Frauenministerin Giffey will jetzt auch Männer fördern – News vom 15. Januar 2020
1. Vor acht Jahren wurde die damalige Goslarer Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling noch auf Betreiben der Grünen aus dem Amt gejagt, weil sie Gleichstellungspolitik auch für die Anliegen von Jungen und Männern öffnete. Seit gestern ist genau dieser Ansatz deutsche Regierungspolitik. Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) hat – wenn auch noch so zaghaft – damit begonnen, maskulistische Anliegen aufzugreifen. Die Frankfurter Allgemeine berichtet:
Mit 1,15 Millionen Euro will Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) qualitative Männerarbeit fördern und ein flächendeckendes Netz einer männerfokussierten Beratung finanzieren. "Ich möchte auch Männer, die sich in Problem- und Krisensituationen befinden, besser unterstützen", sagte Giffey und verwies auf Dreiviertel der Suizide, die von Männern und Jungen begangen werden. 610.000 Männer würden außerdem jährlich Gewaltopfer im öffentlichen und privaten Raum.
Auch die Wohnungslosen sind in der Mehrheit Männer. In einem Stufenplan will Giffey deshalb das Beratungs- und Hilfesystem für Jungen und Männer stärker ausbauen und die Fakten zur Gewaltbetroffenheit verbessern. Künftig soll es auch mehr Multiplikatoren für eine männerfokussierte Beratung durch den Sozialdienst katholischer Männer (SKM Bundesvorstand e.V.) geben. Auch eine bundesweite Fach- und Koordinierungsstelle für Männergewaltschutz soll es künftig geben.
(…) Auch Männer brauchten Unterstützung, wenn es etwa um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehe. "Deshalb müssen auch sie Adressaten und Nutznießer unserer Gleichstellungspolitik sein", so Giffey. Die Bundesregierung will deshalb noch in diesem Jahr eine Gleichstellungsstrategie verabschieden.
Wie stark nach sechzig Jahren einseitiger Geschlechterpolitik die Sehnsucht wenigstens nach diesem kleinen Aufbruch ist, zeigten schon die Kommentare auf Facebook, als die Ministerin sich kürzlich dazu herab ließ, Männer als Adressaten von Geschlechterpolitik überhaupt nur zu erwähnen. Sabine Menkens berichtet in der "Welt":
"DANKE dafür, dass Männer jetzt auch Teil einer Familie sein dürfen!" und "Juhu, Männer wurden in den Kreis der Gesellschaft aufgenommen, zumindest verbal", hieß es dazu in den Kommentaren. Ein anderer Herr: "Meinen allerherzlichsten Dank, Frau Dr. Giffey, dass Sie (endlich) auch Ihre Wertschätzung für Männer zum Ausdruck bringen. Sie haben mir damit den Höhepunkt dieses Tages geschenkt."
Zu einigen ersten Reaktionen auf die gestrige Pressekonferenz kam es auf Twitter. So stellte Christian Schmidt eine zentrale Frage, die als Prüfstein gelten kann, wie ernst es Giffey mit ihrem Aufbruch meint:
Werden sie dann eine eigene Abteilung für Männer einrichten, in der auch Männerrechtler tätig sind? Werden sie sich umbenennen, um eine Zuständigkeit für Männer in ihrem Ministerium zu erreichen?
Daran ist dem oben verlinkten "Welt"-Artikel zufolge unter Giffey nicht zu denken. Dementsprechend ist nicht jeder glücklich damit, dass der Weg zur Gleichberechtigung zunächst nur mit Tippelschrittchen aufgenommen wird. "Die Welt" berichtet auch darüber:
"Authentische Männerverbände" würden von Giffeys Ministerium systematisch ausgegrenzt, das Referat "Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer" habe in erster Linie die Aufgabe, "Frauenpolitik für Männer" zu konzipieren, kritisiert etwa Gerd Riedmeier, Sprecher der Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter. "Nach den Bedürfnissen von Jungen, Männern und Vätern wird überhaupt nicht gefragt", sagt Riedmeier. "Väter sollen zwar mehr Care-Arbeit übernehmen, aber gleichzeitig bitteschön alleine unterhaltspflichtig bleiben." Und dann ist da noch Giffeys Eingeständnis, dass der Fokus der finanziellen Förderung natürlich nach wie vor auf den Frauen liege. Für die Männer wolle man aber "Akzente setzen".
