Donnerstag, September 03, 2020

Jura-Professor: "Gender-Zwang an Hochschulen ist ein Eingriff in die Grundrechte" – News vom 3. September 2020

1. In einem Artikel für die "Welt" beschäftigt sich der Ludwigsburger Jura-Professor Arnd Diringer mit der Situation an deutschen Universitäten:

"Ich würde meine Zeit bei der Projektarbeit lieber für Inhalte nutzen, anstatt sie für das Gendern von 'Experteninterview' oder 'Meisterei' zu verschwenden. Danke Hochschule." Das schrieb ein Student aus Baden-Württemberg, Mitglied der grünen Jugend, Ende August auf Twitter.

Und er ergänzte: "Wir werden dazu gezwungen. Wenn die Bachelorarbeit nicht gegendert ist, wird sie nicht akzeptiert. So ein Hokuspokus bei nem Bachelor of Engineering."

Neben viel Zustimmung gab es dafür auch Kritik – vor allem aus der eigenen Partei. "Dir ist schon bewusst das (sic!) wir bei den Grünen und insbesondere in der Grünen Jugend eine fundamental andere Meinung dazu haben oder? Wie wäre es wenn du dich zu einem feministischen Webinar anmeldest", schrieb ein anderer Twitterer, nach eigenen Angaben Teil des Landesvorstands der Grünen Jugend in Rheinland-Pfalz und Feminist.


Diringer indes pflichtet dem genderkritischen Studenten bei: vor allem aufgrund des hohen Zeitaufwands beim Erstellen solcher Texte, der dann doch nur zur schlechteren Lesbarkeit führt, weil sich die ideologische Sprache ständig vor die eigentliche Aussage schiebe. Insofern verwundere es nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegenderte Texte in Umfragen beharrlich ablehne. Wenn Studenten dennoch gezwungen würden, beispielsweise Gendersterne zu benutzen, handele es sich um nicht mehr als eine geforderte "Unterwerfungsgeste" zitiert Diringer den Professor für Sprachwissenschaft Peter Eisenberg.

"Einfach so ein Zeichen zu erfinden und dann auch noch die Leute dazu zu zwingen, es zu verwenden", so der Sprachwissenschaftler im Deutschlandfunk Kultur, "das geht in einer demokratischen Gesellschaft gar nicht." Und es ist umso problematischer, wenn ein Studium nur noch durch eine solche Unterwerfungsgeste absolviert werden kann.

"Klar ist", so der bekannte Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Fiete Kalscheuer, dass "solche Vorgaben nur aufgrund von Satzungen ergehen dürfen, für die die Hochschulen der Ermächtigung des parlamentarischen Gesetzgebers bedürfen".

Ob der allerdings "überhaupt dazu berechtigt ist, derartige Sprachvorgaben zu machen oder zu ermöglichen", ist, wie der Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen weiter ausführt, "im Hinblick auf die Grundrechte von Studenten und Professoren ebenso problematisch wie im Hinblick auf die weltanschauliche Neutralität des Staates".

Tatsächlich wird durch solche Vorgaben massiv in Grundrechte eingegriffen – von der Berufsfreiheit bis zur Freiheit der Lehre. Eine Rechtfertigung dafür gibt es nicht.

Die "Zwangsbeglückung seiner Bürger durch ideologische Vorgaben" ist, wie Professor Säcker es in der Zeitschrift für Rechtspolitik einmal formuliert hat, jedenfalls nicht "Aufgabe des Staates". Und sie gehört erst recht nicht zu den Aufgaben der Hochschulen – zumindest nicht in einer freiheitlichen Demokratie.

"Der Staat kann die Sprache" aber auch unabhängig davon "nicht beliebig regeln". Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1998 ausgeführt, und darauf hat jüngst auch der Bundesgerichtshof nochmals hingewiesen: "Begrenzende Wirkungen ergeben sich aus der Eigenart der Sprache für Art und Ausmaß einer Regelung", so die obersten Zivilrichter.

Rechtlich spricht also viel gegen die Zulässigkeit eines "Gender-Zwangs". Aber es gibt eine einfache Lösung – und zwar eine, mit der Befürworter der "Gender-Sprache" ebenso gut leben können müssten wie deren Gegner: Man stellt den Studenten einfach frei, ob sie ihre Arbeiten nach den Regeln der deutschen Grammatik und Rechtschreibung verfassen oder sie "durchgendern".

