Dienstag, Dezember 07, 2021

Diskriminierte Männer: Schweizer zieht vor Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – News vom 7. Dezember 2021

1. Ein Berner Jurist will die Pflicht zum Kriegsdienst allien für Männer durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stoppen lassen. Darüber berichtet die Neue Zürcher Zeitung:

Im Oktober 2015 flattert Martin Daniel Küng die jährliche Rechnung für den Wehrpflichtersatz ins Haus: 1662 Franken muss er, der für den Militärdienst untauglich befunden worden ist, dieses Mal bezahlen. Küng ist 30 Jahre alt und wird demnächst aus der Dienstpflicht entlassen. Eigentlich könnte er das Kapitel Wehrpflichtersatz also abhaken, denn weitere Rechnungen wird es nicht geben. Doch das tut Küng nicht.

Dass nur Männer dienstpflichtig sind und Frauen nicht, treibt den jungen Berner schon lange um, es verletzt sein Gerechtigkeitsempfinden. Und so begibt er sich auf den Rechtsweg. Küng erhebt Einsprache gegen die Rechnung, wie erwartet ohne Erfolg. Dann zieht er die Sache weiter an das kantonale Verwaltungsgericht, auch dort erleidet er eine Abfuhr. Anschliessend wendet er sich an das Bundesgericht und beschwert sich wegen einer Verletzung des Diskriminierungsverbots, wie dies andere unzufriedene Männer vor ihm auch schon getan haben – wieder geht er als Verlierer vom Platz. Doch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange: Küng beschliesst, die Sache vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen – als erster Schweizer Mann. Dort ist sein Fall derzeit hängig. Klar ist: Die Rechtssache "Martin D. Küng gegen die Schweiz" ist ein Fall mit Sprengpotenzial. Er hat das Zeug, für Erschütterungen zu sorgen.

Martin D. Küng, promovierter Jurist, weiss, was er tut. Er weiss, dass er an einem Monument rüttelt, das fest in der Bundesverfassung verankert ist: der Militärdienstpflicht für Männer. "Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten", heisst es dort im Artikel 59. "Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe." Und weiter: "Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig." Gleichzeitig sieht die Bundesverfassung in Artikel 8 allerdings auch vor, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und niemand wegen des Geschlechts diskriminiert werden darf. Ein klarer Widerspruch? Ja, würde der Laie sagen. Nein, sagen Rechtslehre und Rechtsprechung. Artikel 59 gilt als Sondervorschrift zulasten der Männer, als Lex specialis, die dem Gleichbehandlungsgebot vorgeht. Nichts zu machen.


Die Neue Zürcher Zeitung hat Küng genauer zu seiner Position befragt:

"Das Bundesgericht verfolgt eine stringente Praxis, wenn es um das Diskriminierungsverbot geht: Unterschiede nach Geschlecht sind grundsätzlich nicht erlaubt. Ausnahmen gibt es nur, wenn zwingende biologische Gründe dies verlangen. Und bei der Wehrpflicht soll das nicht gelten?" Das könne nicht sein, findet Küng. "Und es kann auch nicht sein, dass man mit einer in der Verfassung verankerten Sondervorschrift wesentliche Grundrechte wie das Diskriminierungsverbot einfach aushebelt."

Das Bundesgericht befindet sich bei der Wehrpflicht in einer kniffligen Lage. In Lausanne sieht man das Problem der fehlenden Gleichbehandlung sehr wohl, gleichzeitig lässt die Verfassung keinen Spielraum: Männer müssen ins Militär, Frauen dürfen. In früheren Urteilen argumentierte das Bundesgericht, dass Frauen "aufgrund physiologischer und biologischer Unterschiede" für den Militärdienst als weniger gut geeignet erachtet würden als der Durchschnitt der Männer. Das seien gewichtige Gründe, um für Frauen bloss einen freiwilligen Dienst vorzusehen.

Inzwischen hat sich die höchstrichterliche Begründung geändert: Frauen seien biologisch und funktional für den Militärdienst gleich geeignet wie Männer, erkannte das Bundesgericht 2017, als es die Beschwerde von Martin D. Küng beurteilte. Das zeige sich daran, dass Frauen freiwillig Militärdienst leisten und alle Funktionen einnehmen könnten. Gleichzeitig machten die Lausanner Richter klar, dass ihnen die Hände gebunden sind: Nicht die Justiz, sondern der Verfassungsgeber müsse darüber entscheiden, ob die auf Männer beschränkte Wehrpflicht sachlich sinnvoll sei oder ob es eine Änderung brauche. Anders gesagt: Das Bundesgericht hat sich inhaltlich auf die Seite von Küng gestellt, die Sache aber der Politik zugewiesen.

(…) Den Einwand, dass Frauen andere Herausforderungen im Leben zu bewältigen haben und die Strapazen der Geburt ertragen müssen, lässt der Jurist nicht gelten. "Mutterschaft ist ein individueller Entscheid, keine Frau muss Mutter werden. Der Mann aber muss ins Militär." Hat Küng keine Mühe mit der Vorstellung, Frauen im Ernstfall in den Krieg zu schicken? Sie Kampfhandlungen auszusetzen? "In Israel stehen die Frauen zusammen mit den Männern an vorderster Front im Einsatz. Israel widerlegt die althergebrachten Argumente, dass Frauen fürs Militär nicht geeignet sein sollen. Zudem gäbe es für Frauen notfalls auch andere Einsatzmöglichkeiten, etwa die Steuerung von Drohnen."

