Lesermail (Jungenförderung)
Zu dem auf Genderama verlinkten Beitrag zum Artikel "Sind Jungs gut, wenn sie sich wie Mädchen verhalten?" aus der Ärztezeitung vom 29.07.2009 erreicht mich eine Lesermail des MANNdat-Vorsitzenden Dr. Bruno Köhler:
Der Überschrift des Artikels, kann ich voll und ganz zustimmen. Die Jungenarbeit, wie sie sich im Zeichen eines „Neue Wege für Jungs“ zunehmend etabliert, ist weniger eine Jungenförderung als eine Jungenumerziehung im profeministisch-ideologischen Sinn. Es ist deshalb wichtig, dass Schule und Gesellschaft Jungen als Jungen akzeptieren und respektieren und dass Schule und Gesellschaft jungengerechter werden.
Aber darum geht es in dem Artikel aus der Ärztezeitung gar nicht. Vielmehr wird die zunehmende Nutzung z.B. ergotherapeutischer Maßnahmen für Jungen kritisiert. Der Autor hat zwar Recht, wenn er darlegt, dass sich Jungen tendenziell langsamer im Bereich Motorik und Sprachfähigkeit entwickeln. Das Problem ist aber, dass dies die Schule nicht im Geringsten interessiert. Wenn es um die Notengebung geht, werden diese biologischen Rahmenbedingungen, für die die Jungen ja nichts können, nicht berücksichtigt. Fast 60% der Jungen haben zum Zeitpunkt der Einschulung in mindestens einer der schulischen Kompetenzen wie Sprachfähigkeit oder Motorik erhebliche Defizite. Wenn die Bildungspolitik schon Jungen in einem Alter in die Schule schickt in dem sie noch nicht schulreif sind, sollte sie sich zumindest um diese kümmern. Es ist zudem schon recht seltsam, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern immer nur dann betont werden, wenn es zum Nachteil der Jungen ist.
Die Kritik des Autors an der rasch anwachsenden Medikamentierung von ADHS-Kindern – vorrangig Jungen – kann ich unterstützen. Aber hier handelt es sich um ein gesundheitspolitisches Versagen. Es gibt – gerade auch im Hinblick auf die Verwendung von Psychopharmaka – keine unabhängige, staatlich initiierte umfassende und abschließende Studie zu ADHS. Die Broschüre der BZgA zu ADHS, derzeit immer noch Stand Oktober 2006, kann als einzigen „Erfolg“ ihrer „Bemühungen“ auf das Eckpunktepapier der Konsensuskonferenz des Bundesgesundheitsministeriums aus dem Jahr 2002 verweisen, das von Allgemeinplätzen und Grundsätzlichem gekennzeichnet ist und die von der Realität, wie sie in der Kinderarztpraxen bei ADHS vorzufinden ist, Lichtjahre entfernt zu sein scheint. Eltern von ADHS-Kindern, die nach Hilfe bei der Frage nach der Medikamentierung suchen, landen über kurz oder lang bei Aussagen von Pharmafirmen. Was sollen Eltern tun, wenn man sie nur vor die Wahl stellt, seinem Kind entweder Psychopharmaka zu geben oder es auf die Verliererstraße zu schicken?
Dass der Staat ebenso tatenlos dieser Entwicklung zusehen würde, wenn 90% der mit Psychopharmaka behandelten ADHS-Kinder nicht Jungs sondern Mädchen wären, ist sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlich würde man sogar reine Mädchenförderprogramme dafür entwickeln. Es würde mich auch nicht wundern, wenn demnächst eine spezielle Studie „ADHS bei Mädchen“ veröffentlicht würde, um den „speziellen Bedürfnissen der Mädchen“ bei ADHS gerecht zu werden.
Am Ende des Artikels wird die eigentliche Intention des Autors deutlich. Diese Jungenförderung würde das Gesundheitswesen über Gebühr strapazieren. Das ist lächerlich angesichts der Tatsache, dass die Wenigerleistung im Gesundheitswesen für Jungen und Männer gegenüber Frauen und Mädchen jährlich etwa 30 Milliarden € ausmacht (Leistungen für Schwangerschaft und Geburt bereits abgezogen), wie es das Statistische Bundesamt belegt. Jetzt soll den Jungen ausgerechnet noch das bisschen Jungenförderung weggenommen werden, das ihnen zusteht?
Bei der Nutzung von ergotherapeutischen oder logopädischen Angeboten geht es nicht darum, Jungen zu Mädchen zu machen, sondern darum, ein klein wenig die massive, politisch durchaus bewusst kalkulierte Vernachlässigung staatlicher Jungenförderung auszugleichen.
Man darf nicht vergessen: Eltern sind die einzige Lobby, die Jungen haben. Die Politik interessiert sich für die Jungs nicht. Und ich empfehle allen Eltern, die ihnen zur Verfügung stehenden Angebote intensiv zu nutzen, um ihre Söhne in einem nicht sehr jungengerechten Bildungswesen zu unterstützen. Es darf nicht sein, dass man an den Jungen spart, während man erwachsenen, selbstständigen Frauen jährlich immer neue Förderungen finanziert. Die Jugendpolitik, die sich eigentlich auch für Jungen einsetzen sollte, ist für Jungen keine Hilfe. Im Gegenteil, sie ja gerade die treiben Kraft bei der Ausgrenzung von Jungen (siehe Zukunftstag nur für Mädchen). Die Politik interessiert sich nur für die Frauenquote. Und je mehr Jungs den Bach runter gehen, desto besser ist es für die Frauenquote. So einfach ist das.
Labels: Erziehungswesen, Femokratie, Gesundheit, Jungen, Manndat
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