Donnerstag, Mai 09, 2019

EDEKA: Frauenbeauftragte Schreyer (CSU) kritisiert "Anti-Väter-Spot" – News vom 9. Mai 2018

1. Einer meiner Leser schreibt mir heute:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

ich hatte einer Empfehlung in den Kommentaren zu Lucas Schoppes Beitrag folgend meinen örtlichen EDEKA angeschrieben (meine Mail mit Antwort daselbst unter meinem Namen). Die vier nächstgelegenen Märkte gehören einer GmbH, da brauchte es nur eine Intervention.

Heute Mittag war die Antwort schon da. Da in dem Fall die Filialen einem Mann (Familienvater) gehört und da natürlich auch Männer arbeiten, denke ich schon, dass das was bringt, wenn man sich vor Ort beschwert. Ich nehme es den Leuten durchaus ab, dass sie sich an die Zentrale gewandt haben. Ich wohne ja in einer Kleinstadt im Köln-Bonner-Speckgürtel, wo die Mehrzahl der Leute eher konservativ-bürgerlich ist und das Einkommensgros durch Männer nach Hause getragen wird.

Am Rande: Wirkung sollte Protest auch haben, weil EDEKA wegen seiner Struktur gerade in ziemlichen Turbulenzen steckt. Da will man nicht gerne Kunden (auch wenn's Gelegenheitskunden sind) verlieren.

Wir können Dinge ändern! Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Und zu der Passage im Leserbrief:

"Der einzige Trost: Vielleicht ist das Video so schlimm, dass eine breite öffentliche Diskussion in unserem Sinne entsteht ..." - Läuft doch!


In der Tat:

Familienministerin Kerstin Schreyer (CSU) nannte [die EDEKA-Reklame] am Mittwoch einen "Anti-Väter-Spot". Es sei Unsinn, Mütter und Väter gegeneinander auszuspielen, wie das im Werbespot geschehe, sagte Schreyer, die auch Frauenbeauftragte der Staatsregierung ist. "Eltern zu sein, ist kein Wettbewerb um die Zuneigung der Kinder. Väter sind nicht die schlechteren Elternteile", betonte die Ministerin.

Der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft für Jungen- und Männerarbeit, Matthias Becker, nannte den Film "vollkommen missglückt". Der Deutschen Presse-Agentur sagte er, "da wird der Mann als kompletter Trottel dargestellt. Er ist zu nichts mehr in der Lage, nicht mal mehr zum Ballspielen." Auch aus Sicht von Frauen und Müttern sei der Streifen kritikwürdig. "Dort, wo die Väter versagen, wenden sich die Kinder dann der Mutter zu. Das ist total daneben." Der Aufmerksamkeit, die das Unternehmen mit dem Werbefilm zu erzielen hoffe, solle ein Boykott-Aufruf entgegengesetzt werden, forderte er.


"Der Vorwurf: Sexismus. Vor allem Männer- und Väterrechtler reagierten", berichtet Spiegel-Online. Natürlich noch lange kein Grund für Spiegel-Online, einen dieser Männer- und Väterrechtler dazu zu interviewen. Beim Geschlechterthema haben in unseren Leitmedien fast ausschließlich Feministinnen eine Stimme, egal wer von Sexismus aktuell getroffen wird. Ein Auszug aus dem Interview mit Stevie Schmiedel:

DER SPIEGEL: In den sozialen Netzwerken haben sich vor allem Männer und Väter über den Spot empört. Viele Genderaktivist*innen verhielten sich auffallend still.

Schmiedel: Das liegt daran, dass sich die sogenannten Maskus, also die Maskulinisten, die Männerrechtler, sehr schnell gegen diesen Film positioniert haben. Für eine Feministin kann es dann schwierig sein, sich auf dieselbe Seite zu stellen.

DER SPIEGEL: Pinkstinks hat den Spot auf Facebook angeprangert. Nicht alle Mitglieder Ihrer Community fanden das gut.

Schmiedel: Der Vorwurf kam auf, wir machten uns jetzt gemein mit den Männerrechtlern. Mir ist es sowas von wurscht, wenn die Männerrechtler zufällig mal dieselbe Meinung haben wie wir. Der Film ist sexistisch. Er ist ein Schlag ins Gesicht für alle Väter, die sich bemühen.


Immerhin schön, dass bei Stevie Schmiedel die Einsicht, dass Sexismus grundsätzlich doof ist, über ihren natürlichen Widerstand gesiegt hat, als Feministin mit Männerrechtlern derselben Meinung zu sein. Zu diesem Thema könnte man einiges mehr sagen, aber warten wir damit noch ein paar Tage.

