Freitag, Juli 03, 2020

Schweizer Monat: "Der Maskulismus lügt den Männern in die Aktentasche" – News vom 3. Juli 2020

1. In der Rubrik "Steile These des Monats" setzt sich Milosz Matuschek, Chefredakteur des Magazins Schweizer Monat, mit der politischen Philosophie des Maskulismus auseinander. Ein Auszug:

Für diese Männer gibt es seit einiger Zeit nun auch ein Trostpflaster als Pendant zum Feminismus – den Maskulismus. Mit guten Ansätzen und wichtigen Themen kämpft er um die Rechte des Mannes, der ja in den öffentlichen Debatten die fast einzige Figur ist, die man schadlos diskriminieren kann. Nur leider: Wie auch der Feminismus braucht der Maskulismus immer neue Opfer, um am Leben zu bleiben. Er stärkt den Mann nicht wirklich, sondern gibt ihm nur ein Forum für seine Wehleidigkeit. Und überdeckt, dass er selbst es war, der seine Interessen nicht wahrnehmen wollte.

Der Maskulismus ist die Trostideologie des verweichlichten modernen Mannes und soll nun wettmachen, dass eigentlich er es war, der sich schon nicht bei der Wahl des Urlaubsortes hatte durchsetzen können; dass er sich hat überreden lassen; dass er es verpennt hat, auf einem Ehevertrag zu bestehen. Es ist nur leider so: Kein Kollektiv, kein Ismus dieser Welt schützt vor falschen Entscheidungen in Beziehungen. Ohne ein starkes "Ich" gibt es am Ende kein tragfähiges "Wir".


Das schöne an dieser Gegenrede ist, dass sie eine Grsprächsgrundlage darstellt, auf der man sinnvoll diskutieren kann. Das hebt sie beispielsweise von dem Quatschbeitrag ab, den Carina Huppertz, Andreas Hechler und Franziska Schutzbach kürzlich bei der Bundeszentrale für politische Bildung unterbringen konnten: Die These "Wer über männliche Betroffene von Obdachlosigkeit, sexuellem Missbrauch etc. spricht, tut das aus Frauenhass" ist eben als Grundlage für ein seriöses Gespräch ebenso absurd wie meinetwegen "Was mich an der Männerrechtsbewegung stört, sind der Polytheismus und die zu starke Ausrichtung an den Präraffaeliten." Das ist beeindruckendes Wortgeklingel, aber keine Diskussionsgrundlage, weil jeder Bezug zur Wirklichkeit fehlt. (Vermutlich sprechen sich die eben genannten Personen auch deshalb explizit gegen eine offene Debatte aus.) Über den Beitrag von Milosz Matuschek, den er selbst als "steile These" bezeichnet, kann man hingegen pro und contra diskutieren: . Hat Matuschek Recht? Hat er Unrecht? Ich freue mich über euer Feedback in der Leserpost.



2. Frauenministerin Giffey (SPD) strebt einen Ausbau der Frauenquote an und rechnet dabei auf Unterstützung der Bundeskanzlerin: "Wir haben darüber gesprochen und sie hat sich da wirklich unterstützend geäußert", berichtet Giffey und setzt darauf, dass dieses Projekt in Merkels Amtszeit "die letzte große Aktion in Sachen Gleichstellung" werden könnte. Bedenken, die Unternehmen ausgerechnet während der Corona-Krise auch noch mit einer Quote zu belasten, lässt Giffey nicht gelten: "Sie möchte die Quote im Sinne einer wirtschaftsfördernden Maßnahme verstanden wissen."



3. Das feministische "Missy Magazin" bezieht Stellung für Hengameh Yaghoobifarah, die unlängst in der "taz" befand, Polizisten sollten am besten auf der Müllhalde arbeiten, "wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."

Dieser moralische Absturz von selbsterklärten Bessermenschen ist faszinierend zu beobachten. Fridays for Future Weimar versucht ja nach einem entsetzlichen Tweet immerhin, mit einer nachgereichten Entschuldigung noch die Kurve zu kriegen. Warum ist das feministische Lager unfähig zu sagen: "Sorry, da sind einer von uns die Gäule durchgegangen, und sie hat Scheiße gebaut"?



