Donnerstag, August 04, 2016

Vermischtes vom 4. August 2016

1. Unter der Überschrift Grüne wollen Frauen Prozesse gegen Hassposter erleichtern berichtet Österreichs "Standard":

Die Grünen plädieren nun dafür, dass der Paragraf der "Beleidigung" erweitert wird. Gruppen, die gemäß Verhetzungsparagraf geschützt sind, sollen die Möglichkeit erhalten, Beleidigungen auch durch die Staatsanwaltschaft verfolgen zu lassen. Dabei handelt es sich etwa um Frauen, LGBTQ-Personen oder ethnische Minderheiten. Sprich: Ein weißer, heterosexueller Österreicher erhält diese Möglichkeit vorerst nicht, "eine spätere Öffnung" sei laut Steinhauser aber "durchaus denkbar". Der Grund dafür, diesen Paragrafen auf geschützte Gruppen zu beschränken, liegt darin, dass diese am öftesten Opfer von Hasspostings werden.


Zunächst einmal: Was der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser da behauptet, ist grotesker, sexistischer Quatsch. Männer werden online häufiger attackiert als Frauen:

On the whole, 2.5 percent of the tweets sent to the men but fewer than 1 percent of those sent to women were classified as abusive. Male politicians fared especially badly, receiving more than six times as much abuse as female politicians. (...) But the double standard also has overtones of traditional chivalry which views women as more delicate and deserving of consideration — while nastiness toward men is treated simply a part of the rough-and-tumble of public life, to be taken in stride and shrugged off.


Aber selbst wenn Steinhauser mit seiner Behauptung Recht hätte, müsste man sich fragen, ob SPD und Grüne inzwischen in einen Wettbewerb des Irrsinns getreten ist, welche Partei aus ideologischer Borniertheit am meisten den Verstand verliert. Eine einfache Analogie macht das deutlich: In Großstädten der USA werden Schwarze weit häufiger Opfer von Gewaltkriminalität als Weiße. Welcher Politiker, der noch alle Tassen im Schrank hat, käme auf die Idee, deshalb nur Kriminalität gegen schwarze Opfer zu verfolgen (wenn auch mit der großzügigen Option, dass irgendwann vielleicht auch weiße Opfer zu ihrem Recht kämen)?

Es ist unfassbar, dass man auch als Linker derzeit keine linken Parteien mehr wählen kann, weil diese selbst die elementarsten Prinzipien des Rechtsstaats in den Wind schießen, sobald es ihrer Klientel gelegen kommt. Wie kann man eigentlich noch Donald Trump oder die AfD als herausragend "populistisch" brandmarken, solange im eigenen Lager derartiger Unfug verbreitet wird?

Der Artikel schließt mit folgenden Sätzen:

Steinhauser denkt, dass Justizminister Wolfgang Brandstetter durchaus "offene Ohren" für sein Anliegen habe. So haben die Regierungsparteien unlängst eine Initiative gegen Hass im Netz gestartet. Kampagnen seien laut [Grünen-Obfrau Eva] Glawischnig allerdings "zu wenig". Sie wünscht sich, dass auch andere Politikerinnen Initiativen gegen Frauenhass im Netz setzen.


Für eine neue, sexismusfreie Linke wird es allerhöchste Zeit.



2. Der Blogger Graublau hat verglichen, wie sich die Berliner Parteien zu der Frage "Genderstudien – ja oder nein?" positionieren.



3. Stand der Mythos von Frauen als den besseren Menschen sogar der Bekämpfung des Islamismus im Weg? Darauf weist ein aktueller Beitrag Silke Baers für die Bundeszentrale für politische Bildung hin:

In der Präventions- und Distanzierungsarbeit sowie in der Terrorismusbekämpfung waren Frauen als Gefährderinnen bis vor kurzem kaum im Blick – weder in der Forschung noch in der Praxis. In den meisten Fällen wurden Frauen höchstens als friedvoll-ausgleichende Präventionsarbeiterinnen im familiären und kommunalen Raum im Betracht gezogen. Im Rahmen der Präventionsarbeit werden sie darin unterstützt, männliche Familienangehörige vor den Verblendungen durch militante Rekrutierer zu bewahren. Das Erscheinungsbild von militantem, religiös begründetem Extremismus in der Öffentlichkeit ist dagegen martialisch, brutal und vor allem: männlich.

Jedoch lässt sich ein islamistischer Gottesstaat nicht ohne Frauen errichten. Denn es bedarf auch der überzeugten Kriegerinnen, die ihren Kampf in Familie und Kommune kämpfen, den Männern den Rücken frei halten und die Kinder im fundamentalistischen Sinne erziehen. Ein Bericht des Bundeskriminalamtes zu diesem Thema aus dem Jahr 2015 zeigt, dass sich der Anteil der Frauen an den Ausreisen nach Syrien nach der Ausrufung des sogenannten Kalifats am 29. Juni 2014 signifikant erhöht hat: von 15 % vor der Ausrufung auf 38 % danach.


