Heißt das, wir können jetzt klagen? – News vom 16. Juni 2020
1. Die Verunglimpfung von Frauen kann einem aktuellen Gerichtsurteil zufolge Volksverhetzung darstellen. Das berichten aktuell viele Medien, darunter die Legal Tribune:
"Menschen zweiter Klasse", "minderwertige Menschen" und "den Tieren näherstehend" – so bezeichnete ein Mann auf seiner Internetseite Frauen in zahlreichen Beiträgen. Das Amtsgericht (AG) Bonn verurteilte ihn dafür zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen. Das LG Bonn sprach den Mann aber wieder frei. Argument: Die Volksverhetzung schütze nur Gruppen, die durch ihre politische und weltanschauliche Überzeugung oder ihre sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, ihren Beruf oder ihre soziale Funktion erkennbar seien. Das Merkmal Geschlecht sei aber nicht erfasst und historisch auch gerade nicht zu schützen beabsichtigt gewesen.
Diesen Freispruch hob das OLG nun auf. Zu den durch § 130 StGB geschützten Teilen der Bevölkerung würden nämlich auch Frauen gehören. Zwar seien Frauen in Deutschland statistisch die Mehrheit der Bevölkerung. Aus der Vorschrift ergebe sich aber gerade nicht, dass sie nur dem Minderheitenschutz diene. Vielmehr könne die Rechtsanwendung kaum von Zufälligkeiten wie der Mehrheitsbildung abhängen. Außerdem könnten auch Mehrheiten diskriminiert werden.
Dieses Urteil ist für Männerrechtler deshalb interessant, weil Frauenhass von einigen Hanseln im Internet ausgeht, Herabesetzungen von Männern aber längst großflächig verbreitet werden. Schon im Jahr 2000 erkannte die Journalistin Meike Winnemuth: "Wir leben inzwischen in einer Kultur, in der nichts Schlechtes über Frauen gesagt werden darf und nichts Gutes über Männer. Frauenfeindlichkeit endet vor Gericht, Männerfeindlichkeit auf einem Autoaufkleber." Seitdem habe ich in zahlreichen Veröffentlichungen analysiert, wie dieser Hass in Erscheinung tritt, ohne jemals sanktioniert zu werden. Sibel Schicks im "Missy-Magazin" veröffentlichtes Gedicht "Männer sind Arschlöcher" etwa brachte ihr zahlreiche Interviews in den Leitmedien ein; rechtliche Folgen hatte es für die Autorin meines Wissens nicht.
Oder nehmen wir Valerie Solanas "Manifest der Gesellschaft zur Abschaffung der Männer", das im deutschen Buchhandel frei erhältlich ist und sich bei vielen Feministinnen großer Beliebtheit erfreut. Weil Feminismus bekanntlich mit Männerhass nichts zu tun hat, verkündet diese Schrift, dass der Mann "eine wandelnde Fehlgeburt" sei: "Männlichkeit eine Mangelkrankheit und Männer seelische Krüppel" wären, die "unauffällig, schnell und schmerzlos vergast werden" sollten. Das sei legitim, da es sich beim Mann um einen Parasiten "ohne moralische Lebensberechtigung" handele: "Wie die Menschen durch ihre höhere Entwicklung und ihr höheres Bewusstsein ein vorrangiges Lebensrecht gegenüber den Hunden haben, so haben die Frauen ein größeres Lebensrecht als die Männer." (Alle Zitate nach dieser Übersetzung.)
"Menschen zweiter Klasse", "minderwertige Menschen" und "den Tieren näherstehend" – trifft diese Bewertungen, die das Amtsgericht Bonn jetzt nicht nur gegenüber überschaubaren Gruppen als Volksverhetzung erkannte, auch auf diesen und vergleichbare feministische Texte zu? Das kann jeder für sich selbst beantworten. Ich weiß von Fällen, als man versuchte, strafrechtlich gegen solchen Hass vorzugehen: Sie endeten mit dem Befund, dass es keinen Klagegrund gäbe, weil ein komplettes Geschlecht eine zu allgemeine Gruppe sei, als dass sie juristischem Schutz unterliege. Das scheint sich jetzt geändert zu haben. So wie sich mir die Dinge darstellen kann jetzt jeder, der klagen möchte, mit Bezug auf dieses Urteil klagen – und damit entweder Erfolg haben oder zeigen, dass deutsche Richter sexistische Maßstäbe anlegen, je nachdem gegen welches Geschlecht Volksverhetzung stattfindet.
2. Auch die Tagesschau berichtet über interessante Entwicklungen im juristischen Bereich:
Neonazis und Linksextremisten legen oft Liste mit Namen, Adressen und anderen persönlichen Daten ihrer politischen Gegner an. Die Bundesregierung will solche "Feindeslisten" nun unter Strafe stellen. (…) Die SPD möchte lediglich solche Listen unter Strafe stellen, die konkret zu Straftaten anstacheln und auch veröffentlicht werden - und zwar so, dass Betroffene dies auch mitbekommen, also als Bedrohung wahrnehmen. (…) Die Union hingegen möchte bereits das bloße Anlegen von Namenslisten mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestrafen, auch wenn diese nicht veröffentlicht werden.
Das Problem solcher Feindeslisten kenne ich gut, ich stehe bzw. stand selbst darauf. Eine davon (in der damals einsehbaren Rohfassung ohne meine Adresse oder den Aufruf zu Straftaten gegen mich) wurde von der grünen Heinrich-Böll-Stiftung gefördert. Als Initiatoren genannt wurden der Publizist und Soziologe Andreas Kemper, Henning von Bargen, der Leiter des Gunda-Werner-Instituts für Geschlechterdemokratie in der Böll-Stiftung, und Elisabeth Tuider, Professorin für die Soziologie der Diversität an der Universität Kassel. Erst als die Kritik lagerübergreifend unüberhörbar wurde, erkannte man in der Heinrich-Böll-Stiftung, dass dieser "Online-Pranger" keine so gute Idee war und ließ das Projekt ruhen. Vermutlich wäre das schneller gegangen, wenn für das Anlegen von Feindeslisten damals schon drei Jahre Haft gedroht hätten.
3. Ein aktuelles Youtube-Video beschäftigt sich mit den 500.000 Frauen in Hitlers Wehrmacht. Bemerkenswert, dass diese Frauen bei der Aufarbeitung des Dritten Reichs kaum ein Thema waren.
4. Eine jüngst gegründete Kommission des britischen Premierministers zur Untersuchung von Rassismus wird sich auch mit der Frage beschäftigen, warum weiße Jungen der Arbeiterschicht an den Schulen im Nachteil sind.
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