Freitag, August 11, 2017

Dpa, Google, Grüne – News vom 11. August 2017

1. Auf Seite 3 meiner Lokalzeitung stieß ich gestern auf den ganzseitigen Artikel "Wenn Liebe in Wut umschlägt" von Britte Schultejans (nicht online). Direkt unter der Schlagzeile prangte fett die Behauptung "Mehr als 80 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind weiblich", was durch zwei Diagramme auch noch optisch unterstützt wurde.

Wir wissen natürlich, dass das nicht so ist: Schon im von der Kriminalstatistik erfassten Hellfeld ist fast jedes dritte Prügel-Opfer ein Mann. Untersucht man das Dunkelfeld, also die Fälle, die gar nicht erst zur Anzeige gelangen, stößt man auf eine annähernde Gleichverteilung. In der Studie "Männer - die ewigen Gewalttäter?" beispielsweise, die der Diskriminierungsforscher Dr. Peter Döge für die Evangelische Kirche erstellte, gaben 45 Prozent der befragten Männer und 41 Prozent der befragten Frauen an, häusliche Gewalt erlitten zu haben. Auch die Sozialforscher Lamnek, Luedtke und Ottermann gelangten in ihrem Fachbuch "Tatort Familie" (Verlag für Sozialwissenschaften 2006) zu dem Ergebnis, dass Männer sowohl absolut als auch prozentual ein wenig häufiger Opfer von Gewalt durch die Partnerin werden als umgekehrt. Ähnliche Forschungsergebnisse werden in etlichen internationalen Studien bestätigt. Eine Bibliographie von über 560 solcher Studien findet man hier. Umfangreiche Fachbücher wie Familiäre Gewalt im Fokus und Experten wie Bastian Schwithal beleuchten dieses Problemfeld gründlich.

Ich habe das meiner Regionalzeitung natürlich in einem Leserbrief mitgeteilt und erwähne das hier nur deshalb noch einmal so ausführlich, weil durch den grünen Online-Pranger zahlreiche neue Leser zu Genderama gefunden haben. Langjährige Leser dieses Blogs kennen die eben skizzierten Fakten ohnehin; sie langweilten sich beim vorangegangenen Absatz vermutlich zu Tode.

Das für Genderama eigentlich Berichtenswerte aber ist, dass als Quelle für diesen unsäglichen Artikel die Deutsche Presseagentur (dpa) angegeben war.

Eine kurze Onlinerecherche, die ich anstellte, zeigte, dass in den letzten Tagen eine ganze Reihe ähnlicher Artikel auf der Grundlage einer dpa-Meldung in den verschiedensten Zeitungen veröffentlicht wurden. Die Artikel enthalten nicht immer durchgehend denselben Wortlaut, weil sie in einer Kombination aus dieser dpa-Meldung und Arbeit der jeweiligen Redaktion entstanden sind. Alle Artikel aber stellen häusliche Gewalt als Männergewalt gegen Frauen dar. Wenn die Erfahrungen konkreter Opfer drastisch geschildert werden, sind diese Opfer immer weiblich. Der Express schreibt: "Das BKA geht davon aus, dass mehr als 80 Prozent der von häuslicher Gewalt Betroffenen Frauen sind." In der Augsburger Allgemeinen liest man: "Ein Mann tötet seine Partnerin – in manchen Ländern hat man einen eigenen Namen für dieses Phänomen. Femizid nennt es die Fachsprache oder, allgemeiner, Beziehungstat, Partnerschaftsgewalt, häusliche Gewalt ... Jens Luedtke, Professor für Soziologie und empirische Sozialforschung an der Universität Augsburg, sagt, dass es auch Frauen gibt, die in Beziehungen Gewalt ausüben. Nach den Zahlen des BKA sind die Täter aber zu mehr als 80 Prozent Männer." Die Kölnische Rundschau rückt den Begriff "Femizid" gleich in den Titel ihres Beitrags über häusliche Gewalt.

Für jeden, der sich tatsächlich beim Thema "häusliche Gewalt" auskennt, sind diese Artikel in ihrer Kenntnislosigkeit der reine Horror. Männliche Opfer werden marginalisiert, die wechselseitige Eskalation in den meisten Fällen von häuslicher Gewalt nicht erkannt, Männer dämonisiert.

In den letzten Jahren sind auch in Leitmedien wie der "Welt" mehrere aufklärende Beiträge über die tatsächliche Verteilung der Opfer bei häuslicher Gewalt erschienen. Jetzt wird den Bürgern mit Begriffen wie "Femizid" und aufwühlenden Fotos, die natürlich immer leidende Frauen zeigen, flächendeckend in den Kopf gehämmert, dass häusliche Gewalt eine Art Massenmord an Frauen darstelle. Dieser Backlash stellt selbst schon eine Form enormer Gewalt dar. Der Aufklärung über die Hintergründe und Mechanismen von häuslicher Gewalt leistet er einen Bärendienst.