Der Männerrechtler "Crumar" kommentiert das Interview mit Stevie Schmiedel so:

Nur kurz: Es handelt sich bei uns um MASKULISTEN, Stevie.

Was ich dem letzten Satz entnehme, unsere Argumente und Einschätzungen haben inzwischen eine solide Reichweite und Wirkung.

Sie müssen abwägen, ob es schädlich ist, sich auf unsere Seite zu stellen oder aber inkonsequent erscheinen und zusätzlich das argumentative Feld uns überlassen.

Es ist aber unmöglich geworden, unsere Argumente einfach zu ignorieren.


Wenig überraschend findet es auch die "Zeit" naheliegend, wenn Männer gegen Sexismus protestieren, FeministInnen dazu zu befragen. Hier findet man in den Antworten den sattsam bekannten Tonfall:

"Was mir (...) total missfällt, sind die Reaktionen beziehungsweise der Shitstorm. Letztendlich stellen sich hier – oh, Überraschung – mal wieder Männer als Opfer dar. Die Kritik, die formuliert wird, ist null konstruktiv, nur destruktiv. Ich finde, der Spot hat Kritik verdient, aber das ist keine Kritik mehr."


"Es ist unnötig, hier darüber zu fachsimpeln, ob es sexistisch gegenüber Männern ist – wenn’s das nicht ist, weil es das nicht gibt, dann ist’s eben sexistisch gegenüber Frauen, weil die ja hier ebenfalls in eine Schublade gesteckt werden – nämlich in die der Kindererzieherin, deren Kernkompetenz wohl hier liegt. Ist also völlig egal, ob es Sexismus gegenüber Männern gibt – sexistisch gegenüber irgendwem ist es."


"Ich glaube aber, mich stören die übertriebenen Reaktionen von einigen Männern (und wenigen Frauen) noch mehr. 'Mimimi, das ist Sexismus, ich bin ein toller Papa, Mimimi' – Könnte kotzen davon. Ich möchte bitte eine Welt ohne weinerliche privilegierter Arschlöcher, die nicht sofort rumheulen, wenn man ihnen nicht den Hintern pudert, aber bei echter Ungerechtigkeit wegschauen."


Auch Lucas Schoppe hat sich in dieser Debatte noch einmal ausführlicher geäußert:

Ich hab mir auch schon mehrmals überlegt, dass es hier immerhin nur um einen Werbespot geht und dass es dann vielleicht schon albern war, überhaupt einen drei DIN-A4-Seiten langen Text dazu zu schreiben.

Außerdem ist es wichtig, grundsätzlich wohlwollend zu interpretieren, was andere tun. Also Edeka nicht gleich Väterverachtung vorzuhalten, sondern zu überprüfen, ob hier nicht einfach Männer als harmlose, aber nette, manchmal eben etwas vertrottelte Wesen dargestellt werden. Das wäre auch klischeehaft und nicht sehr freundlich, aber keiner großen Aufregung wert.

Ich finde die Schärfe der Proteste aus zwei Gründen gut, einem weniger wichtigen und einem entscheidenden.

Weniger wichtig in der konkreten Situation ist eine allgemeine Erwägung. Mir ist, gerade in Diskussionen mit identitätspolitisch agierenden Menschen von rechts und links, schon oft eine sehr unangenehme Doppelmoral aufgefallen. Feministinnen beispielsweise kommen gegebenfalls drei Wochen nicht aus dem Empörungsmodus heraus, weil sie einen breitbeinig in der U-Bahn sitzenden Mann gesehen haben – tönen dann aber höhnisch was von "Male Tears" oder "Male Fragility", wenn sich ein Mann über Slogans wie "Männer sind Müll" oder "Kill all men" beschwert.

Solche Doppelstandards sind nicht auf einige isolierte seltsame Gestalten mit niedlichen kleinen Defekten beschränkt, sondern gehören zu einer politischen Kultur und werden institutionell, auch aus Parteien, gefüttert.

Wer darauf nur achselzuckend reagiert und gelassen keine große Sache aus eigenen unangenehmen Erfahrungen machen möchte – der verhält sich nach zivilen Maßstäben völlig vernünftig und angemessen, wird aber in der Auseinandersetzung mit den zitierten Doppelstandards trotzdem untergehen.