Die finanzielle Aufteilung öffentlicher Mittel sieht dementsprechend so aus:
Giffey stellte die Projekte "Das Digitale Deutsche Frauenarchiv" (DDF) und das Projekt "Männer stärker in die Gleichstellungspolitik" vom Bundesforum Männer als Beispiele für Gleichstellungspolitik vor. Das DDF soll danach ab 2020 jährlich mit 1,85 Millionen Euro gefördert werden, das Männer-Projekt bis 2022 mit rund 1,15 Millionen Euro. Bei letzteren Aktivität sei es unter anderem Ziel, die Männerberatung weiterzuentwickeln. Als ein weiteres Projekt werde zudem die Weiterbildung für männerfokussierte Beratung durch den Sozialdienst katholischer Männer (SKM) unterstützt. Die Initiative werde bis Oktober 2022 mit insgesamt rund 800.000 Euro gefördert.
Das Ungleichgewicht bleibt bestehen, was Giffey zu rechtfertigen versucht:
"Solange Frauen viel schlechter bezahlt werden als Männer, solange sie in Führungspositionen unterrepräsentiert sind und viel häufiger Opfer von Partnerschaftsgewalt werden, braucht es den besonderen Fokus auf die Frauenpolitik", sagte Giffey.
Dies kommentiert Markus Witt vom Väteraufbruch für Kinder so:
3 Aussagen, davon zwei mehrfach nachgewiesen falsch (Gewalt und Bezahlung) Brauchen wir tatsächlich trumpsche Verhältnisse in der deutschen #Politik? Müssen Bürger tatsächlich wieder und wieder belogen werden?
Wie Genderama berichtete, erregte Giffey vergangenes Jahr einigen Unmut damit, dass sie 120 Millionen Euro für den Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt zur Verfügung stellte und die männlichen Gewaltopfer leer ausgingen.
Auch das "Neue Deutschland", das kürzlich erst Männerrechtler als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit verfemte, berichtet über Giffeys Aubruch:
Noch in diesem Jahr sollen etwa neun Männerschutzwohnungen mit insgesamt 24 Plätzen eingerichtet werden. "Das ist weniger als der Bedarf", gibt Giffey zu. Aber Gewalt gegen Männer sei eben immer noch ein großes Tabu. Dabei sind die meisten Gewaltbetroffenen Männer: Laut Bundeskriminalamt gab es im letzten Jahr 610.000 männliche Geschädigte und 410.000 weibliche. Die vielen männlichen Gewaltopfer werden später oft selbst zu Tätern, erläutert auch [Thomas Altgeld, der Vorsitzende des Bundesforums Männer.] (…) Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, sagte gegenüber [dem Neuen Deutschland], sie begrüße Giffeys Initiativen insgesamt.
In der Süddeutschen Zeitung heißt es über die aktuellen Entwicklungen:
Auch Männer sollen gefördert werden, zumal sie zunehmend Elternzeit in Anspruch nehmen wollten, ihnen seltener Berufe wie der des Erziehers zugetraut würden und viele unter ihnen mit Gewalt im Allgemeinen konfrontiert seien. 1,15 Millionen Euro erhält in der ersten Jahreshälfte das Bundesforum Männer, ein Interessenverband für junge Männer und Väter, der in diesen Fragen Hilfe bietet. "Männer im Baugewerbe etwa sollen nicht kämpfen müssen, Elternzeit nehmen zu können", sagte der Vorsitzende Thomas Altgeld. Analog zu den 350 Frauenhäusern soll es künftig mehr Männerschutzwohnungen geben, "der Bedarf ist da", sagte Giffey. Bisher stehen neun solcher Zufluchtsorte mit 24 Plätzen zur Verfügung. Um den Bedarf zu decken, müsste es pro Bundesland fünf Wohnungen geben.
Klar ist, dass es selbst diesen kleinen Aufbruch ohne den beständigen öffentlichen Druck von uns Männerrechtlern nie gegeben hätte. Klar ist auch, dass die feministische Lobby noch immer eine haushohe Übermacht genießt und deshalb mehr als die aufgeführten Dinge von einer SPD-Ministerin nicht zu erwarten waren. Schon, dass Männern überhaupt Unterstützung erhalten sollen, erweckt bei mancher Frau vielsagende Reaktionen. Ebenso unwirsch äußerte sich aus rechter Perspektive Marcus Pretzell (Die blaue Partei, vormals AfD).
