleitung und wird beschieden, dies sei zulässig. Es stehe "Lehrenden grundsätzlich frei, die Verwendung geschlechtergerechter Sprache als ein Kriterium bei der Bewertung von Prüfungsleistungen heranzuziehen", so der universitätsamtliche Wortlaut.

(…) Mehrere Punkte sind relevant: Erstens: Dürfen Universitäten überhaupt Sprachvorschriften erlassen und deren Nichtbefolgung sanktionieren? Sind solche Empfehlungen, wie sie sich zumeist nennen, nicht eigentlich Verpflichtungen, selbst wenn sie nicht strafbewehrt sind? Wird auf diese Weise nicht der Versuch unternommen, das Gendern gegen die bekannte mehrheitliche Ablehnung der deutschen Bevölkerung durchzusetzen?

Konkreter ist zu fragen: An wen sind diese Vorgaben gerichtet? An die Angestellten und Beamten aus Forschung, Lehre und Verwaltung oder an alle Mitglieder, eben auch an alle Studierende?

Man kann den Spieß in dieser Sache übrigens auch umdrehen. Bisher ging es um die Frage, ob Gendern von Studierenden verlangt werden könne und ob bei Nichtbefolgung eine Sanktionierung zulässig sei. Umgekehrt stellt sich die Frage, was ein Hochschullehrer mit einem gegenderten Text in einer Prüfungsleistung anstellen soll. Darf er diese absichtsvolle ideologische Begleitmusik, diese Missachtung der deutschen Rechtschreibung, als Mangel in die Bewertung einbeziehen? Oder darf er eine Bewertung ablehnen. Kann er dazu gegebenenfalls gezwungen werden? Wird Weigerung sanktioniert?

Die zweite Frage betrifft das Gutachten von Prof. Dr. Michael Sachs. Die Universität Kassel verweigert die Offenlegung. Das erinnert fatal an den Umgang des Kölner Erzbistums mit den Gutachten zum Missbrauch in der katholischen Kirche. Im Untertitel ihrer Pressemitteilung wird behauptet, die fragliche Praxis sei "in bestimmten Fällen zulässig". Vergleicht man jedoch die wenigen Gutachten-Zitate in der Pressemitteilung, so kommen Zweifel auf.

Tatsächlich verwirft der Gutachter "die Berücksichtigung von geschlechtergerechter Sprache als ein weiteres allgemeines formales Kriterium für eine Prüfungsleistung". Der "Antwortspielraum des Prüflings" sei zu respektieren. Es sei "Verhältnismäßigkeit zu wahren".

Solche ausgewählten Zitate lassen erahnen, wie schwer sich der Gutachter getan hat, wenigstens einen Zipfel von Zulässigkeit zu konzedieren. Gerne wüsste man nun, in welchen sehr spezifischen Fällen Gendern verlangt oder geduldet werden kann. Gerade darum ist es geboten, das vorliegende Gutachten und die Sache selbst von weiteren Rechtswissenschaftlern beurteilen zu lassen.




6. In Schleswig-Hollstein treten die Grünen mit drei Frauen an der Spitze zur Landtagswahl an. Interessant, was die Grünen anderen Parteien als "Diversity" und "faire Verteilung von Macht" vorleben.



7. Trotz des Rüffels einer Beschwerdeinstanz (Genderama berichtete) hält das SRF am Gender-Doppelpunkt fest.



8. In indischen Kinos ging dieser Tage der Dokumentarfilm "India's Sons" an den Start. Er handelt von Männern, deren Leben durch eine Falschbeschuldigung der Vergewaltigung zerstört wurde.



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