Deshalb ist es für Männer meines Erachtens wichtig zu lernen, es deutlich zu formulieren, wenn sie sich angegriffen sehen – und sich nicht durch die Befürchtung einschüchtern zu lassen, sie würden als Reaktion gewiss nur den Rat erhalten, doch einfach mal den Stock ausm Arsch und die Sache mit Humor zu nehmen.

Der zweite Grund ist für mich wichtiger: Ich finde den Spot tatsächlich überhaupt nicht harmlos. (...) Ich hatte beim ersten Zuschauen erwartet, dass die sehr negativen Vaterdarstellungen sich ironisch auflösen werden – aber das tun sie nicht, sie werden eher noch verschärft auf den Punkt gebracht.

Wir sehen in zwei verschiedenen Situationen Väter, die ihren Töchtern echte und ganz unironische Schmerzen zufügen – in einem Fall so, dass die Tochter nicht mehr aufhören kann zu schreien. Wir sehen in zwei weiteren Situationen Väter, vor denen ihre Töchter sich offensichtlich ekeln. Wir sehen einen Vater, der aus Blödheit seine Tochter mitten auf eine Spielfläche strullern lässt – natürlich argwöhnisch beäugt von einer Frau, neben der ein Kinderwagen steht, ohne dass es mit dem Kind irgendwelche Probleme gäbe. Ein Vater schreit seine Tochter an, als die offensichtlich Hilfe braucht. Ein Vater ist so überfordert, dass er für sein Kind nicht sorgen könnte, falls dem was passieren würde.

Das sind keine harmlosen Trotteleien, sondern es ist jeweils ein ernstzunehmendes Versagen, zum Teil auch mit Schäden für die Kinder.

Eigentlich kommt nur ein Vater halbwegs gut weg – nämlich der, der bei seinem masturbierenden Sohn ins Zimmer stolziert und such sofort entschuldigt. Aber in dem Fall wird der Sohn lächerlich gemacht. Was wäre wohl gewesen, wenn Edeka hier stattdessen ein minderjähriges masturbierendes Mädchen gezeigt hätte, um es für einen Werbeeffekt auszuschlachten? Alles nur ein harmloser Spaß?

(...) Seine Botschaft ist nicht, dass Mütter und Väter komplementär sind oder sich ergänzen. In der ganzen Logik dieses Films wäre es besser, wenn der Mann gar nicht da wäre und die Mutter alles allein machen könnte.

Und das ist eben auch deswegen nicht lustig, weil es eine Erfahrung von Hunderttausenden ist – von Vätern wie von Kindern.

Was mich an dem Spot vor allem beunruhigt, ist gar nicht einmal nur die Väterfeindlichkeit – sondern die Tatsache, dass hier ein großes Unternehmen offenbar damit kalkuliert, dass sich durch Feindschaft gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen Aufmerksamkeit und damit am Ende Profit generieren lässt. Das darf kein Beispiel für andere werden.

Obwohl ich regelmäßig im Blog schreibe, bin ich immer nur zwischendurch im Netz, weil ich ein ziemlich reichhaltiges und forderndes Offline-Leben habe. Dabei ist meine Erfahrung, dass zivile Strukturen und Verhaltensweisen – Wohlwollen, Kollegialität, Hilfsbereitschaft, Höflichkeit, Bereitschaft zum Perspektivenwechsel – sehr stabil weit verbreitet sind.

Das ist in der medialen Welt, die ich erlebe, anders, auch in der Welt der Politik, gerade auch der Netzpolitik. Für mich ist der Edeka-Spot ein Beispiel dafür, dass ein großes Unternehmen mit beträchtlichen finanziellen und infrastrukturellen Möglichkeiten aus egoistischem Kalkül antisozial agiert – und dass durch sowas, wenn es Schule macht, die durchaus stabil vorhandene Alltagszivilität erodieren kann.




2. Der Humaistische Pressedienst hat zum "Tag der genitalen Selbstbestimmung" einen offenen Brief von Rolf Herzberg, Strafrechtsprofessor an der Ruhr-Universität Bochum, online gestellt, mit dem Herzberg auf ein in der ZEIT veröffentlichtes Statement von Mike Samuel Delberg antwortet:

Sehr geehrter Herr Delberg!