Und so hofft Küng nun auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Laut den Strassburger Richtern ist es den einzelnen Staaten zwar erlaubt, ihre Bürger zum Militärdienst zu verpflichten. Doch, und das ist der entscheidende Punkt: Ist es korrekt, die Pflicht einzig und allein für Männer vorzusehen und für Frauen nicht? Ist die Unterscheidung nach Geschlecht rechtens, oder ist sie diskriminierend? "Diese Frage hat der Gerichtshof noch nicht abschliessend beantwortet", sagt Küng. Er rechnet sich gute Chancen aus, dass sein Fall den Durchbruch bringen könnte. Immerhin hat die Strassburger Instanz in einem früheren Fall einem Deutschen recht gegeben, der wegen der Feuerwehrabgabe für Männer geklagt hatte; eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts sei nicht zu rechtfertigen, hiess es damals.


Der Neuen Zürcher Zeitung zufolge hat Küng keine Forderungen, wie eine neue Regelung konkret aussehen soll, die die bestehende Diskriminierung ablöst. Denkbar sei etwa ein Bürgerdienst für beide Geschlechter.

Die Verfasserin des NZZ-Artikels kommentiert:

Nun kann man von der Wehrdienstpflicht für Männer halten, was man will. Man mag sie als überholt ansehen und sich wundern, wie widerstandslos die Männer ihre rechtliche Benachteiligung bis heute hinnehmen. Eine andere Frage ist, ob der Weg an ein internationales Gericht der richtige ist, um eine Änderung herbeizuführen. Soll diese Frage tatsächlich von einem Richtergremium in Strassburg entschieden werden und nicht in der Schweiz durch Parlament und Volk?


Küng jedenfalls habe mehr Vertrauen in die Gerichte als in die Politik. Schließlich habe es auch eine richterliche Entscheidung gebraucht, bis selbst im letzten Schweizer Kanton auch Frauen das "Wahlrecht zugestanden worden sei.

Die Frage, ob er sich als Vorkämpfer für die Sache des Mannes sieht, verneint Küng entschieden. Man kann sich den 36-Jährigen, der sich im Gespräch mit der Journalistin konsequent der Gendersprache bedient, denn auch schlecht in dieser Rolle vorstellen, eher wirkt er wie ein Frauenversteher. "Es geht um Gleichberechtigung und darum, dass die Menschen nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden. Ich habe viel Verständnis für die Frauen, die beispielsweise gegen die Anhebung des Rentenalters oder gegen die Wehrpflicht für alle sind, weil sie zuerst Lohngleichheit fordern. Doch man sollte die Dinge nicht verknüpfen, sonst gerät man ins Politische."


Stimmt. Man könnte dann nämlich darauf hinweisen, dass die Lohnungleichheit in ganz ähnlicher Weise wie die bereits erwähnte Mutterschaft die Folge persönlicher Lebensentscheidungen einzelner Frauen ist, ihr Ausmaß in der öffentlichen Debatte weit überschätzt wird und sie keineswegs berufs- und brnachenübergreifend für sämtliche Frauen besteht.

Küng ist nicht der erste Schweizer, der sein Glück in Strassburg versucht. Letztes Jahr gab der Gerichtshof einem Appenzeller recht, der die Schweiz verklagt hatte, weil sie verwitwete Väter schlechter behandelt als verwitwete Mütter. Das Witwer-Urteil ist noch nicht definitiv, es liegt derzeit bei der Grossen Kammer des Gerichtshofs. Wann in Strassburg über den Fall "Küng gegen die Schweiz" entschieden wird, ist offen.




2. Christian Schmidt hat sich den Koalitionsvertrag der Ampel auf das Thema "Gleichstellung" hin angesehen.



3. Booster-Impfungen gegen Corona scheinen eine positive Auswirkung auf Sperma zu haben.



4. Das Neuste zum Thema: "Falschbeschuldigungen sexueller Übergriffe", die vor allem gegen Männer gerichtet sind: Ein britischer Lehrer berichtet, wie er auf TikTok anonym als Pädophiler verleumdet wurde:

Lehrer mussten schon immer mit einer gewissen Rate an Prügel von ihren Schülern rechnen. Das gehört zum Job, und normalerweise beschweren wir uns nicht allzu sehr darüber. In meinen 14 Berufsjahren habe ich an neun Sekundarschulen gearbeitet und Geschichte in Wales, Blackpool und Liverpool unterrichtet.

Manchmal bin ich auf schwierige Verhaltensprobleme gestoßen. Mir wurde gesagt, ich solle mich "verpissen", ich wurde als "Idiot" und "Ar…" bezeichnet. Teenager können aggressiv sein, aber als Lehrer darf man sich nichts davon zu Herzen nehmen. Wir müssen die Beschimpfungen entpersonalisieren und sie am Ende des Tages am Schultor stehen lassen. Normalerweise kann ich das ganz gut. Das ist ein Thema, das ich regelmäßig im Teachers' Talk Radio diskutiere, einem Online-Radiosender, den ich mitbetreue.

