Aktueller SPIEGEL: Fisch-Sex-Feminismus schwappt nach Deutschland – News vom 6. Mai 2018
1. In einem Artikel des aktuellen SPIEGEL, der nur im Anriss online steht, widmet sich das Magazin der neuesten Welle der feministischen Bewegung. Philipp Oehmke, Autor des Beitrags, bezeichnet diese sogenannte "Sad Girl Theory" als eine "Form weiblichen Widerstands" und von "Subversion", welche "die Umwelt, vor allem die männliche, mit dem eigenen Unglück, der eigenen Unzulänglichkeit, Unsicherheit, dem Selbsthass" konfrontiert.
Als Vertreterin dieses neuen Trends stellt Oehmke die Autorin Melissa Broder vor, deren Roman "Fische", über den Genderama gestern berichtete, nächste Woche auch auf Deutsch erscheinen wird. Dabei erfahren wir über Melissa Broder anhand ihrer Selbstdarstellungen im Internet folgendes:
Wir wissen nun, dass sie noch nie das Gefühl hatte, einem anderen Menschen zu genügen; dass sie sich Sorgen darüber macht, dass ihre Schamlippen nicht symmetrisch und mit der Zeit nachgedunkelt sind; dass ein Mann sie zum Sex ins Hotel einlud, aber kein Zimmer gebucht, sondern sie bloß auf der öffentlichen Hoteltoilette anal penetriert hat, was sie angemessen fand; dass der sicherste Weg in die soziale Isolation darin liegt, schon in jungem Alter versehentlich einen sexuellen Fetisch zu entwickeln, der fast jeden Sexualpartner abstößt (Broders besteht darin, dass sie möchte, dass sich ihr Partner während des Aktes übergibt).
Oehmke fasst daraufhin die Handlung des Fisch-Sex-Romans zusammen, dessen Heldin Lucy, wie seine Autorin eine Frau Ende dreißig, anfangs gezwungen ist, eine Therapiegruppe zu besuchen, weil sie ihrem Ex-Freund beim finalen Trennungsstreit das Nasenbein gebrochen hat. Offenbar ist dieser Therapiezwang ein weiterer Beleg für die Unterdrückung der Frau in der patriarchalen Gesellschaft. Bei seiner Interpretation des Romans bezieht sich Oehmke auf eine Äußerung des Late-Night-Moderators Jimmy Kimmel bei der diesjährigen Oscarverleihung im Zusammenhang mit dem Gewinnerfilm "Shape of Water": "Wir werden dieses Jahr immer als das Jahr in Erinnerung behalten, in dem wir Männer es so versaut haben, dass Frauen begannen, etwas mit Fischen anzufangen."
Das Sex mit Fischwesen ein viel spannenderes Thema für unsere Leitmedien ist als zum Beispiel die langweiligen Statistiken der Männerrechtsbewegung, greifen auch andere Leitmedien dieses Thema auf, so etwa die Neue Zürcher Zeitung und die "Welt", wo Broders Werk bereits als eines der besten Bücher für den kommenden Sommer empfohlen wird.
2. Bundeskanzlerin Merkel und anderen Damen der Union zufolge wird der geringe Frauenanteil in der CDU den Ansprüchen einer Volkspartei nicht gerecht:
Mehrere Politikerinnen übten am Samstag massive Kritik an mangelnder Gleichberechtigung in der Partei - und pochten auf gesetzliche und parteiinterne Veränderungen. Wie die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, zum Auftakt in einer kämpferischen Rede deutlich machte, sind die Frauen in der CDU bei den Mitgliedern und auch bei den Mandaten immer noch stark unterrepräsentiert. Der weibliche Mitgliederanteil bewegt sich seit 20 Jahren um die 25 Prozent – zur Zeit liegt er bei 26 Prozent. (...) Auch in der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ist der Frauenanteil nach der Bundestagswahl von zuvor 25 auf nun 20 Prozent gesunken. Ein Grund dafür sind die vielen Direktmandate der CDU, die meist von Männern gewonnen werden.
Wenn man die Wähler nur irgendwie daran hindern könnte, sich für Männer zu entscheiden ...
Kanzlerin Merkel erklärte,
sie wolle den Anteil der Frauen in der Partei und bei den Abgeordneten mit neuen Instrumenten stärken. Konkrete Schritte nannte Merkel aber nicht. Die Frauen-Union wurde dagegen in ihren Forderungen deutlich. Der Bundesvorstand will, dass die Listen der CDU künftig verbindlich zur Hälfte mit Frauen besetzt werden müssen.
Aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen erfährt man darüber hinaus:
Die Frage, wie sich die Beteiligung von Frauen in der Politik noch weiter verbessern lässt, steht am Samstag aber auch nach den Reden von Merkel und Widmann-Mauz im Mittelpunkt. In einer Diskussionsrunde zwischen den Ehrenvorsitzenden der Frauenunion, Rita Süssmuth und Maria Böhmer, Widmann-Mauz, der Vorsitzenden der Frauenunion der CSU, Angelika Niebler, der Grünen-Politikerin Claudia Roth und FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sprechen sich alle Politikerinnen dafür aus, die überparteiliche Zusammenarbeit zu stärken, um die Themen und Anliegen von Frauen voranzubringen. Dabei gehe es auch darum, gemeinsam gegen "einen Backlash und den Anstieg sexistischer Gewalt" vorzugehen, mahnt die 81 Jahre alte Rita Süßmuth.
Wir erinnern uns an den Koalitionsvertrag zwischen den Unionsparteien und den Sozialdemokraten, in dem sich endlose Passagen mit Frauenpolitik und drei dürrer Sätzlein zur Männerpolitik finden.
Dieses groteske Missverhältnis ist den Politikerinnen noch lange nicht groß genug.
3. Könnte es dafür, dass weniger Frauen als Männer in politische Parteien gehen, Gründe geben, über die zu sprechen als politisch inkorrekt gilt?
Darauf weist ein aktueller Artikel des Wiesbadener Kuriers hin. Er berichtet über den Politikwissenschaftler, Journalist und Buchautor Paul-Hermann Gruner, der eine wissenschaftliche Analyse von Sprache und Inhalt der führenden deutschen Frauenzeitschriften vorlegte:
Alternative Zeitschriften, die anders sind und etwa Themen wie Umwelt und Politik tiefergehend behandeln, "gibt es nicht mehr. Andere Frauenzeitschriften sind ökonomisch gesehen etwas schwächer auf der Brust oder konnten sich nicht halten". Es werde ganz klar entschieden am Kiosk und vor den auf 15 Metern im Regal aufgereihten Magazinen. "Frauenzeitschriften sind eine eigene kleine Welt, ein resistentes Bauteil einer symbolischen Sinnwelt, mit einer unglaublichen Stabilität", sagt Paul-Hermann Gruner.
(...) "Es ist faszinierend, dass in drei großen Zeitschriften Beziehungen nur noch am Rande thematisiert werden", sagt Paul-Hermann Gruner. (...) Seiner Meinung nach wird ein eng fokussiertes Frauenbild gezeigt, dass sich "auf die Phalanx der Schönheit reduzieren lässt, und das deutlich mehr als vor 40 Jahren", sagt Gruner.
Darf man es wagen den folgenden Gedanken auszusprechen: Vielleicht interessieren sich eine Mehrheit der Frauen einfach nicht so sehr für Politik wie Männer. Daran könnte dann auch noch so ausdauerndes Manipulieren von Wahllisten wenig ändern.
4. Währenddessen klagen viele Männer über die starren Rollenzuschreibungen, denen ihr Geschlecht ausgesetzt wird. Einer aktuellen Studie zufolge fühlt sich ein Drittel der deutschen Männer noch immer unter Druck gesetzt, männlich zu sein. Dabei verhalten sich entgegen sexistischer Klischees nur 28 Prozent der deutschen Männer gerne aggressiv, und 71 Prozent reden über ihre Gefühle.
Die Untersuchung verrät noch mehr über die Kluft zwischen feministisch-journalistischen Darstellungen von Männern und die Wirklichkeit:
Die Studie zeigt auf, dass die Selbst- und Fremdeinschätzung von Männern bzw. von ihren Mitmenschen in vielerlei Hinsicht auseinandergeht. So definieren sich die Herren der Schöpfung eher außerhalb klassischer Rollenbilder, während die Gesellschaft wesentlich mehr in Stereotypen denkt.
(Sorry, wer ist denn "die Gesellschaft" abzüglich der Männer? Eigentlich bleiben da für das Denken in Stereotypen fast nur noch die Frauen übrig.)
