Mittwoch, März 29, 2017

Studie des Frauenministeriums: 60 Prozent der Männer halten Gleichstellungspolitik für einseitig

Liest man die Studie des Bundesfrauenministeriums über die Einstellung von Männern im Jahr 2017, gewinnt man einen noch vielversprechenderen Eindruck als aus dem heute Vormittag auf Genderama zitierten Presseartikel darüber. Vor allem lassen sich diese Zahlen auch mit der Allensbach-Studie von 2013 in Übereinklang bringen. So heißt es darin:

Gleichzeitig begreift die Mehrheit der Männer das Thema "Gleichstellung" symmetrisch: Aus ihrer Sicht muss Gleichstellungspolitik gleichgewichtig die Gleichstellung von Frauen wie die Gleichstellung von Männern in den Blick nehmen. Das verlangt, nicht einfach nur die verschiedenen Themen der Frauen-Gleichstellung auf Männer zu übertragen, zu spiegeln oder "männlich zu deklinieren", sondern einen eigenen neuen Blick zu entwickeln für die Bedürfnisse und Anliegen von Männern in ihrer Vielfalt heute. So sind 60% der Männer der Auffassung, dass sich Gleichstellungspolitik noch nicht ausreichend mit den Anliegen der Männer befasst.

Am häufigsten äußern junge Männer (68 %; besonders stark 26 %) den Wunsch nach einer offensiveren, differenzierten und systematischen Gleichstellungspolitik für Männer. Hier zeigt sich ein Generationeneffekt: Von den älteren zu den jüngeren Altersgruppen steigt der Anteil derer, die eine Gleichstellungspolitik für die Anliegen der Männer fordern, von 47% auf 68 %.

(...) Die Gesamtheit der Männer ist in ihren Einstellungen zur Gleichstellungspolitik sehr vielfältig und heterogen, bei zentralen Fragen auch gespalten. Es gibt gegensätzliche und polarisierende Haltungen:

* 35 % der Männer sind der Überzeugung, dass Gleichstellungspolitik sich noch nicht ausreichend mit den Anliegen von Frauen und den Anliegen von Männern befasst: Sie fordern eine Forcierung von Gleichstellungspolitik für Frauen sowie eine eigenständige Gleichstellungspolitik für Männer.

* 27 % aller Männer meinen, dass Gleichstellungspolitik sich schon ausreichend mit Anliegen von Männern befasst, aber noch nicht ausreichend mit den Anliegen und Bedürfnissen von Frauen und Müttern: Sie fordern eine Fortsetzung der Frauenförderung.


(Hier würde mich ein einziges Beispiel interessieren, inwiefern sich "Gleichstellungspolitik" überhaupt um die Anliegen von Männern gekümmert hat.)

* 25 % der Männer haben die Einstellung, dass die Gleichstellungspolitik bereits genug für Frauen tut. Nun müssten Männer vornehmlich in den Blick geraten und es sollte eine deutliche Verschiebung der Gleichstellungspolitik erfolgen in Richtung der Belange von Männern: Sie fordern eine nicht nur sporadische Männerpolitik, sondern den Aufbau einer systematischen Gleichstellungspolitik für Männer und Männerförderung.

*13 % der Männer sind der Überzeugung, dass die Gleichstellungspolitik sich bereits ausreichend (und zu viel) sowohl mit den Anliegen von Frauen wie mit den Anliegen von Männern befasst. Ein Teil dieser Männer findet ein gedämpftes Maß an Gleichstellungspolitik sinnvoll und ist der Auffassung, dass die bisherige Gleichstellungspolitik den Bedarfen gerecht wird und alle wesentlichen Aspekte gesehen und dafür hinreichende Maßnahmen beschlossen wurden. Ein Teil dieses Segments ist darüber hinaus der Überzeugung, dass Gleichstellungspolitik bereits im Ansatz und auch im Ergebnis "falsch" sei und eingestellt werden sollte. 1 % der Männer vertritt diese Auffassung sehr stark: Anti-Feminismus und Anti-Gender-Mainstreaming.


Im Sonderteil "Maskulismus" der Studie heißt es dann:

Es gibt in der männlichen (und in Teilen der weiblichen) Bevölkerung nicht nur einzelne Facetten mit Vorbehalten gegen Feminismus, Gender-Mainstreaming und Gleichstellung, sondern auch eine radikal anti-feministische und betont maskulistische Strömung. Diese ist überwiegend in den Lebenswelten der beiden traditionellen Typen "Gegner einer weitergehenden Gleichstellungspolitik" sowie vor allem "Festhalten an bewährter natürlicher Geschlechterordnung" verortet.


Folgt man dieser Logik, gehört nicht einmal Genderama zu diesem "harten Kern der maskulistischen Szene", denn an einem Festhalten an einer angeblich bewährten "natürlichen Geschlechterordnung" habe ich kein Interesse. Insofern liegt die Frage nahe, wie die Studie "Maskulismus" überhaupt definiert. Warum hat man sich nicht der Selbstdefinition von "Maskulismus" in der maskulistischen Literatur bedient – etwa in meinem Buch "Plädoyer für eine linke Männerpolitik", wo es heißt:

Maskulismus: Weltsicht und Theoriegebäude der Männerrechtsbewegung. Ihr zufolge verdient auch ein Mann Zuwendung und Unterstützung, wenn er diskriminiert wird, zum Opfer wird oder aus anderen Gründen leidet. Maskulisten geht es darum, Benachteiligungen, soziale Problemlagen und Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf alle Menschen einschließlich der Männer zu erforschen, herauszufinden, was die möglicherweise vielfältigen Ursachen dafür sind, und realistische Lösungsstrategien zu entwickeln, die dann in einer gerechten Politik zur Anwendung kommen.


Vermutlich weil die verhassten Maskulisten dann deckungsgleich wären mit jenen "60 % der Männer der Auffassung, dass sich Gleichstellungspolitik noch nicht ausreichend mit den Anliegen der Männer befasst."

Aber selbst so gelangt die Studie zu einer bemerkenswerten graphischen Gegenüberstellung, der zufolge 40 Prozent der Bevölkerung für maskulistische Positionen erreichbar sind und 60 Prozent eher auf Distanz gehen. Angesichts der Mischung aus Totschweigen und Dämonisieren unserer Bewegung und ihrer Anliegen durch die Leitmedien, sind das erstaunlich hohe Zahlen.

Dem unbenommen hat die Studie einen auffallenden Unterton, der ihre ideologische Botschaft transportiert: Gleichstellungspolitik ist grundsätzlich etwas Gutes. Wer das nicht akzeptiert, ist rückwärtsgewandt und an der Aufrechterhaltung alter Geschlechterrollen interessiert. (Das unbenommen der Tatsache, dass in Ländern ohne Gleichstellungspolitik die Gleichstellung von Frauen und Männern weiter vorangekommen ist.) Es sollte vielleicht mehr für Männer getan werden, aber bitte in Abgrenzung zu diesen rückwärtsgewandten und weltanschaulich bornierten Maskulisten. (Also jenen, die seit 15 Jahren fordern, dass mehr für Männer getan werden müsse, auch als sie nur ein paar Dutzend Leute waren, die das so sahen.) Es ist nun mal eine Regierungsstudie, und wer zahlt, bestimmt, welche Musik gespielt wird. Gleichzeitig ist es aber auch eine allmählich dämmernde Einsicht, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.

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