Wenn, wie von den Befürwortern behauptet, ein großes gesellschaftliches Bedürfnis nach gegenderter Sprache besteht, werden sehr viele Studenten diese verwenden. Handelt es sich bei den Verfechtern der Gender-Ideologie, wie ihre Gegner oftmals behaupten, nur um eine kleine radikale Minderheit, werden es sehr wenige sein.

(…) Angst vor Freiwilligkeit müssen nur diejenigen haben, die das Ergebnis fürchten. Aber genau deshalb wird wohl auf Zwang gesetzt.




2. Das linksliberale US-Magazin The Atlantic beschäftigt sich mit der Situation im Hochschulbereich, was das Ansprechen von Minderheitenmeinungen angeht:

In diesem Jahr führte die Heterodoxe Akademie eine interne Mitgliederbefragung unter 445 Akademikern durch. "Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihre Meinung zu einem kontroversen Thema bei der Arbeit zum Ausdruck bringen, zu einer Zeit, in der Lehrkräfte, Mitarbeiter und/oder andere Kollegen anwesend sind. Inwieweit würden Sie sich über die folgenden Konsequenzen Sorgen machen?" Auf die angebotene Möglichkeit "Mein Ruf wäre geschädigt" antworteten 32,68 Prozent mit "sehr besorgt" und 27,27 Prozent mit "extrem besorgt". Auf die angebotene Möglichkeit "Meine Karriere würde Schaden nehmen" antworteten 24,75 Prozent mit "sehr besorgt" und 28,68 Prozent mit "extrem besorgt". Mit anderen Worten: Mehr als die Hälfte der Befragten erachten es als ziemlich gefährlich für ihre berufliche Laufbahn, in einem akademischen Umfeld Ansichten zu äußern, die über einen gewissen Konsens hinausgehen.

Niemand sollte also Überraschung oder Unglauben vortäuschen, dass Wissenschaftler mir sehr häufig schreiben, um mir ihre Ängste mitzuteilen. In einem Zeitraum von drei Wochen Anfang dieses Sommers zählte ich etwa 150 dieser Botschaften. Und was sie offenbaren, ist eine sehr rationale Kultur der Angst unter denjenigen, die auch nur geringfügig mit den Lehren des "woken" Lagers nicht einverstanden sind.

(...) Als Nicht-Weißer ist man in dieser Umgebung nur in dem Maße geschützt, wie man der ideologischen Linie folgt. Ein farbiger Assistenzprofessor, der mit dem Programm nicht ganz zurechtkommt, schreibt: "Im Moment macht mir dieses Problem mehr Sorgen als alles andere in meiner Karriere" und stellt fest, dass "die Wahrheit ist, dass mich diese neue Norm der Intoleranz und der Social-Justice-Kult in den letzten Jahren mehr an den Rand gedrängt hat als jeglicher Rassismus, dem ich je in meinem Leben begegnet bin".

(...) Nur sehr wenige der Menschen, die mir geschrieben haben, sind konservativ politisch orientiert. Vielmehr ist ein roter Faden in den Schreiben, dass sich die Menschen links von der Mitte fragen, warum plötzlich jeder, der nicht radikal ist, als rückschrittlicher Ketzer behandelt werden soll. Es geht also nicht um das uralte Thema von links gegen rechts, sondern um das, was ein Briefschreiber das "kreisförmige Exekutionskommando" der Linken nennt: Es heißt jetzt nicht mehr "Warum seid ihr nicht links?", sondern "Wie könnt ihr es wagen, nicht so links zu sein wie wir".


Zum selben Thema: Die Neue Zürcher Zeitung beschäftigt sich damit, warum die Meinungsfreiheit vor Jahrzehnten noch ein wichtiges Anliegen der Linken war, sich das inzwischen aber geändert hat.

In Bayern hat der CSU-Landtagsabgeordnete und frühere Justizminister Winfried Bausback Universitäten aufgefordert, sich stärker an der öffentlichen Debatte zu beteiligen. Eine falsch verstandene "politische Korrektheit" dürfe nicht dazu führen, dass offene Debatte oder Forschung unterbunden wird. Auch provokante Thesen dürften – etwa mit dem Verweis auf vermeintliche Frauenfeindlichkeit – nicht einfach abgewürgt werden



3. In Sachsen-Anhalt verdienten 2019 Arbeitnehmer in Kitas und Vorschulen 20,01 Euro brutto pro Stunde. Frauen verdienten mit 20,13 Euro mehr als Männer (17,51 Euro).



4. In England und Wales haben die Selbstmordzahlen der Männer ein neues Rekordhoch erreicht.

kostenloser Counter