Dienstag, Mai 01, 2018

Studie zur "gläsernen Decke": Frauen bewerben sich seltener auf Spitzenjobs – News vom 1. Mai 2018

1.
Frauen stellen zwar 45 Prozent der Beschäftigten - aber nur rund 29 Prozent der Führungskräfte. Sie sind an der Spitze deutscher Unternehmen also deutlich unterrepräsentiert, wie eine Auswertung des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) am Montag noch einmal bestätigte.

Interessant ist allerdings, dass die Autoren auch die Bewerbungen von Frauen auf Spitzenjobs betrachtet haben. Hier liege der Frauenanteil bei 31,5 Prozent und entspreche somit fast ihrem Anteil an den Führungspositionen, heißt es in dem Bericht. In mehr als vier von zehn Unternehmen wird laut IW gerade einmal jede zehnte Bewerbung um eine leitende Funktion von einer Frau eingereicht.


Hier findet man den vollständigen Artikel.



2. In den deutschen Leitmedien ist seit einigen Wochen – ohne Namensnennung – von zwei WDR-Mitarbeitern die Rede, denen (offenbar unabhängig voneinander) sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden: ein Auslandskorrespondent und ein hochstehender Mitarbeiter des Senders. Die Berichterstattung war von Empörung darüber getragen, dass diese Männer trotzdem noch beim WDR tätig sein dürfen. Jetzt geht der WDR-Mitarbeiter Gebhard Henke, vormals verantwortlich für Serien wie die "Lindenstraße", nachdem er vom Sender freigestellt wurde, selbst an die Öffentlichkeit. Die Süddeutsche Zeitung berichtet:

Henke wehrt sich nun mit Hilfe einer Anwaltskanzlei gegen die Anschuldigungen. (...) Er habe [Fernsehdirektor Jörg] Schönenborn mehrfach gebeten, die Vorwürfe zu konkretisieren, von diesem aber lediglich die Antwort erhalten, dass dieser sich dazu nicht äußern könne und wolle, heißt es in einer Presseerklärung der Kanzlei. Diese fordert den WDR nunmehr auf, die Vorwürfe bis zum 10. Mai zu konkretisieren, auf dass Henke zu ihnen Stellung nehmen könne, oder aber die Freistellung aufzuheben. Henke bestreitet, sich jemals so verhalten zu haben, wie ihm dies vorgeworfen wird.


Auch auf Presseanfragen reagiert der WDR mit ausweichenden Antworten.

Ich stelle mir eine Verteidigung, ohne dass man die konkrete Anklage kennt, eher schwierig vor. Auch der bekannte Rechtsanwalt Udo Vetter kommentiert diesen Fall auf Facebook mit der gebotenen Verblüfftheit. ("Der WDR stellt einen hochrangigen Mitarbeiter frei, ohne ihm auch nur ansatzweise zu sagen, warum das geschieht. Haben die beim WDR keinen Arbeitsrechtskommentar in der Bibliothek?") Außer uns beide scheinen derartige Vorgänge aber niemanden zu stören im Zeitalter von MeToo.



3. In unseren Medien wird deshalb so viel Gewalt gegen Frauen gezeigt, weil Frauen Darstellungen weiblicher Opfer lieben, erklärt Germaine Greer, eine führende Feministin der "zweiten Welle" ihrer Bewegung (sechziger bis achtziger Jahre).

Die feministische Autorin (79) sagte, dass Verbrechensdramen, die wegen ihrer unnötigen Darstellungen von Gewalt gegen Frauen unter Beschuss geraten sind, lediglich versuchen, die Wünsche des Publikums zu befriedigen, statt einer Objektivierung durch Männer gerecht zu werden.

"Weibliche Viktimisierung verkauft sich. Was uns stören sollte, ist, dass es sich an Frauen verkauft", schreibt Miss Greer in der Radio Times.

(...) Es gibt einige Daten, die ihre Behauptungen belegen, dass Frauen von Mord und sexueller Gewalt angezogen werden. So ergab eine Studie der University of Illinois aus dem Jahr 2010, dass Frauen eher dazu neigen, True-Crime-Bücher auf Amazon zu rezensieren, und Krimisendungen im Fernsehen ziehen überwiegend weibliche Zuschauer an.