Einerseits markiert die Pressekonferenz der Ministerin also eine klare Trendwende. Maskulistische Forderungen sind gestern zumindest nominell Teil der Berliner Regierungspolitik geworden – was es im übrigen den Demagogen der Geschlechterdebatte schwerer machen wird, Maskulisten als Jammerbabys, Irre oder halbe Neonazis anzufeinden. Insofern haben viele Beteiligte einen Sieg davongetragen: Die Männerrechtsbewegung, weil überhaupt erst einmal die Notwendigkeit einer zielgerichteten Männerpolitik regierungsamtlich anerkannt werden musste: Weitere Bausteine lassen sich jetzt leichter nach und nach hinzufügen. Für Ministerin Giffey, weil man diesen Aufbruch künftig mit ihrem Namen verbinden dürfte. Und für den neuen Vorsitzenden des Bundesforums Männer, Thomas Altgeld, aus beiden Gründen – und wegen der Finanzspritze von 1,5 Millionen, die allerdings auch eine Verpflichtung darstellt.
Auf der anderen Seite kann das gestern Verkündete natürlich nur ein erster Anfang sein. Der männerpolitische Wunschzettel ist umfangreich, weil nach über einem halben Jahrhundert Ignorieren von Männeranliegen Etliches liegengeblieben ist. Die Männerbewegung tut gut daran, weiter einzufordern, dass für die eine Hälfte der Bevölkerung geschlechterpolitisch nicht nur "Akzente" gesetzt werden.
Wie schätzt ihr diese Entwicklungen ein? Wie immer freue ich mich über euer Feedback.
2. Die Stadt Lübeck hat zum Jahreswechsel den Gender-Doppelpunkt eingeführt. Auch männliche Bewohner der Stadt sind jetzt "Lübecker:innen". Dazu kommt ein Leitfaden für geschlechtersensible Sprache:
Das heißt: Formulierungen wie "freiwillige Helfer", "man muss beachten" und "Unterstützung durch Kollegen" sollen verschwinden. Stattdessen sollen Mitarbeiter der Stadt etwa "freiwillige Hilfe", "es muss darauf geachtet werden" und "kollegiale Unterstützung" schreiben.
(...) Folgerichtig sollen Mitarbeiter der Stadt beim Schriftverkehr mit Unbekannten künftig zuerst das Geschlecht der jeweiligen Person ermitteln. Die Empfehlung zur Ansprache unbekannter Personen lautet: "Guten Tag Vorname Name, wie darf ich Sie in Zukunft ansprechen?"
Gegen diese Neuregelung gibt es einigen Unmut – beispielsweise durch den Verein deutsche Sprache (VDS):
"Thomas Mann hätte sich für seine Heimatstadt geschämt", sagte der VDS-Vorsitzende Walter Krämer am Freitag. "Die Stadt Lübeck setzt sich über amtliche Regeln der deutschen Rechtschreibung hinweg und macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt." Der Doppelpunkt sei ein Satzzeichen - und damit nichts, was man aktiv sprechen könne. Er hindere, wie auch das Gendersternchen oder das Binnen-I, den Lesefluss und stifte mehr Verwirrung, als dass er Klarheit schaffe. "Der Dienstherr missbraucht hier in eklatanter Weise sein Weisungsrecht", kritisierte Krämer. Die geltende Rechtschreibung sehe entsprechende Monstrositäten aus gutem Grund nicht vor.
(...) Da der verbindliche Leitfaden gegen geltendes Recht verstoße und gesellschaftlich gesehen unnötige Gräben zwischen den Geschlechtern schaffe, biete der VDS Prozesskostenhilfe an. Ein Prozess gegen die Stadt Zürich in der Schweiz laufe bereits.
3. "Weg mit den Gender-Wortmonstern!" fordert auch ein norddeutscher Lehrer, den es ärgert, dass Kommunikation in der Schule immer schwieriger wird.
4.
Eine Wissenschaftlerin hat ein dramatisches Diversitätsdefizit bei der Feuerwehr festgestellt. Heterosexuelle Männer aus der Arbeiterschicht seien hier unter sich. Brauchen wir eine Löschdebatte?
Die Frankfurter Allgemeine berichtet und kommentiert.
Grotesk ist, dass hier etwas als "Benachteiligung von Frauen" diskutiert wird, über das man genauso gut als Heldenmut von Männern sprechen könnte. So heißt es in einem Artikel über die Bekämpfung der Waldbrände Australiens:
Tatsächlich waren fast alle Todesopfer Männer - Feuerwehrleute wie Keaton, O'Dwyer und McPaul - oder Männer, die zurückblieben, um ihre Häuser vor den Flammen zu verteidigen. Akademische Studien bestätigen, dass es bei Buschfeuern einen deutlichen Geschlechterunterschied gibt. In den letzten hundert Jahren waren 60 Prozent der Todesopfer bei australischen Buschbränden Männer. Die meisten von ihnen starben bei dem Versuch, ihre Häuser zu schützen; Frauen und Kinder starben, als sie in einem Haus Schutz suchten oder bei einem Fluchtversuch.