Und wieder bildet die Grundlage für diesen Horror eine Agenturmeldung der dpa. So wie gestern im Fall des vermeintlich "sexistischen" Textes des gefeuerten Google-Mitarbeiters James Damore. Dazu schrieb mir einer meiner Leser:

Es wäre wohl nicht verkehrt, das Augenmerk in Zukunft verstärkt auf solche Zentralorgane zu richten. Insbesondere die dpa ist mir sehr suspekt geworden. Die Spartenfrage für uns ist: Wieso kommen von dort immer nur Artikel, die den feministischen Kotau machen? So langsam müsste sich doch in den Redaktionsräumen die Erkenntnis durchsetzen, dass solche Artikel erstmal auf ihre Stichhaltigkeit und ihren Wahrheitswert zu durchleuchten sind. Irgendwie ist die dpa für die Presseorgane so etwas geworden wie die Wikipedia für den Normalbürger.


Mein Leser wies mich auch auf einen Beitrag hin, den der vielgelesene Blogger Hadmut Danisch im Februar über die dpa veröffentlicht hatte. Ein Auszug (dieser Text enthält im Original einige Verlinkungen):

Ein Journalist hat mir das neulich mal erklärt.

Die Redaktionen müssen heute Nachrichtenagenturen wie dpa abonnieren. Nicht, weil sie dazu gezwungen würden, sondern weil für eine Redaktion lebenswichtige Informationen häufig nur oder lange zuerst über die Agenturen kommen. Man kann gar nicht so viel und so schnell selbst recherchieren. Wer nicht an den Agenturen-Kanälen hängt, ist als Zeitung, die über Politisches und aktuelle Geschehnisse berichten will, schlicht chancenlos. Das Zeitungsgeschäft gäbe es heute auch wirtschaftlich und von der Geschwindigkeit des Wettbewerbs gar nicht mehr her, sowas alles selbst zu recherchieren. Letztlich ist das ja eine Art Out-Sourcing mit Zentralisierung, weil eben nicht mehr von jeder Redaktion ein eigener Reporter hingeht und dann jeder etwas anderes berichtet oder die Dinge anders sieht, sondern da nur noch einer ist, von dem dann alle abschreiben müssen. Im Gegensatz zu früher sei nicht mehr das Ereignis die Nachrichtenquelle, sondern der Agentur-Reporter.

Das noch viel größere Problem sei aber:

Er sagte, die Redaktionen zahlten an dpa und die anderen Agenturen nicht pro übernommenem Artikel (was ja die Neigung, dort abzuschreiben, dämpfen würde), sondern sie zahlen Pauschalen. Die müssen da ein Abo abschließen und zahlen pro Monat feste Beträge. Mir wurde da ein Betrag von monatlich 10.000 Euro genannt, ich weiß jetzt aber nicht genau (oder würde es, weil ich es nicht belegen kann, nicht so präzise sagen), auf welche Agentur sich das bezog und ob das fest ist oder von irgendetwas anderem (wie etwa der Auflage) abhängt.

Und das sei für die Redaktionen ein enormes Problem. Denn für viele ließen sich diese Ausgaben mit dem, was sie freiwillig von den Agenturen übernehmen würden, nicht erwirtschaften. Viele Redaktionen seien deshalb wirtschaftlich gezwungen, viele Agentur-Meldungen ohne größere redaktionelle Bearbeitung durchzureichen, um ohne zusätzliche Arbeitskosten Werbeeinnahmen zu erzeugen, weil sie nur so die hohen Kosten reinholen können.

Die zentrale Steuerung der Medien erfolge also wesentlich darüber, dass Agenturmeldungen an Redaktionen im Abo gekauft werden müssten, also sie mit dem für sie notwendigen Teil zum Einkauf auch der anderen Meldungen gezwungen sind, die sie dann durchverkaufen müssen, um die Kosten wieder reinzuholen. Nachprüfen kann ich es jetzt nicht, weil ich dazu keine öffentlichen Informationen gefunden habe. Es gibt einen Text von 2009, in dem jemand beschreibt, dass es für kleine bis mittlere Redaktionen unmöglich sei, ohne dpa auszukommen.

Man könnte sich die Medienlandschaft damit quasi so als verschiedene Marken vorstellen, unter denen dpa auftritt.