4. Der Gewaltschutzambulanz an der Berliner Charité zufolge hat häusliche Gewalt während der Corona-Pandemie entgegen bisheriger anderslautender Erkenntnisse zumindest in Berlin zugenommen. Dabei kommen Opfergruppen zum Vorschein, die in einer Debatte, die allzu oft "häusliche Gewalt" mit "Gewalt gegen Frauen" gleichsetzt, nicht gesehen wurden:

Bei den von Gewalt betroffenen Kindern seien häufig Werkzeuge zum Einsatz gekommen, so seien sie etwa mit Gürteln, Kabeln und Stöcken verprügelt worden, sagt Etzold. Erstmals habe sie erlebt, dass Kinder und Jugendliche auch selbst aus ihrem Kinderzimmer die Polizei angerufen und um Hilfe gebeten hätten.

(…) Was den Mitarbeitern der Gewaltschutzambulanz besonders auffällt: Der Anteil der männlichen Opfer häuslicher Gewalt steigt beständig an. Bereits 20 Prozent der erwachsenen Opfer sind Männer. Häufig setzten Täterinnen ihre Partner unter Druck, ihnen die Kinder wegzunehmen, wenn sie sich wehrten, sagt Etzold. "Viele schämen sich dafür und trauen sich auch nicht, Anzeige zu erstatten“, sagt Etzold. „Dabei sollte sich niemand schämen müssen, Opfer geworden zu sein."


Doch, sollte er. Schließlich haben wir vor ein paar Tagen von Andreas Hechler (Dissens) und der Bundeszentrale für politische Bildung erfahren, dass das Sprechen über Männer als Opfer eine "Einstiegsdroge" für rechte Weltbilder darstellt. Wer den "Kampf gegen rechts" ernst meint, bleibt als männliches Opfer also besser hübsch still.



5. Robert P. George, Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Princeton, berichtet in einem Thread auf Twitter:

Manchmal frage ich Studenten, wie ihre Haltung zur Sklaverei gewesen wäre, wenn sie weiß gewesen wären und vor der Sklavenbefreiung in den Südstaaten gelebt hätten. Raten Sie mal. Sie alle wären Abolitionisten gewesen! Sie alle hätten sich mutig gegen die Sklaverei ausgesprochen und unermüdlich gegen sie gearbeitet.

Das ist natürlich Unsinn. Nur der kleinste Teil von ihnen oder von jedem von uns hätte sich gegen die Sklaverei ausgesprochen oder einen Finger gerührt, um die Sklaven zu befreien. Die meisten von ihnen - und wir - hätten mitgemacht. Viele hätten das Sklavensystem unterstützt und mit Freude davon profitiert.

Deshalb antworte ich mit der Bemerkung, dass ich ihre Forderungen anerkennen werde, wenn sie Beweise für Folgendes vorlegen können: dass sie sich bei ihrer heutigen Lebensführung für die Rechte unbeliebter Opfer von Ungerechtigkeit eingesetzt haben, denen die Menschlichkeit selbst verweigert wird, und wo sie dies getan haben, während sie wussten:

(1) dass sie dadurch bei Gleichaltrigen unbeliebt würden,

(2) dass sie von mächtigen, einflussreichen Einzelpersonen und Institutionen in unserer Gesellschaft verabscheut und lächerlich gemacht würden,

(3) dass sie von vielen ihrer Freunde im Stich gelassen würden,

(4) dass sie böse beschimpft würden und

(5) dass sie riskieren würden, dass ihnen aufgrund ihres moralischen Zeugnisses wertvolle berufliche Chancen vorenthalten würden. Kurz gesagt, meine Herausforderung besteht darin, zu zeigen, wo sie sich selbst und ihre Zukunft in Gefahr gebracht haben, indem sie sich für eine Sache eingesetzt haben, die in den elitären Bereichen unserer heutigen Kultur unbeliebt ist.


Die passende Antwort darauf wurde auf Twitter auch schon gegeben:

Ich will nicht anmaßend klingen, aber das klingt sehr danach, dass man sich heutzutage für die Menschenrechte der Männer einsetzt, vor allem wenn man das im linken Spektrum tut.

Gut, dass Feiglinge wie ich jetzt das Internet haben, hinter dem sie sich verstecken können, auch wenn die mutigen Seelen, die das nicht tun, sehr viel effektiver sind.


Leute, die sich in der Vergangenheit als mutige Sklavenbefreier phantasieren, aber über die verfemten Bürger- und Menschenrechtler der Gegenwart nur die Nase rümpfen, finde ich einfach nur albern. In einer Zeit, in der die Sklaverei als "normal" galt und nicht hinterfragt wurde, wären sie genauso brav mit dem Mainstream mitgelaufen, ohne sich zu informieren und ihre Stimme dagegen zu erheben.



6. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir heute zum Urteil des Verfassungsgerichts gegen eine Gender-Klägerin:

Lieber Arne,

ich verfolge mit enormen Kopfschütteln ja weiterhin alle Meldungen zu "gendergrechter Sprache". Mit Interesse habe ich daher bei dir gelesen, was Marlies Krämer gesagt hat, nachdem Ihre Beschwerde vom Gericht abgewiesen wurde. Dir muss ich das nicht sagen, aber eventuellen vielen, die "deine" Bewegung gerne ins Schlechteste aller Lichter rücken: Ich finde den Dampf, den die Frau in die Sache bringt super. Und wie schmerzlich das generische Maskulinum für sie ist, nun, das kann ich nicht entscheiden. Wenn sie, mit 82 Jahren, sagt, dass sie das total (unter-)drückt, werde ich den Teufel tun und das in Zweifel stellen. Glaube ich ihr so.

Ich würde sie ja unterstützen, wenn von zwei essentiellen Dingen zumindest eines zuträfe:

a) wenn mir einfach nur viele Frauen in meinem Umfeld sagen, dass da was dran ist. Dann ist es eventuell nicht meine Meinung, aber ich bin eben nicht allein auf diesem Planet und es kostet mich eben nur ein müdes Lächeln und etwas Lernstress, wie was nun zu formulieren ist. Leider sagen nahezu alle Frauen in meiner Umgebung: "not in my name". Ich verstehe es nicht, und die meisten Frauen widert es an. Kein Grund, Frau Krämer zu unterstützen

b) wenn ich es denn logisch verstünde. Es ist doch so mit unsere hübschen deutschen Sprache: Wenn ich Chef bin und alle Mitarbeiter ansprechen möchte, schreibe ich: "Liebe Kollegen!". Da weiß der Mann: "das bin ich!", da weiß die Frau: "das bin ich!". So. Wenn ich nur die Frauen anreden will, schreibe ich: "Liebe Kolleginnen!". Da weiß die Frau: "das bin ich!", da weiß der Mann: "muss ich nicht lesen".

Und wenn ich nur die Männer ansprechen möchte? Gibt es kein Wort.

Weißt Du, Arne, "deine" Bewegung ist mir auch deswegen so sympathisch, weil ich sie auch als null radikal empfinde. Sondern eher auf etwas hinweisend. Etwas, womit ich aufgewachsen bin, was, so plakativ das klingt, "Teil meiner DNA" ist. Im Genrellen gibt es Menschen, im Speziellen gibt es Frauen. Männer sind identitätslose Füllware, in Frauen spiegelt sich die Individualität des Menschen. Jeder, der, wie ich als registrierte Nummer Dienst an der Waffe geleistet hat, weiß das. Ich würde mich an sich auch nicht drüber beklagen, es gibt eben geschlechtspezifischen Mist. Als Frau ist es vielleicht das Kind, ab dessen Geburt man seltsam gesichts- und identitätslos wird, sich selbst verliert. Als Mann sind es andere Aspekte. Für mich, neben der Armeeerfahrung, ist es die Sprache. Ich habe die nie als männerorinetiert empfunden. Eben weil es für mich keine Begriffe gibt. Das generische Maskulinum, es mag dereinst aus patriarchalischen Gründen installiert worden sein, gut möglich. Aber heute? Macht es den gesichtlos, den es anzusprechen vorgibt.

Unsere Sprache ist auf Frauen ausgerichtet, nicht auf Männer. Wobei ich - keine Ironie - gut nachvollziehen kann, dass das für Frauen kaum zu ermessen ist. Wenn es heißt "Sehr geehrte Damen und Herren", nie andersherum, lesen Frauen wohl nur Hohn. Wenn in der Tagesschau gesagt wird: "... darunter auch viele Frauen und Kinder", hören sie, berechtigt, nur männliche Gewalt gegen Wehrlose. Derweil ich eine Zweiklassengesellschaft der Opfer vernehme, seit Jahrzehnten Grundton nicht nur der ARD. Nichts anderes ist dieses generische Maskulinum. Es weist mir als Mann meine Rolle als Füllware zu.

Für mich war das nie ein Problem. Echt nicht. Eben weil Frauen echt viel Mist am Hacken haben. Und im Übrigen wissen das die meisten Frauen ja auch. Ein Mann ist nicht dazu da, seine individuellen Bedürfnisse auszuleben. (Ich glaube im Übrigen, dass wir Männer es genau deswegen so gerne mit doppelter Inbrunst, Vehemenz und manchmal eben auch Gewalt tun, weil es andere Wege nicht gibt.)

Zum Problem wird es für mich erst, seit Genderwissenschaft zu einem Fachbereich der Komparatistik geworden ist.

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