Miss Greer entfachte Kontroversen mit kritischen Kommentaren zur #MeToo-Bewegung und argumentiert in ihrem neuen Buch "On Rape", dass es mehr Bewusstsein für die Unterscheidung zwischen "schmierigem Verhalten und gewalttätigen Übergriffen" geben sollte. Sie sagt dazu in der Radio Times: "Inmitten des Mediensturms, den die #MeToo-Kampagne darstellt, hat sich ein weiblicher Promi nach dem anderen als Opfer sexueller Belästigung geoutet. Alle wurden zu ihrer Tapferkeit beglückwünscht, auch wenn sie Zahlungen für die Unterzeichnung von Geheimhaltungsvereinbarungen entgegennahmen und die Verjährungsfrist abgelaufen war. Dieses Verhalten wurde endlos wiederholt."

Greer fügte hinzu, dass männliche Opfer "sich nicht präsentieren", weil Frauen keine Lust haben, sie zu sehen.




4. Lucas Schoppe erörtert den fragwürdigen journalistischen Umgang mit dem Amokfahrer von Toronto.

Einen US-amerikanischen Artikel zu diesem Thema behandele ich in einem eigenen Blogbeitrag. (Ein für sich stehender Blogeintrag kann eher als eine komplette Presseschau verlinkt werden, wenn das diskutierte Thema es verlangt.)

Was man zum medial damit verknüpften Thema "Incels" (Menschen ohne Erfahrungen mit Sex und Partnerschaft) auch wissen sollte: Die Zahl der Amerikaner im Alter zwischen 18 und 30, die im vergangenen Jahr keinen Sex hatten, ist von sieben Prozent im Zeitraum von 2010 bis 2012 auf 18 Prozent im Zeitraum von 2014 bis 2016 gestiegen. Und der Anteil von Heranwachsenden, die überhaupt sexuelle Erfahrungen gemacht haben, ist von 47 Prozent im Jahr 2005 auf 41 Prozent im Jahr 2015 gefallen. Beobachter sprechen von einer "sexuellen Gegenrevolution" vor dem Hintergrund, dass sexuelle Kontaktaufnahmen inzwischen zu einem wahren Minenfeld geworden sind. Das ist aber ein eigenes Thema. Ziemlich genau hundert Prozent dieser Menschen begehen keinen Amoklauf.

Insofern erscheint die Verknüpfung von "Incels" mit Gewalttätern, die viele Journalisten in den letzten Tagen geleistet haben, genauso konstruiert wie eine Verknüpfung mit "toxischer Männlichkeit". Das führt die Neurowissenschaftlerin Debra Soh in der kanadischen Globe and Mail aus:

Das Konzept der "toxischen Männlichkeit" behauptet, dass die Gesellschaft Männer davon abhält, ihre Emotionen auszudrücken, und dies führe sie dazu, auf schädliche und gewalttätige Weise zu handeln. Es pathologisiert und beschämt das männliche Verhalten und beendet jede sinnvolle Unterhaltung darüber, was wirklich geschieht.

Es geht nicht um Sex oder gar um sexuelle Ansprüche. Nach meiner Erfahrung mit inhaftierten Gewalt- und Sexualstraftätern sind diese Verbrechen Fälle von Asozialität, die sich als Hass auf Frauen manifestieren. Asoziale Persönlichkeitsstörungen sind definiert durch Unerbittlichkeit und eine allgegenwärtige Missachtung des Wohlergehens anderer - und können auch bei Frauen auftreten. Im Rahmen der Therapie ist dies schwierig zu behandeln. Der effektivste Ansatz ist die Prävention, die auf gefährdete Jugendliche abzielt, bevor sie gewalttätig werden. Selbst wenn diejenigen in der Incel-Gemeinschaft sexuell aktiv wären, würden sie immer noch Ressentiments gegenüber Frauen hegen.

