Karl Dall: "Es war ein Riesenfehler, dass ich bei diesem 'Interview' allein war"
Sie hat technisch einiges drauf. Bei Jürgen Drews hat sie es vor zwei Jahren geschafft, mit Hackersoftware von seinem Handy aus eine Mail an dessen Frau Corinna zu schicken: "Ich liege gerade mit deinem Mann im Bett." Jetzt rufen alle hier an: Jürgen Drews, Udo Jürgens, auch Wolfgang Stumpf. Alle wollen helfen.
(...) Hätte ich all diese Sachen bloß vorher erfahren! Erst jetzt hat Udo Jürgens angerufen, erst jetzt werden mir manche Dinge klar. Ich habe in den 1970er Jahren zwei gute Freunde durch Selbstmord verloren. Beide haben kurz zuvor mit mir geredet. Ich bin deshalb hoch sensibilisiert. Nur deshalb hab ich dieser Frau doch zugehört. Die hat gesagt: Ich springe aus dem Fenster. Wir waren im siebten Stock!
(...) Vielleicht kommt es zum Prozess, vielleicht nicht. Aber es bleibt was kleben. Andreas Türck von ProSieben: Freispruch, Karriere kaputt. Kachelmann: trotz Freispruch erledigt. Ich möchte so nicht abtreten.
Die Zeit interviewt Karl Dall zu den Vorwürfen gegen ihn und sein Verhältnis zu der mutmaßlichen Täterin. Lesenswert und sehr informativ – in erster Linie, was den Fall Dall angeht, aber auch darüber hinaus:
Studien zufolge ist rund ein Drittel der Anzeigen wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung "zweifelhaft". Der Rechtsanwalt Rüdiger Deckers, der jedes Jahr eine Fachtagung zum Thema "Zeugenaussagen im Strafprozess" organisiert, auf der führende Wissenschaftler, Sachverständige und Bundesrichter das Problem der Zeugenzuverlässigkeit beraten, schätzt den Anteil der zu Unrecht Beschuldigten unter jenen Mandanten, die die Tat bestreiten, auf etwa 40 bis 50 Prozent.
Nach Ansicht des Hamburger Strafverteidigers Johann Schwenn, der den ARD-Promi Jörg Kachelmann verteidigt und zahllose Falschbeschuldigte aus dem Gefängnis geholt hat, wächst die Bereitschaft, auf Falschaussagen hereinzufallen. "Wenn eine Zeugin weint, dann wird ihr auch geglaubt. Man will es ihr nicht antun, ihre Angaben auf Plausibilität zu untersuchen oder gar zu überprüfen. Defizite der Aussage werden mit der Traumatisierung der Zeugin durch die Tat erklärt – ein klassischer Zirkelschluss, der immer wieder vorkommt und zu Fehlurteilen führt."
Immerhin ist das Medientabu jetzt endgültig durchbrochen und das Problem im Bewusstsein der Allgemeinheit angekommen. Für alles andere gab es in den letzten Jahren ein paar aufsehenerregende Fälle zuviel.
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