Schwesigs Gesetz, Stokowskis "AfD-Reklame", Frauenmarsch gegen Trump – Vermischtes vom 13. Januar 2017
Nachdem ich gestern nur zwei aktuelle Nachrichten vorliegen hatte, wofür ich nicht extra dieses Blog anwerfe, sind inzwischen schon wieder ziemlich viele zusammengekommen.
1. Darüber, dass Frauenministerin Schwesig ihr "Gesetz zur Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern" jetzt durchgedrückt hat, haben zahlreiche Medien berichtet – in der Regel ohne die Anführungszeichen um dieses Gesetz, womit die feministische Position, vor diesem Gesetz habe es keine Lohngerechtigkeit gegeben, in den Schlagzeilen als Wirklichkeit durchgewunken wurde. Einen ausführlichen Einwand gegen dieses Gesetz erlaubt Die Welt immerhin Andrea Seibel.
Eine spannende Frage ist: Was wird passieren, sobald sich zeigt, dass Schwesigs Gesetz keineswegs zu den erwarteten großen Veränderungen führt? Aber vielleicht sind bis dahin längst andere Populisten am Ruder.
Das sozialistische Neue Deutschland berichtet mit Bezug auf die Feministin Teresa Bücker über Proteste gegen Schwesigs Gesetz auf Twitter:
Hier tummeln sich irgendwie Sexisten und Maskulinisten, um sich über Antisexismus, Feminismus, über transgeschlechtliche Menschen und über Genderpolitik im Allgemeinen lustig zu machen. (...) "Maskulinisten sind in den sozialen Medien sehr gut vernetzt. Da sind einzelne gut in der Lage, von sich aus einen Shitstorm loszutreten", erklärt Bücker. Maskulinisten sind reaktionär-konservative Männerrechtler. Eine so große Twitterflut wie heute habe sie jedoch noch nicht erlebt. Gut und gerne 500 Hass-Trolle habe sie an einem Tag blockieren müssen.
Der Spagat wird immer schwerer, einerseits sämtlichen Widerstand gegen feministische Entwicklungen den bösen "Maskulinisten" zuzuschieben und diese "Maskulinisten" andererseits als unbedeutendes Häufchen von wenigen Einzelkämpfern zu skizzieren.
2. In einem aktuellen Beitrag erörtert Lucas Schoppe, wie die Feministin Margarete Stokowski auf Spiegel-Online Werbung für die AfD macht. Im derzeit herrschenden aufgeheizten politischen Klima, so Schoppe,
wäre es naiv zu glauben, dass Stokowskis kaum verhohlene Aufrufe zu Straftaten und zur Vortäuschung von Straftaten bloß als Ironie verstanden werden. Denn dieser Punkt zumindest ist ganz sicher nicht ironisch gemeint: Stokowski stellt klar, dass gegen Politiker und Anhänger der AfD jedes Mittel recht ist – solange es nur dazu dient, ihnen persönlich zu schaden.
Ich habe keinerlei Sympathien für diese Partei, würde die auch niemals wählen – finde aber solch ein Vorgehen gegen ihre Mitglieder oder Sympathisanten gleichwohl irre. Einmal ganz abgesehen von den offenkundigen Schwächen im zivilen menschlichen Umgang: Wenn schon ich, als jahrzehntelanger Rot-Grün-Wähler, die Skrupellosigkeit von Stokowski und anderen im Umgang mit dem politischen Gegner abstoßend finde – wie werden dann darauf erst Menschen reagieren, die heimlich oder offen mit der AfD liebäugeln?
Wer so agiert wie Stokowski et.al., der signalisiert unweigerlich, dass ihm im politischen Disput die Argumente fehlen und dass er gegen politische Gegner nur noch auf dem Weg der persönlichen Schädigung ankommt.
Wer aber nicht einmal gegenüber einer Knalldeppenpartei wie der AfD Argumente hat – der hat generell keine.
Zweifelnde AfD-Anhänger wiederum werden bestärkt – niemand muss ihnen erzählen, dass der politische Gegner gewissenlos und hilflos agiert, das führt ihnen die queerfeministische AfD-Wahlkampfhelferin Margarete Stokowski in Deutschlands größtem Nachrichtenmagazin kostenlos vor.
Auch auf dem Blog Geschlechterallerlei geht es um die Frage, ob Margarete Stokowski in ihrem Artikel Straftaten gegen politisch unliebsame Personen begrüßt.
3. Das BILDblog beleuchtet, wie frappierend unterschiedlich die BILD-Zeitung über Vorwürfe sexueller Übergriffe berichtet, je nachdem ob der Beschuldigte der BILD-Chef Kai Diekmann oder ein AfD-Politiker ist.