Und trotzdem bestreiten Journalisten vehement, zentral gesteuert zu werden.

Und an der Neutralität von dpa habe ich erhebliche Zweifel, seit ich mal mit einer dpa-Reporterin aneinandergerasselt bin. Wer Medien manipulieren will, kann das tun, indem er für dpa schreibt. Und da scheint eben auch nicht alles von allerfeinster journalistischer Qualität zu sein.

So sieht dann wohl die Gleichschaltung der Medien aus. Wobei "Gleichschaltung" ja eigentlich das falsche Wort ist, weil damit im Prinzip die Redaktionen ja sogar übergangen werden, wenn die Meldungen mehr oder weniger unbearbeitet durchreichen müssen. "Fernsteuerung" wäre da der treffendere Begriff.

Subtil daran ist, dass die meisten Journalisten wohl wirklich davon überzeugt sind, unabhängig zu sein, weil keiner zur Tür reinkommt und ihnen sagt, was sie schreiben sollen.


Einflussnahme im feministischen Sinne genießen wir mittlerweile also über die dpa, Wikipedia und Google. Selbst die Vereinten Nationen sind feministisch geprägt. Trotzdem leben wir der feministischen Ideologie zufolge im "Frauen unterdrückenden Patriarchat". Das würden Feministinnen vermutlich auch glauben, wenn wir längst alle einen kleinen Chip im Hirn hätten, der unser aller Weltsicht auf feministische Linie trimmt. Vermutlich dann erst recht.



2. Ich bin ja immer noch auf der Suche nach irgendeinem Artikel in einem deutschsprachigen Leitmedium, der sich faktennah mit dem Memo des gefeuerten Google-Mitarbeiters James Damore beschäftigt. Fündig geworden bin ich endlich in Tamara Wernlis Artikel "Googles 'sexistische Kackscheiße'", der in der Basler Zeitung erschienen ist. Ein Auszug:

Heutzutage muss man ja als Journalist einen Text nicht mehr lesen, um ihn zu beurteilen. Wenn also der Anonyme gar nicht anonym ist, wie Watson behauptet (sein Name steht zuoberst im Manifest), und er auch nirgends schreibt, dass "Männer bessere Programmierer sind" als Frauen, fällt das wohl unter "imaginäre Schreibefreiheit". Warum überhaupt argumentativ kontern, wenn man einfach nur "Sexist" draufschreiben kann?

Wenn das Manifest "sexistisch" sein soll, unterstütze ich hiermit einen Sexisten, dessen Meinung ich grösstenteils teile. Nur, es gibt keine einzige Zeile, die sich gegen Frauen richtet, sie herabwürdigt, abqualifiziert oder beleidigt. James Damore argumentiert sachlich und ausgewogen, betont, dass er Diversität schätzt, bestreitet auch nicht, dass Sexismus existiert.


In den folgenden Absätzen erklärt Tamara Wernli, dass Damores Behauptungen von der Forschung gestützt werden, und gelangt schließlich zu dem Fazit:

Das Manifest liefert Anlass für spannende Debatten: Warum ist immer nur die Benachteiligung der Frau ein Thema? Warum sprechen wir nie darüber, dass gefährliche Jobs im Bergbau, bei Feuerwehr oder Müllabfuhr in der Regel von Männern verrichtet werden? Inwiefern ist es Gleichberechtigung, wenn nur eine bestimmte Gruppe besonders gefördert wird? Das gehört diskutiert. "Kackscheisse" ist einzig der Reflex, mit dem gewisse Leute darauf reagieren.


Übrigens hält die Mehrheit der Google-Mitarbeiter Damores Entlassung wegen seines Textes für falsch. Für James Damore setzt sich inzwischen auch der Ethikprofessor Peter Singer ein.



3. In der aktuellen Meinungsumfrage des durchaus zuverlässigen Instituts Yougov stürzen die Grünen so sehr ab, dass ihr Einzug in den Bundestag gefährdet ist. Hm, seltsam ... Haben die Grünen oder ihr direktes Umfeld in den letzten Wochen mit irgendetwas extrem negative Aufmerksamkeit erzeugt?

Vielleicht täte den Grünen eine Auszeit vom Bundestag mal ganz gut. Bei der FDP hat sie ja auch Wunder gewirkt.

Aber falls tatsächlich dieser irre Online-Pranger entscheidend dazu beigetragen hat, dass sich das Image der Grünen noch mal verschlechterte und sie jetzt vielleicht sogar aus dem Parlament fliegen – heißt das, ich muss Andreas Kemper dafür einen ausgeben, wenn wir uns irgendwann mal begegnen sollten?

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