Um diese Art von Gewalt zu verstehen, müssen wir ihr in die Augen schauen, anstatt Trost in vertrauten, aber falschen Erzählungen zu finden. Die Mehrheit der Männer ist nicht frauenfeindlich oder voller Wut gegenüber Frauen. Die meisten Männer verhalten sich nicht so, auch nicht Männer, die sexuell frustriert sind. Diejenigen, die "giftige Männlichkeit" und "Vergewaltigungskultur" beschuldigen, verfehlen das Ziel - das ist keine Frage des Geschlechts und sollte nicht dazu gemacht werden.




5. "Es ist mir erlaubt zu sagen: Männer sind Müll", erklärt die Feministin Linnea Lagerstedt, die nicht als "Femi-Nazi" bezeichnet werden möchte, in einem aktuellen Beitrag. Die Highlights:

[Männer sind Müll.] Während ich diese drei gewaltigen, stigmatisierten Worte tippe, spüre ich bereits die Welle des Hasses, die auf mich zukommt, also lasst mich schnell die Luft reinigen. Ich hasse nicht alle Männer. Im Gegenteil, einige meiner besten Freunde sind Männer - auch wenn das unheimlich ähnlich klingt wie Donald Trump, der behauptet, er habe eine "großartige Beziehung zu den Schwarzen". (....) Wenn es um Männer geht, glaube ich, dass sie schuldig sind, bis ihre Unschuld bewiesen ist, denn wenn ich es nicht so sehe, setze ich meine Gesundheit und Sicherheit aufs Spiel. (....) Ich sage nicht, dass ich in jede Beziehung mit jedem Mann gehe, den ich treffe, indem ich annehme, dass er ein beleidigendes, vergewaltigendes, sexistisches Arschloch ist; Gott weiß, dass ich null Freunde hätte, wenn ich das tun würde. Doch wann immer ich einen Mann zum ersten Mal treffe, werde ich ihm nicht vertrauen, bis er sich als vertrauenswürdig erweist. Wenn jemand sagt, dass er nach einem Angriff Angst vor Hunden hat, obwohl er logischerweise weiß, dass nicht alle Hunde so sind, nicken wir und verstehen, aber wenn ich sage, dass ich Angst vor Männern habe, werde ich geächtet. (....) Es gibt Frauen und Nicht-Binäre, die zweifellos auch schreckliche Menschen sind, aber als Gesamtgruppe glaube ich, dass Männer Müll sind. (....) Von 1000 Vergewaltigern laufen 994 frei herum (...) Ich zeigte einen ersten Entwurf dieses Artikels einem meiner Freunde, der sofort sagte, dass er ihm zwar gefiel, aber ein bisschen wie ein Angriff wirke. Indem mein Text sage, dass Männer sich erst selbst beweisen müssten, erschaffe er ein Minenfeld, in dem Männer das Gefühl haben, in Gesprächen auf Eierschalen laufen zu müssen. Das ist nicht meine Absicht, aber ich denke, dass Männer besser aufpassen müssen, was sie sagen. (...) Wenn man im Alltag sexistische Sprache benutzt und Mikroaggressionen ausstrahlt, kann man zwar niemanden verletzen, aber man normalisiert schädliches Verhalten, das wiederum echte Gewalt verursacht.


Die Kernthesen dieses Artikels lauten also: Wir sollten sagen dürfen, dass Männer Müll sind, und wir sollten uns vor sexistischen Mikroaggressionen schützen. Soso. Beißt sich auch fast gar nicht miteinander.

Linnea Lagerstadts Hass auf Männer kam indes nicht aus dem Nichts angeflogen. Sie berichtet in ihrem Artikel auch, dass sie einen gewalttätigen Vater hatte und als Erwachsene vergewaltigt worden war. Man könnte jetzt nachforschen, ob es zwischen diesen beiden Erfahrungen einen anderen Zusammenhang geben könnte als dass alle Männer Müll sind, aber Lagerstadt hat sich stattdessen dafür entschieden, Männer so zu hassen, wie manche "Incels" offenbar Frauen hassen. Nur: Wenn Männer stark abwertend über Frauen schreiben, ist die Empörung in den Leitmedien international groß. Schreiben Frauen so über Männer, überschlagen sich (wie im Fall Jens Jessens) die Leitmeiden damit zu beteuern, dass das doch überhaupt kein Problem darstelle. Empathie ist geschlechtsgebunden, einmal mehr.

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