4. In der Schweiz gibt es von Männerseite Proteste gegen das neue Unterhaltsrecht. Der feministisch orientierte Männeraktivist Markus Theunert versucht, für Ruhe zu sorgen, und spricht von "Gejammer", räumt aber andererseits ein, die Aufregung zu verstehen.
5. Unter der Schlagzeile "Frauen, habt mehr Vertrauen in eure Männer!" stellt Spiegel-Online den Nürnberger Männerbeauftragten Matthias Becker vor. (Beckers Behauptung, in exakt 18 Prozent aller Fälle würden Männer von ihren Frauen geprügelt, ist angesichts der tatsächlichen breiten Forschungslage allerdings fast niedlich. Sicher, dass es nicht 17,8 Prozent sind, Herr Becker?)
6. MANNdat hat den Ideologiekritiker Gunnar Kunz unter anderem zum Thema Feminismus interviewt.
7. Warum schreiben politisch Korrekte nicht "TerroristInnen" oder "Terrorist*innen?" fragt sich Rainer Zitelmann im European.
8. Disney ersetzt den Weihnachtsmann durch eine Frau.
9. Das schwedische Parlament entscheidet sich gegen eine neue Frauenquote. Die linke Regierung des Landes wurde hier von der Opposition überstimmt.
10. Für den 21. Januar ist ein feministischer Frauenmarsch nach Washington geplant, um gegen den neuen US-Präsidenten Donald Trump zu protestieren. Allerdings gibt es hierbei eine Reihe von Problemen.
Zunächst einmal, argumentiert Brynne Krispin, sei vollkommen unklar, wofür oder wogegen sich dieser Protest überhaupt konkret richte:
The mission statement ends in all caps, "HEAR OUR VOICE." (...) But while this information alone has prompted thousands to register for the event already, its purpose has left many of us confused and disappointed. It's upsetting to read the three paragraph mission statement and not be able to answer the most basic question: What rights are we fighting for? (...) Nowhere on the website does it list plans for what they hope to accomplish by marching in Washington, nor do they discuss goals for the next four years.
Motivating hundreds of thousands of women to come together and fight for a cause is compelling, but if you're organizing a women's movement, it needs to be for a specific cause that affects many women in our country and around the world — the gender wage gap, equal rights to education, the list could go on and on. We need to know what we're fighting for and have a clear strategy to get things done. (...) So why should we show up to march? According to the logic of the organizers for the Women's March, simply because we're women.
(...) Being the loudest person in the room is not leadership. We need less women with noise makers and no agenda and more women with a vision and a strategy to move us forward.
(...) The problem isn't with our volume, it's with our message. This march will make a big splash on social media, but because it has no call to action, no succinct, unifying message, this march will soon be forgotten and replaced by whatever is trending the following day.
As we stand on the shoulders of the great female leaders before us — Susan B. Anthony, Elizabeth Cady Stanton, and others — let's make sure it isn't merely our voices that are heard and our message itself actually sinks in.
(Zu den "großen Frauenführerinnen" Susan B. Anthony und Elizabeth Cady Stanton sage ich weiter unten noch etwas.)
Noch sarkastischer äußert sich Heather Wilhelm zu diesem Marsch. Dessen unklares Ziel hat offenbar jetzt schon zu massiven innerfeministischen Grabenkämpfen geführt:
Alas, thanks to obsessive left-wing identity politics, it has morphed into yet another exhausting episode of "Which college-educated woman who resides in the richest country on earth and who was also just profiled in a glowing Vogue puff piece is the most oppressed person in the room?" The feminist infighting, sometimes fierce, has begun. "If all goes as planned, the Jan. 21 march will be a momentous display of unity in protest of a president whose treatment of women came to dominate the campaign’s final weeks," the New York Times reports. "But long before the first buses roll to Washington and sister demonstrations take place in other cities, contentious conversations about race have erupted nearly every day among marchers, exhilarating some and alienating others."
(...) "When it comes to the upcoming march, it is important to all of us that the white women who are engaged in the effort understand their privilege," wrote Bob Bland, a New York fashion designer who launched the idea for the march on Facebook. Bland, along with the march’s other original co-founder, is white — but "that’s not okay right now," one rally organizer told Vogue, "especially after 53 percent of white women voted for Donald Trump." (...) "The sense of betrayal white women have expressed in the post-election season is at best disingenuous, since we cannot say enough about the ways they turned out at the polls," LeRhonda S. Manigault-Bryant, a Williams College professor who refuses to join the march, wrote at the New York Times. (...) Apparently, at this point, the way forward involves a cavalcade of left-wing causes — abortion, as usual, is taking top billing — buckets of vague platitudes, lots of hectoring, and endless, obsessive, identity-based infighting. Sounds like a prescription for victory!