Das muss die "toxische Männlichkeit" sein, von der man ständig liest.
5. Beim Deutschlandfunk diskutiert man über den besten Weg zum Klimaschutz. Auch eine Feministin diskutiert mit:
“Als Ökofeministin muss ich sagen, dass Reproduktion durchaus eine der größten Umweltsünden darstellt. Bekanntlich bringt der Verzicht auf ein Kind weit mehr als alle anderen individuellen möglichen Beiträge zum Klimaschutz. So etwas wie Flugreisen oder Fleischkonsum wird wenigstens diskutiert, aber die Kinderfreiheit als wertvollste Aktion wird vor allem bei uns in Deutschland immer noch zu stark tabuisiert.“
6. Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender des Opferverbands Weißer Ring, äußert sich in einem Interview zum Thema häusliche Gewalt mit unverhohlenem Sexismus:
Der Staat sollte Frauen Mut machen, solche Taten anzuzeigen, damit ein Martyrium beendet werden kann. Und zwar mit deutlichen Konsequenzen für die Täter. Sie müssen spüren, dass sie so nicht weitermachen dürfen. Gewalttätige Männer sollten eine elektronische Fußfessel tragen müssen und so kontrolliert werden.
Dabei war der Weiße Ring vor über einem Jahr bei diesem Thema schon viel weiter.
7. Wie die BBC berichtet, gibt es allein in Südafrika seit 2012 mehr als 400 tote Jungen durch verpfuschte Beschneidungen. Fazit des Artikels: "Obwohl es keine einfachen Antworten gibt, stimmen viele darin überein, dass Jungen nicht einfach sterben sollten, um als Mann anerkannt zu werden." Viele? Klingt so, als ob nicht einmal das allgemeiner Konsens wäre.
8. Die Post. Auf die gestern von einer Genderama-Leserin gestellte Frage, ob es auch Suchtberatungsstellen speziell für Männer gebe, antwortet ein sachkundiger Leser:
Seit den 80er Jahren werden auch in der Suchtberatung geschlechtsspezifische Ansätze verfolgt. Die Caritas hat Angebote, die sich spezifisch an Männer richten.
Ein anderer Leser schreibt mir zur selben Frage:
Hallo Herr Hoffmann,
eine Männerberatung für Süchtige kenne ich nicht. In diesem meiner Blogbeiträge schrieb ich jedoch zur Differenz zwischen Männlein und Weiblein bei Süchtigen folgendes:
"Wie selbstverständlich allerdings die Diskriminierung von Jungen vonstattengeht, bemerkt man erst, wenn man mit der Nase darauf gestoßen wird. Missbraucht etwa eine Lehrerin einen 13jährigen Schüler, echot es aus allen dumpfbackigen, asozialen Medien: der Junge kann ja froh sein, so eine Lehrerin zu haben; und der Depp, der das sagt, vergisst auch nicht anzumerken, dass das sein Herzenswunsch gewesen sei. Nein, es mit einer alten Frau zu treiben, und das ist für einen Jungen eine Frau, die 20 Jahre älter als er selbst ist, ist kein Wunsch- sondern ein Albtraum.
Freilich gibt es noch selbstverständlichere Diskriminierungen, die viele nicht einmal erkennen, wenn sie mit der Nase darauf stoßen. Ein Beispiel: In München gibt es das LIMIT. Ein Tagesaufenthalt für Drogensüchtige, wo sie preiswert essen können und auch, sofern sie wollen, Rat und Hilfe erhalten. Auf der Frauentoilette klebt der Aufkleber des Frauennotrufs, auf der Männertoilette klebt kein Aufkleber, dafür steht eine Schale mit Kondomen bereit. Bedenkt man, dass ein Drittel aller Drogensüchtigen in ihrer Kindheit und Jugend sexuell missbraucht wurden und zwei Drittel aller Drogensüchtigen männlich sind, dann ist nach Adam Riese das Verhältnis männlicher zu weiblichen Missbrauchsopfer auf der Drogenszene 2:1. Warum aber klebt dann im Männerklo kein Aufkleber der Münchner Anlaufstelle für missbrauchte Burschen KIBS? Die Antwort ist simpel: weil Männer nicht als Opfer, sondern nur als Täter wahrgenommen werden.
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