Silke Baers Text verwendet zwar über weite Strecken feministische und Gender-Rhetorik; man sollte sich davon aber nicht abschrecken lassen. Insgesamt nämlich ist er ein guter Anfang für den integralen Antisexismus, der auch in der Männerrechtsbewegung gefordert wird. So wird in Baers Artikel auch die Bedeutung von Vätern wiederentdeckt:

Vielversprechend ist aber auch die Arbeit mit Vätern. Denn militant radikalisierte Menschen sind erfahrungsgemäß in einer signifikanten Mehrheit biografisch von der Erfahrung betroffen, dass ihre Väter physisch oder psychisch absent waren. Umso erstaunlicher ist es, wie wenig in den bisherigen Präventions- und Interventionsangebote die Väter ausdrücklich berücksichtigt werden.

In den Vätergruppen von "Aufbruch Neukölln" werden Männer darin gestärkt, sich der Erziehung ihrer Kinder anzunehmen und sie mit ihren Problemen nicht allein zu lassen. (...) Das Modellprojekt "Vaterzeit im Ramadan?" in Leipzig hat sich ebenfalls der Thematik angenommen und sensibilisiert dafür, dass muslimische Väter als zentrale Bezugspersonen ihrer Kinder gestärkt werden. Bisher fand die Thematik "absente Väter" vor allem mit Blick auf deren Söhne Beachtung. Jedoch hängen wichtige Persönlichkeitsaspekte wie Selbstwertgefühl und die Fähigkeit, konstruktiv-gleichberechtigte und-respektvolle Beziehungen einzugehen, natürlich auch bei Mädchen in hohem Maße davon ab, welche Rolle der Vater im Familienleben eingenommen hat. Junge Frauen, die hier keine Vorbilder erlebt haben oder nur Zeuginnen von abhängigen Müttern und Frauen wurden, sind sicherlich anfälliger dafür, sich im Sinne der Rekrutierungsbemühungen militanter Gruppen unbekannten Männern "auszuliefern".




4. In Zürich wurde ein Lehrer nach dem Vorwurf eines sexuellen Übergriffs voreilig und rechtswidrig entlassen.



5. Ein US-amerikanischer Student, der gegen seine Hochschule wegen eines seiner Darstellung nach ebenfalls unberechtigten Rauswurfs vorgeht, erhält eine bemerkenswert vulgäre Antwort.



6. Was das Cover einer kommenden Ausgabe seiner Superheldenreihe "Mockingbird" angeht, kann man dem Marvel-Verlag jedenfalls keine besondere Subtilität hinsichtlich seiner ideologischen Positionierung vorwerfen.



7. Um die Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen, erwägen die Macher des Fantasy-Epos "Game of Thrones", zukünftig mehr männliche Figuren vergewaltigen zu lassen.



8. Über Versuche, die Emanzipation auch in Nicaragua voranzutreiben, berichtet Peter Mühlbauer auf Telepolis:

Daniel Ortega, der Präsident von Nicaragua (...) teilte der Wahlkommission in Managua am Dienstag offiziell mit, dass er im Falle seiner Wiederwahl im November gedenkt, seinen bisherigen Vizepräsidenten Omar Halleslevens durch seine Ehefrau Rosario Murillo zu ersetzen, die derzeit Regierungssprecherin ist.

(…) Ortega selbst entgegnete auf Vorwürfe, er wolle mit der Ernennung seiner Ehegattin zur Vizepräsidentschaftskandidatin eine solche Dynastie aufbauen, die "gemeinsame Regierung" mit Rosario Murillo sei ein "Symbol für Geschlechtergleichheit" und es sei "unbestritten", dass das Amt an eine Frau gehen müsse – warum also nicht an eine, die "schon getestet wurde und sich als sehr effizient und diszipliniert erwiesen hat?"


Da ist man in Deutschland doch zumindest ein klein wenig geschickter, wenn es darum geht, die eigenen Machtinteressen als Kampf für Geschlechtergerechtigkeit zu tarnen.



9. Die Post. Einer meiner Leser dämpft meine Freude über den ersten Männerbeauftragten in Nürnberg, Matthias Becker:

Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber leider hat dieser gleich zum Antritt die Probleme von Männern relativiert und in Schlussfolgerung daraus die Bezeichnung, die Sie in Ihrem Beitrag für ihn verwendet haben – Männerbeauftragter – verweigert:

"Becker und Martina Mittenhuber, Leiterin des Menschenrechtsbüros, sagten, dass es eine Ungleichbehandlung von Männern in Teilbereichen gebe, die aber qualitativ und quantitativ mit der strukturellen Diskriminierung von Frauen nicht gleichzusetzen sei - deswegen nenne sich Becker nicht 'Männerbeauftragter', sondern 'Ansprechpartner für Männer'."


In unserem Patriarchat scheint überall dasselbe Spiel gespielt zu werden: Damit Männer überhaupt einen Ansprechpartner erhalten dürfen, muss dieser als allererstes erklären, dass es eine Opferolympiade gegen Frauen gibt und dass Frauen bei diesem Wettbewerb weit vorne liegen. Ohne diesen Kniefall erhalten Männer keine Hilfe.

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