Der Newssite Heatstreet zufolge bricht der Marsch jetzt schon vielfach auseinander:
New York isn’t the only place the March is coming apart at the seams. In Tennessee, organizers were forced to change the name of the "sister march” from Women’s March on Washington — Nashville" to "Power Together Tennessee" after attendees claimed labeling the march as "women’s" marginalized the rest of Tennessee’s social justice community.
In Louisiana, the March’s state coordinator finally gave up on her efforts after she couldn’t find enough minorities to put in March leadership to satisfy March attendees and local activists.
In New Jersey, women took the March’s Facebook event page to claim they no longer felt welcome at the protest, after an African-American activist posted a quote on the page claiming that white women needed to “confront” the way they’d “dominated and exploited other women.”
In Maryland, feminists ended up at each others throats after white women, whom some activists claimed might be the victims of sexual assault and rape, were being asked to "check their privilege" by fellow March attendees.
Fast ist es beruhigend, dass wir "Masku-Hater-Trolle" für Feministinnen nicht die einzige Zielscheibe, sondern dass sich die feministischen Fraktionen auch untereinander spinnefeind sind.
Das liberale Magazin Reason befürchtet sogar, dass feministische Windbeutelinnen die Anti-Trump-Bewegung schwächen werden. Zwar hätten sich bereits über 100.000 Teilnehmerinnen auf Facebook für den Marsch angemeldet, und die Logistik verspreche zu funktionieren.
Everything else about the Women's March, however, is reaching a level of absurdity worthy of the man they are protesting. Start with the fact that they are billing this event as the voice of women when 42 percent of women (and 62 percent of non-college educated white women) actually voted for Trump.
Then there's the almost-comical progressive hysteria over the event's name. It was initially called the Million Women March. But that was hastily dropped after the original organizers, three white women, were slammed for "cultural appropriation." Why? Because they were allegedly poaching the heritage of the 1997 Million Woman March for black women. Further appropriation concerns arose because the event evidently encroached on the legacy of the 1963 March on Washington by Martin Luther King Jr. when he delivered his famous "I Have a Dream" speech. In response to this objection, the organizers had to actually release a statement billing the Women's March as a tribute to King.
As if such bickering over semantics wasn't enough, the Facebook page of the event is rife with arguments about whether an event organized primarily by white women can be sufficiently "intersectional" — or attuned to the issues faced by, say, poor minority women who reside at the "intersection" of class, race, and gender concerns in America.
Wasn't this supposed to be about opposing Donald Trump?
Some amount of conflict in a rally (organizers don't want to call it a "protest" because they insist they are not protesting Trump, just putting him on notice) of this size and complexity is natural. But when an event is grounded in a genuine existential threat, it helps people overcome their particular interests and agendas – and find a unifying vocabulary without this level of squabbling.
If that is not happening in this case, could it be because women are not really feeling Trump's threat?
(...) On women's issues, there is a wide gulf between Trump's character and his policy positions. (...) Trump has made a concerted attempt to extend an olive branch to the feminist lobby. He has embraced gender wage parity, government-mandated maternity leave, and child tax deductions in defiance of his own party. One can debate the wisdom of these ideas, but not that they are intended to help women. And then there are his three female Cabinet appointments, and a fourth woman as U.N. envoy.
This is all in sharp contrast to his rhetoric and agenda to deal with immigrants, Latinos, Muslims, and blacks. (This is reflected in voting patterns: The minority gap was far wider than the gender gap between Trump and Clinton.) Trump has demonized immigrants, giving voice to every nativist trope against them, vilified Mexicans as rapists and criminals, and painted all Muslims as a security threat. He has developed frightening plans to deal with these alleged threats, ranging from mass detention and deportation of undocumented immigrants to creating a registry for Muslims. Meanwhile, he has trivialized police brutality in black communities, claiming that the real problem is the "war on cops." He emphasizes the need for more "law and order" in inner cities, historically a dog whistle to white concerns about blacks. And he has given no indication since he got elected that he'll fundamentally change course on any of this.
