"Wenn Schriftstellerinnen Leserinnen mobben" – News vom 21. Januar 2020
1. Unter der Überschrift "Wenn Schriftstellerinnen Leserinnen mobben" berichtet die Neue Zürcher Zeitung über den neuesten Fall der "Cancel Culture" in den USA. In dem Artikel, der nur Abonnenten online zugänglich ist, heißt es:
"Cancel Culture" vollzieht sich etwa so: Jemand stöbert in den digitalen Medien eine Aussage auf, an der er oder sie irgendwie Anstoss nimmt. Statt den Unsinn auf sich beruhen zu lassen, startet die betupfte Person eine Gegenoffensive und gibt ihrer Empörung Ausdruck. Sie hofft dabei auf möglichst viele Reaktionen auf die Vorwürfe. Je breiter diese auf Twitter, Facebook und Co. gestreut werden, desto eher tritt der Prangereffekt ein. Die Person, welche die Aussage ursprünglich getätigt hat, wird nun öffentlich abgekanzelt und boykottiert, ausgeladen und gemieden.
Jüngstes Opfer dieser "Cancel Culture", berichtet die NZZ weiter, sei die Studentin Brooke Nelson geworden, die die Werke der Jugendbuch-Autorin Sarah Dessen als "fein für Mädchen", aber nicht gut genug für eine universitäre Buchjury befand. Zwei Jahre danach entdeckte Dessen diese Bewertung und empörte sich über diese "gemeine und grausame" Einschätzung vor ihren nahezu 270 000 Followern auf Twitter, die wiederum Nelsons Identität herausfanden und öffentlich machten. Dazu kam Unterstützung von fünf weiteren Jugendbuch-Autorinnen, ebenfalls mit sechsstelligen Follower-Zahlen.
Nelson wurde von Roxane Gay und Siobhan Vivian mit Schimpfwörtern wie "elitäre Sexistin" und "Frauenhasserin" bedacht. Offensichtlich hätten junge Frauen für Nelson wenig Wert, sagte Jodi Picoult, in wörtlicher Anlehnung an die Black-Lives-Matter-Bewegung. Jennifer Weiner warf den #MeToo-Hashtag in den Ring und stellte eine Verbindung zum mehrfach des sexuellen Missbrauchs verurteilten Larry Nassar her.
Die Universität, an der Nelson studierte, distanzierte sich daraufhin öffentlich von ihr. Nelson, die zum Schwerpunkt Online-Aggression forschte, wurde selbst zum Opfer davon und löschte ihre Social-Media-Konten, weil sie befürchtete, dass ihr Studium und ihr beruflicher Werdegang andernfalls unter den Attacken leiden könnten.
Es war eine Machtdemonstration von etablierten, scheinbar wohlmeinenden feministischen Autorinnen, die eine unbekannte Studentin in Grund und Boden mobben.
Darüber hinaus, berichtet die NZZ weiter, seien die Vorwürfe haltlos gewesen: Der Lesergruppe, für die Nelson das Buch als unpassend bewertet hatte, war Gleichberechtigung ein zentrales Anliegen:
Die Hälfte der Jurygewinner und Leseempfehlungen der letzten zehn Jahre waren Frauen. Darunter auch "The Hate U Give", ein explizit an junge Frauen gerichtetes Jugendbuch der Bestsellerautorin Angie Thomas. Nelson selbst hatte sich dafür eingesetzt. Das hielt Thomas nicht davon ab, im Shitstorm gegen Nelson kräftig mitzumischen. Mit derlei Kritik konfrontiert, löschten die Cancel-freudigen Jugendbuchautorinnen leise ihre aufwieglerischen Tweets und ersetzten sie mit knappen Entschuldigungen. Da Nelson auf eine Klage wegen übler Nachrede verzichtet, gibt es auch kein rechtliches Nachspiel.
2. Die einflussreiche Feministin Antje Schrupp betrachtet es in einer aktuellen Veröffentlichung als unzumutbaren Einschnitt in die weibliche Freiheit, wenn der Vater eines Kindes gerne Kontakt zu ihm aufrecht erhalten möchte. IIhr Mitstreiter Enno Park gibt solchen Vätern die klare Anweisung:
"Wenn du gerne Vater sein möchtest und ein Kind mit einer Frau hast, die partout nicht mit dir klarkommt, lass sie ziehen, zeug ein anderes".
Das Blog Alles Evolution berichtet und kommentiert.
3. Das Blog Apokolokynthose hat die Flirttips der feministischen Organisation "Pinkstinks" auf ihre Tauglichkeit abgeklopft.
4. Die Post. Matthias Enderle, der Vorstandsvorsitzende von MANNdat, schreibt mir zu den MeToo-Vorwürfen gegen Udo Lindenberg:
Ob es ein paar Leuten in Deutschland die Augen öffnet, wenn Udo Lindenberg von MeToo auf den Hauklotz genommen wird? Man wird sehen.
Die Doppelmoral des Deutschlandradios zeigt sich allerdings überdeutlich: Udos Gesamtwerk enthält nämlich auch den Titel "Die Klavierlehrerin", der geradezu explizit weiblichen Missbrauch an Minderjährigen schildert. Der hatte sogar Airplay – und seinerzeit natürlich auch kontroverses Presse-Echo. Das scheint dem Deutschlandradio aber keine Sekunde Sendezeit wert zu sein (nicht dass es einen wundern würde).
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