Anreden wie "Sehr geehrte Damen und Herren" unzulässig: Rechtsgutachten sieht Gendern als Pflicht der Behörden – News vom 17. Dezember 2021
1. Verschiedene Medien, unter anderem "Nordbayern", berichten:
Hannover hat die gendergerechte Sprache vor drei Jahren zur Norm in der Verwaltung gemacht und dafür einige Kritik geerntet. Das wollte die Stadt nicht auf sich sitzen lassen.
Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung liegt nun ein umfangreiches Rechtsgutachten vor, das die niedersächsische Landeshauptstadt hierzu in Auftrag gegeben hat. Verfasserin ist Ulrike Lembke, Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Im übrigen ist Lembke ihrer Website zufolge "aktives Mitglied in den wissenschaftlichen Beiräten des Digitalen Deutschen Frauenarchivs, von 'medica mondiale', des Zentrums für Gender- und Diversitätsforschung der Universität Tübingen und der Zeitschrift GENDER sowie Mitglied des Deutschen Juristinnenbundes". An einer unparteiischen Stimme aus der Wissenschaft hatte die Stadt Hannover also erkennbar kein Interesse.
Lembke geht davon aus, dass die neuen Sprachregeln nicht nur eine zulässige Möglichkeit sind. Die Juristin leitet aus dem Grundgesetz sogar eine Pflicht für staatliche Stellen ab, künftig gendergerechte Sprache zu verwenden und auf binäre Anreden wie "Sehr geehrte Damen und Herren" zu verzichten.
Artikel 3 Grundgesetz enthalte einen weitreichenden Auftrag zu einer "überfälligen De-Privilegierung" der Männer bis in die Verwaltungssprache. "Das Grundrecht auf Gleichberechtigung ist ein zu Gunsten von Frauen wirkendes, antipatriarchales Verbot, von der gesellschaftlich dominanten Gruppe der Männer unterdrückt zu werden", so Lembke.
Wie schön, dass man diesem Gutachten sofort ansieht, das es von einem rein wissenschaftlichen Ansatz und keinerlei Ideologie geprägt ist ...
"Die Welt" berichtet vertiefend:
Der 123 Seiten lange Text könnte die Debatte über gendergerechte Sprache in Deutschland neu befeuern, denn die Berliner Professorin geht noch über die neuen Sprachregeln in Hannover hinaus. Vor drei Jahren erklärte die Stadt das Gendern zur verbindlichen Norm in der Verwaltung. Seitdem ist etwa das "Rednerpult" ein "Redepult" und aus "Wählern" wurden "Wählende". Auch die Anrede "Sehr geehrte Damen und Herren" soll von den Mitarbeitern der Landeshauptstadt vermieden werden. Denn Personen, die sich "nicht als Frau oder Mann selbst beschreiben", könnten sich diskriminiert fühlen. Einige griffen auch auf den Genderstern zurück.
Dafür erhielt die Stadt viel Kritik. Die Gleichstellungsbeauftragte Friederike Kämpfe (Grüne) sagte, das negative Feedback sei zum Teil beleidigend. In den Sitzungen des Stadtrats und der Ausschüsse habe die AfD regelmäßig dem Protokoll die Zustimmung verweigert, weil dort Redebeiträge der AfD-Ratsleute gegendert worden seien. Es werde sogar an der Gültigkeit städtischer Entscheidungen gezweifelt, weil die Gender-Sprachregeln nicht im Einklang mit dem amtlichen Regelwerk des Rats für deutsche Rechtschreibung stünden, schrieb das Blatt.
Lembke hingegen leitete (…) aus dem Grundgesetz eine Pflicht für staatliche Stellen ab, künftig gendergerechte Sprache zu verwenden und auf binäre Anreden wie "Sehr geehrte Damen und Herren" zu verzichten. (…) Nicht nur Verwaltungen sieht die Professorin laut der Zeitung in der Pflicht. Auch Gerichte, staatliche oder staatsnahe Einrichtungen sollen gendern müssen.
Lembke erhebt einen schweren Vorwurf. Sie attestiere den deutschen Verwaltungen, bei Umsetzung und Anwendung geschlechtergerechter Sprache vielfach "in grober Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze" ihre Bindung an das Gesetz zu vernachlässigen.
Die FAZ, die sich ausführlich mit dem Gutachten beschäftigte,
wies darauf hin, dass Lembke in ihrem Gutachten stellenweise eine Sprache verwende, die nicht wertneutral und daher schwerlich mit der Wissenschaft vereinbar sei. So sei in einer Fußnote spöttisch vom "heroischen Kampf" der Fraktionen von FDP, CDU und AfD im Berliner Abgeordnetenhaus gegen den Genderzwang zu lesen. Zudem äußere sich Lembke teils ohne Achtung, etwa gegenüber dem Rechtschreibungsrat oder dem Bundesgerichtshof. Der sah eine Sparkasse in einem Urteil nicht dazu verpflichtet, ihre weiblichen Kunden als "Kontoinhaberin" anzusprechen und nicht bloß als "Kontoinhaber".