In der ZEIT vom 2. Mai 2019 lese ich auf Seite 7, dass Ihnen "als Jude … Artikel 4 sehr wichtig" ist und dass Sie nur einmal gedacht haben, Ihre "deutsche Heimat vielleicht verlassen" zu müssen, nämlich "während der Debatte um ein Beschneidungsverbot". Es wird nicht ganz deutlich, auf welcher Seite Sie in diesem Streit gestanden haben. Aber Sie sind in Deutschland geblieben, nachdem sich mit § 1631 d BGB im Kern nicht die Beschützer des kindlichen Genitals, sondern die Apologeten des religiösen Rituals zunächst durchgesetzt haben. Darum vermute ich, dass es Ihnen bei der Berufung auf Artikel 4 nicht um ein Recht des Kindes geht, d.h. um seine "negative Religionsfreiheit", die ja durchaus beeinträchtigt wird durch die sichtbare und unauslöschliche Besiegelung einer religiösen Zugehörigkeit. Eher glaube ich, dass Sie Art. 4 Abs. 2 des Grundgesetzes im Auge haben und daraus umgekehrt ein Grundrecht der Eltern ableiten, durch die Beschneidung ihrer männlichen Kinder positiv ihre eigene Religion auszuüben. Und wenn Sie Ihre deutsche Heimat verlassen hätten, dann wohl deshalb, weil hierzulande (wie übrigens auch in Israel!) viele auf Seiten der Kinder stehen und das fragliche Recht der Eltern bestreiten. Prominente Ärzte und Juristen, das Landgericht Köln und die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland beurteilen die medizinisch unnötige Beschneidung als schwerwiegendes Unrecht.


Hier geht es weiter.



3. Mehr Post. Einer meiner Leser schreibt mir zu dem gestern hier auf Genderama ausführlich zitierten Beitrag von Sciencefiles:

Lieber Herr Hoffmann,

zum folgenden Abschnitt des Beitrags von Sciencefiles wollte ich mich einmal kurz äußern:

"Das bringt uns zurück zur Vorgabe, von der wir oben gesprochen haben. Wir sind der Ansicht, dass die Liste der Gender Kritiker, die in REVERSE diffamiert werden sollen, eine Vorgabe darstellt. Ob die Liste vom BMBF vorgegeben wurde, das immerhin Steuergelder einsetzt, um ein Projekt zu finanzieren, das der Diffamierung und Verleumdung von Wissenschaftlern, die die Gender Studies kritisieren, dient, wissen wir nicht."

Natürlich ist es schwierig zu sagen, was alles in unseren Ministerien vor sich geht. Allerdings halte ich solch einen Vorwurf der Verschwörungen für an den Haaren herbeigezogen. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist - aber es muss nicht immer gleich die große Verschwörung mit Regierungsbeteiligung sein.

Forschungsförderlinien werden von Ministerien mit bestimmten Schwerpunkten aufgelegt, Universitäten bewerben sich mit ihren Projekten darauf und bekommen dann den Zuschlag - oder eben auch nicht. Es ist nicht notwendig, hierzu Kontakte zum Ministerium zu pflegen. Es ist viel wahrscheinlicher, dass ein Forscher eine persönliche Vendetta zum Forschungsziel erklärt, diese blumig umschreibt und dann den Antrag einreicht.

Die Ministerien (oder häufig die ausführenden Projektträger) setzen sich durchaus mit den Forschungszielen auseinander und prüfen die Zielerreichung. Diese Auseinandersetzung geht aus meiner Erfahrung aus der Forschungsverwaltung jedoch nur begrenzt in die Tiefe. Die Anträge sind inhaltlich häufig relativ knapp gehalten. Wer sich gut verkaufen kann und einen plausibel klingenden Antrag einreicht, hat realistische Chancen, gefördert zu werden. Wenn man ein hot topic erwischt, stehen die Chancen noch besser; und davon hat diese Studie aus meiner Sicht gleich mehrere.

Am Ende ist es wahrscheinlich ganz einfach: Es wurde ein Antrag gestellt, der erst einmal vernünftig klingt und der verspricht, mehrere Themen zu beackern, die aktuell immer wieder in aller Munde sind.

Aus den Mitteln wurden nun mehrere Wissenschaftler finanziert die daran forschen, woran Genderwissenschaftler eben so forschen. Am Ende der normalerweise 2-3 jährigen Förderperiode können sie dann angeben, dass die Meilensteine erreicht wurden und mehrere Publikationen zum Thema erschienen sind. Dann gibt es noch einen Abschlussbericht, und die Sache ist durch. So einfach, so unspektakulär. Das ist der ganz normale Alltag in der Wissenschaft.

Das System ist nun mal nicht perfekt, und es werden leider auch mal die Falschen gefördert - ohne dass es jemandem auffällt.

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