Rund neun von zehn Männern geben an, dass sie an Gleichberechtigung am Arbeitsplatz interessiert sind. Das sagen aber gerade einmal 61 Prozent ihrer Mitmenschen über sie.
Mit anderen Worten: Etliche Männer glauben eher der herabsetzenden Darstellung ihres Geschlechts in den Leitmedien als ihrer eigenen Einstellung. Das zeigt sich auch in anderen Aspekten:
Während 85 Prozent der Männer aussagen, dass sie kein Problem mit Hausarbeit haben, denkt gerade einmal die Hälfte der Gesellschaft, dass Männer hier auch Hand anlegen. Das Thema Gefühle ist laut Selbsteinschätzung für 79 Prozent der Männer kein Problem, aber nur die Hälfte der Nation denkt, dass Männer gerne ihre Gefühle zugeben.
5. Der Schauspieler Sean Penn verurteilt MeToo als eine "intellektuell unredliche", sich selbst verherrlichende Bewegung, die von einer "Manie" angetrieben werde: "Ich weiß, dass es einige Lügen gibt, die öffentlich über Menschen erzählt wurden; ich weiß von einigen ernstzunehmenden Auslassungen."
6. Die Post. Einer meiner Leser macht mich heute auf einen Beitrag der "Tagesschau" aufmerksam: Femizid in Mexiko: Ermordet, weil sie Frauen sind". Als Autorin zeichnet Anne-Katrin Mellmann. Mein Leser schreibt mir zu diesem Beitrag:
Ich habe mal kurz recherchiert. Auf Spiegel-Online steht ein Artikel, der besagt, dass Frauen ein zehnfach geringeres Risiko haben, ermordet zu werden. Komischerweise spricht da aber keiner von einem Androzid.
Ein anderer Leser schreibt mir zu demselben "Tagesschau"-Beitrag:
Ohne zu bezweifeln dass die dargestellten Ereignisse sachlich zutreffen und berichtenswert sind, ist mir beim Lesen der sehr profeministische Zungenschlag des Textes aufgefallen. Ich habe daraufhin einen Kommentar für das Tagesschau Online-Forum mit einer entsprechenden Kritik verfasst. Dieser wurde wenige Sekunden nach Absenden von der Moderation abgelehnt. Daraufhin habe ich in Abständen von wenigen Minuten zwei weitere Postings mit identischem Inhalt verfasst, den letzten mit einer zusätzlichen Bemerkung an die Moderation. Diese wurden ebenfalls jeweils wenige Sekunden nach Absenden rot markiert, d.h. von der Moderation geblockt. Sie können sich meine Posting-Historie und meinen Text in diesem Screenshot ansehen.
Gegen 13:00 Uhr war ein einziger Kommentar eines anderen Users sichtbar. Darin wurde schwache Kritik formuliert, mit dem Tenor dass es in Mexiko viel mehr männliche Opfer von Gewalt gebe.
Gegen 13:30 war die Kommentarfunktion für den Artikel geschlossen, und der einzige Kommentar wieder gelöscht. Man kann nur vermuten warum. Meine Vermutung wäre, dass es eine Flut von kritischen Kommentaren gab, und man die einfach gar nicht freischalten will.
Das ARD-Flaggschiff "Tagesschau" tilgt demnach Leser- und Zuschauerkommentare, mit denen die Macher dieser Sendung um eine weltanschaulich neutrale Berichterstattung gebeten werden. Stattdessen heißt es auf der Website unter dem Artikel: "Bisher keine Kommentare zur Meldung. Kommentierung der Meldung beendet."
Und bei dem nächsten Beitrag der Öffentlich-Rechtlichen über Kritik an ihrer Arbeit wird es wieder so dargestellt werden, als ob diese Kritik nur von Verschwörungstheoretikern, Populisten und dem rechten Rand ausginge. Ist es da ein Wunder, dass sich immer mehr Menschen durch unsere Staatsmedien an die DDR erinnert fühlen?
Bemerkenswert ist aber auch, wie unsouverän die "Tagesschau" Kritik von Lesern und Zuschauern handhabt. Man hätte diese Kritik ja auch veröffentlichen und ignorieren können. Stattdessen kann nicht einmal öffentlich zugestanden werden, dass es kritische Rückmeldungen zu dieser Berichterstattung gibt. Die Menschen, die unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit prägen, scheinen zunehmend empfindlich zu werden.
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