Der NDR berichtet erwartungsgemäß unkritisch:
Die Landeshauptstadt sieht sich durch das Gutachten bestätigt. Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) sagte: "Wir wollen mit der Anwendung der geschlechterumfassenden Sprache in der Stadtverwaltung Hannover sehr deutlich machen, dass wir jeden Menschen in der jeweiligen Geschlechtsidentität respektieren." Das sei für ihn in einem demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar.
Von der bekannten Polemik "Wieso regt ihr Spinner euch so über das Gendern auf, darf doch jeder sprechen und schreiben, wie er will" ist nichts übrig geblieben.
Christian Schmidt kommentiert Ulrike Lembke und ihr Gutachten so:
Klar, sie ist eine Dogmatikerin und insofern nicht neutral. Es ist insofern gut, dass sie das auch in dem Gutachten deutlich macht.
Aber das sie sich das traut und noch nicht einmal meint die Form wahren zu müssen sich einen neutralen und wissenschaftlichen Anstrich zu geben ist weniger günstig.
(…) Besser wäre es allerdings aus meiner Sicht einen Juristen und Sprachwissenschaftler oder Juristen und Sozialwissenschaftler an die Sache zu lassen. Denn Gender Studie Professoren brauchen das Gutachten gar nicht zu schreiben, das Ergebnis steht bereits fest.
2. Das Schweizer Parlament hat beschlossen, dass Frauen künftig genauso lange arbeiten sollen wie Männer, um eine volle Rente zu erhalten. Die Neue Zürcher Zeitung berichtet:
Die SP und die Grünen stimmten ausnahmslos Nein. Weil aber das bürgerliche Lager inklusive die GLP geschlossen hinter der Vorlage steht, fiel das Ergebnis mit 121 zu 61 Stimmen dennoch klar aus.Die bürgerliche Allianz von der SVP bis zur Mitte-Partei hat die Vorlage bewusst frauenfreundlicher – sprich: teurer – ausgestaltet, als sie dies zunächst geplant hatte. Sie will den linken Parteien und den Gewerkschaften möglichst wenig Munition für den bevorstehenden Abstimmungskampf geben. Der Urnengang findet voraussichtlich im September 2022 statt.
Mit einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung ist zu rechnen. Die Linke hat bereits in den Debatten im Parlament einen emotionalen Ton angeschlagen. Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Grüne werden kaum etwas unversucht lassen, um die Gleichstellung beim Rentenalter als ungerechten "Abbau auf dem Buckel der Frauen" darzustellen.
In einem Kommentar der NZZ heißt es weiter:
Es verdient fast schon Anerkennung, wie unbeirrt linke Politikerinnen in der AHV-Debatte das Privileg der Frauen verteidigten und an ihrem Mantra von den diskriminierten, überarbeiteten und im Prekariat lebenden Frauen festhielten. Und das ausgerechnet bei der Reform eines Sozialwerks, das speziell frauenfreundlich ist und in dem jedes Jahr mehrere Milliarden Franken von den Männern zu den Frauen umverteilt werden. Dass die Männer mehr Geld in die erste Säule einzahlen und übers Ganze gesehen weniger herausbekommen, dass die AHV-Renten notabene für beide Geschlechter gleich hoch sind, ficht die linken Bewahrerinnen nicht an. Stattdessen wurde versucht, mit der üblichen Litanei – vom Ungleichgewicht bei der unbezahlten Arbeit bis zur Lohnfrage – vom Offensichtlichen abzulenken: dass das tiefere Rentenalter der Frauen heute unter keinem Titel mehr zu rechtfertigen ist, schon gar nicht unter einem sozialen.
3. Weiter geht es mit einem Artikel aus Österreich:
Immer mehr Väter gehen in Karenz. Doch es könnten mehr sein. Viele Väter verheddern sich in den Regeln zu Papamonat, Väterkarenz, Kinderbetreuungsgeld und Familienzeitbonus. Wenn es nach dem Geld geht, gilt für die meisten: Papa soll lieber arbeiten als in Karenz zu gehen. So manche Unternehmen reagieren ungemütlich, wenn Väter Zeit für ihre Kinder nehmen wollen. Zeit, die ihnen zusteht.
Hier geht es weiter.
4. In einem Podcast des WDR berichtet Dr. Safiye Tozdan über den Stand der wissenschaftlichen Aufarbeitung, was Kindesmissbrauch durch Frauen angeht. Der Beitrag ist hörenswert.
5. Ein neuer Online-Shop führt höhere Preise für weiße Männer auf: beispielsweise 20,99 $ für eine Kaffetasse gegenüber 12,24 $, die bei einer hispanischen Frau angezeigt werden. Es handelt sich zwar nur um "vorgeschlagene", also nicht verbindliche Preise, aber die Richtung ist klar. Die hispanische Parlamentsabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez dürfte diese Preisstaffelung freuen, einen weißen Lohnarbeiter eher nicht.
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