Donald Trump is a danger to Americans and America itself. Opposing him will require focused vigilance, and concerted activism that is targeted, intelligent, nuanced, and appropriately calibrated (as as I have argued previously). But prematurely elevating the faux concerns of a hyper-active feminist lobby will make it far more difficult to launch a serious resistance movement. It will allow Trump to depict his critics and dissenters as overwrought hysterics and dismiss the concerns of genuinely targeted groups.
Feminists are confusing the issue by making Trump's threat about themselves. If they really wanted to help, they would have kept their powder dry for now, rather than embark on this confused and pointless march.
Für Deutschland rechne ich allerdings mit einer Berichterstattung der Leitmedien über diesen Marsch, die komplett unreflektiert und unkritisch sein wird.
11. Selbst die Washington Post, tendenzell eher im linken Spektrum angesiedelt, macht sich inzwischen Gedanken über die Schäden, die dadurch entstehen, dass an Hochschulen politische Korrektheit vor Gedankenfreiheit steht. Ein Auszug aus dem Artikel:
To combat these threats to "safety," campus administrators have morphed into civility police. On some campuses, "bias response teams" investigate professors’ online comments. Several universities, including Yale, may soon introduce a smartphone app that lets users anonymously report offensive remarks. These anonymous reports will allow university bureaucrats — and perhaps even the public — to compile a directory of "subversive" professors in the spirit of dictatorial regimes. One can easily imagine dueling "watchlists" compiled by liberal and conservative activists with the shared aim of chilling unwanted speech.
At Yale and elsewhere, reports of sexual misconduct (and soon, perhaps, other offenses as well) end up in the hands of a centralized bureaucracy, which has the self-appointed obligation to retain them indefinitely — and to sift them for patterns of deviationism. The result is a university in which an unknown percentage of faculty members have been accused of something but don’t yet know it. It’s not hard to see how unscrupulous administrators might come to value the new "surveillance university" as a tool for policing the teaching and research of the professoriate.
12. Ein Teil der universitären Mechanismen ist seit einiger Zeit der Kampf gegen angebliche Mikroaggressionen, den Telepolis einmal als "der neuste Trend in der Sexismusdebatte" bezeichnete. Jetzt jedoch zeigt die neueste Forschung, dass der Theorie von den Mikroagressionen trotz ihrer Beliebtheit in einer bestimmten Szene jegliches wissenschaftliches Fundament fehlt, weshalb es besser aufgegeben werden sollte. So heißt es in einer gestern veröffentlichten Studie:
The microaggression concept has recently galvanized public discussion and spread to numerous college campuses and businesses. I argue that the microaggression research program (MRP) rests on five core premises, namely, that microaggressions (1) are operationalized with sufficient clarity and consensus to afford rigorous scientific investigation; (2) are interpreted negatively by most or all minority group members; (3) reflect implicitly prejudicial and implicitly aggressive motives; (4) can be validly assessed using only respondents’ subjective reports; and (5) exert an adverse impact on recipients’ mental health.
A review of the literature reveals negligible support for all five suppositions.
More broadly, the MRP has been marked by an absence of connectivity to key domains of psychological science, including psychometrics, social cognition, cognitive-behavioral therapy, behavior genetics, and personality, health, and industrial-organizational psychology. Although the MRP has been fruitful in drawing the field’s attention to subtle forms of prejudice, it is far too underdeveloped on the conceptual and methodological fronts to warrant real-world application. I conclude with 18 suggestions for advancing the scientific status of the MRP, recommend abandonment of the term "microaggression," and call for a moratorium on microaggression training programs and publicly distributed microaggression lists pending research to address the MRP’s scientific limitations.
13. Für eine kleine Aufmerksamkeit im Netz hat dieses gestern auf Genderama veröffentlichte Ratespiel gesorgt, das zeigt, dass schon der frühe Feminismus ausgrenzende und menschenfeindliche Züge trug. Man könnte hier ergänzen, dass die heute wohl bekanntesten Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht, die Amerikanerinnen Susan B. Anthony und Elizabeth Cady Stanton, sich von ihrer weit weniger bekannten Mitstreiterin Lucy Stone trennten, weil sie lieber mit George Franics Train, einem bekannten Rassisten ihrer Zeit, paktieren wollten. Train glaubte, Frauen könnten dabei helfen, den wachsenden politischen Einfluss von Afroamerikanern einzudämmen. Anthony und Stanton waren Gegner des fünfzehnten Zusatzartikels zur amerikanischen Verfassung, der schwarzen Männern das Wahlrecht gewährte. Dass sie heute als feministische Idole gefeiert werden, könnte sehr gut irgendwann zu den ohnehin schon bestehenden Konflikten zwischen schwarzen und weißen Frauenrechtlerinnen beitragen.
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