Maskulistische Filmkritik: "Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut"
Einer meiner Leser schreibt mir heute:
Die jüdische Komödie, in der Goyim durch die Augen eines bisher nicht-praktizierenden Juden jüdische Traditionen nähergebracht werden sollen, hat ja mittlerweile einen festen Platz in der deutschen Filmlandschaft. Und zurecht: Über "Alles auf Zucker" etwa habe ich mich nicht nur großartig amüsiert, sondern auch einige jüdische Gebräuche kennengelernt, etwa das Sitzen der Schiva.
In diese Tradition möchte sich offenbar auch "Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut" der jüdischen Regisseurin Viviane Andereggen stellen, den der NDR gestern Abend ausgestrahlt hat und der noch bis 27. Dezember in der Mediathek zu sehen ist.
Der Plot: Der 12jährige Simon Grünberg ist in einem Loyalitätskonflikt, seit sich seine bisher sekulär lebenden jüdischen Eltern getrennt haben, weil sein Vater nach dem Tod des Großvaters seinen Glauben gefunden hat und sich nun streng an die jüdischen Gesetze hält, was immer häufiger zu Auseinandersetzungen mit der Mutter geführt hat.
Eines Tages, wenige Wochen vor Simons Bar Mitzvah, taucht der Vater überraschend auf und erkärt, vorher müsse natürlich noch die Beschneidung nachgeholt werden. Das führt zu einem heftigen Streit zwischen den Eltern, den Simon mit einem Machtwort ("Es ist meine Vorhaut und meine Entscheidung!") beendet.
Und die Entscheidung hätte nun so oder so ausgehen können, würde sich Simon nicht am nächsten Tag in die neue Rabbinerin verlieben, eine hippe (und ein bisschen feministische) junge Frau, die aber in einem Punkt doch traditionell denkt: Die Bekräftigung des Bundes mit Gott durch die Beschneidung der männlichen Nachkommen findet sie wichtig, wie Simon in einem Interview-Video auf einer Webseite, die nur ganz knapp nicht "JewTube" heißt, erfährt. Wie könnte Simon ihr also besser ihre Liebe zeigen, als indem er sich "für sie" seine Vorhaut amputieren ließe?
Vor diesem Hintergrund und dem der Versuche der Eltern, ihn vom Dafür und Dagegen zu überzeugen, entspinnt sich dann eine ansonsten recht typische Teenagerkomödie, glücklicherweise mit nur wenigen der "klassischen" Ekel-Elemente. (Etwa, als Simons hilfreichen Freunde nicht nur Fotos von der Rabbinerin beim Duschen herbeizaubern, sondern auch einen frisch gebrauchten Tampon: "Hier, riech dran, damit Du weißt, wie sie riecht!") Weiter kompliziert wird das ganze noch dadurch, daß sich zwischen Simons Angebeteter und seinem Vater zarte Bande zu spinnen beginnen.
Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, sich von seiner Vorhaut zu trennen, bestellt sich Simon einen "Magic Ring" aus dem Internet, dessen Benutzung zwar fast in einer Katastrophe, aber schließlich doch mit einer "zwar etwas schiefen, aber medizinisch und gesundheitlich unbedenklichen" Beschneidung endet.
Die Gemeinde hält diese nach Abstimmung für gültig, mit Simons Vorhaut wird einem Verbrennungsopfer geholfen, die Eltern lassen sich scheiden, Simon beginnt, sich für ein gleichaltriges Mädchen zu interessieren, Happy End.
Nun geht der Film zwar mit allen seinen Charakteren nicht besonders behutsam um (mit Ausnahme der Rabbinerin, die mir doch sehr wie eine Mary Sue der Regisseurin vorkam), aber die Behandlung der Kritiker von Genitalverstümmelung stach mir doch besonders ins Auge:
Während die Mutter (von Beruf Autorin schmalziger Erotikromane) ansonsten dem aktuellen genre-typischen Muster "chaotisch, aber liebenswert" entsprach, wurde sie beim Thema Genitalverstümmelung zum phrasendreschenden One-Trick-Pony: "Die Vorhaut enthält 16.000 Nervenzellen. Ich werde nicht erlauben, daß mein Sohn neurologisch kastriert wird!"
Den genervte Arzt mag man mit viel gutem Willen noch als Kritik am Gesundheitssystem durchgehen lassen: "Hör zu, ich habe jetzt seit 30 Stunden Dienst und keine Lust auf den Blödsinn. Ich soll also [auf der Basis einer offensichtlich gefälschten Einverständniserklärung der Eltern] eine medizinisch nicht indizierte Zirkumzision an Dir durchführen? Ist das ein Test? Schickt Dich die Krankenkasse? Das würde ich denen glatt zutrauen."
Aber als komplett jämmerliche Witzfiguren wird eine Gruppe von Intaktivisten/Beschneidungsopfern dargestellt, zu denen die Mutter Simon bringt: Wenn sie nicht gerade kleine Jungen mit Fotos von fehlgeschlagenen Vorhautamputationen traumatisieren, schreiben sie Gedichte an ihre verlorene Vorhaut ("... wie gern würde ich Dich vor und zurück schieben ..."), oder flüchten sich in mannsgroße Peniskostüme oder Gruppenumarmungen. Gut, Männer, die ihre Probleme und Sorgen nicht wie /echte Männer/ herunterschlucken und weitermachen, sind halt ein einfacher, automatischer Lacher ...
Nun halte ich es für durchaus möglich, daß der Film die tatsächliche Perspektive einiger/vieler(?) in Deutschland lebender Juden wiedergibt. Bemerkenswert ist ja auch, daß andererseits die Bris im ganzen Film nicht einmal einer anderen Begründung als "es ist Tradition" bedarf.
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