Aber vor einer Woche hat sich das geändert. Ich wurde von einem anonymen TikTok-Nutzer, vermutlich einem Schüler meiner Schule, als pädophil bezeichnet. Zum ersten Mal in meiner Karriere war ich wirklich schockiert - und hatte Angst.

Und wie es scheint, bin ich nicht der Einzige. Diese Woche warnte die Lehrergewerkschaft davor, dass Lehrer ihren Job wegen des neuesten TikTok-Wahns aufgeben, bei dem Schüler ihre Lehrer fälschlicherweise als Pädophile oder Ehebrecher bezeichnen. Das neue Phänomen besteht darin, dass Kinder Bilder oder Videos von Lehrern mit Hashtags wie #paedo posten.

Das Technologieunternehmen erklärte, dass es die Verunglimpfungen "bedauere" und "proaktiv" nach solchen böswilligen Behauptungen suche.

Mein eigener Leidensweg begann, als ein leitender Angestellter meiner Schule mich zu einer Sitzung rief und mir mitteilte, dass ein "beleidigendes" Video über mich online gestellt worden war.

Ich ging leicht verwirrt nach Hause und öffnete meinen Laptop. Ich brauchte etwa 30 Sekunden, um herauszufinden, worüber mein Kollege gesprochen hatte. Auf TikTok fand ich ein mysteriöses Konto mit einem anonymen Benutzernamen. Sie hatten drei Videos gepostet, von denen sich eines kritisch über meine Schule äußerte. In den beiden anderen Videos ging es ausschließlich um mich. Der anonyme Benutzer hatte Fotos von meinem professionellen Twitter-Konto genommen und sie mit Text überlagert.

In einem Text wurde ich als "Kinderschänder" bezeichnet. In einem anderen hieß es, ich hätte "Kinder angefasst" und fragte: "Wie viele Kinder berührst du? Tausende, Millionen?". Mit einem mulmigen Gefühl stellte ich fest, dass der Beitrag von 12.000 Menschen gelesen worden war. Ich scrollte durch die Kommentare, ein Meer von "Likes" und Emojis zum Weinen und Lachen, von denen einige von Schülern meiner Schule gepostet wurden, deren Benutzernamen ich wiedererkannte. Einer der Kommentatoren sagte, ich hätte seine/ihre Schulter berührt". Es war alles sehr scherzhaft und unbeschwert; für sie schien es ein großer Spaß zu sein. Für mich war es sehr viel ernster.

Niemand möchte als pädophil abgestempelt werden. Aber als Lehrer kann das das Ende der Karriere bedeuten. Ich begann mir Sorgen um meine Zukunft zu machen. Wie sollte ich am Montagmorgen meinen Schülern gegenübertreten, wenn ich wusste, dass viele von ihnen über mich lachten und hinter meinem Rücken schreckliche Gerüchte verbreiteten? Es mag weit hergeholt klingen, aber ich begann mir sogar Sorgen zu machen, dass ich einer Bürgerwehr zum Opfer fallen könnte.

Ich nehme an, dass die Videos von einem Schüler gepostet wurden, aber es ist schwer, das mit Sicherheit zu sagen. Ich habe mir das Hirn zermartert, um ein Motiv zu finden - was würde einen Teenager dazu bringen, mich auf diese Weise ins Visier zu nehmen? Aber ich habe wirklich keine Ahnung. Ich bin ein relativ strenger Lehrer, und es gibt viele Gründe, die ein Kind gegen mich aufbringen könnten.

Ich habe die Videos sofort bei TikTok gemeldet, aber sie haben erst nach mehreren Tagen gehandelt, nachdem meine Geschichte bereits in der Presse veröffentlicht worden war. In der Zwischenzeit meldete meine Schule das Konto der Polizei von Merseyside, die mir mitteilte, dass die Videos "nicht die Voraussetzungen für weitere Ermittlungen erfüllen". Es scheint, dass man jemanden im Internet fälschlicherweise als pädophil bezeichnen kann, ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen hat.

Freunde und Lehrerkollegen teilten mein Entsetzen. Ich bin 36 Jahre alt - als ich in den Beruf einstieg, musste sich niemand Sorgen über Online-Missbrauch machen. Schlechtes Benehmen und Beschimpfungen blieben im Klassenzimmer. Jetzt können sie innerhalb von Sekunden an Tausende von Menschen übertragen werden.

Ein Arzt hat mich wegen Stress von der Arbeit freigestellt; seitdem war ich nicht mehr in der Schule. Mein Vertrag mit meiner jetzigen Schule läuft am Ende dieses Schuljahres aus. Ich hätte nie gedacht, dass meine Zeit dort so enden würde - aber ich kann die Angst nicht ertragen, dass die Schüler hinter meinem Rücken über mich lachen. Im Januar beginne ich mit einer neuen Stelle an einer neuen Schule. Hoffentlich werden die Dinge dann besser.




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