Freitag, März 06, 2009

Lesermail (Jungen 2)

Genderama-Leser B.B. ist meinem Aufruf gefolgt, seine eigenen Erfahrungen als Junge diesem Blog zur Veröffentlichung zuzusenden. Sein Gastbeitrag verdeutlicht, wie sehr junge Menschen über ihre Schulzeit hinweg immer wieder mit einer Form von Sexismus indoktriniert werden, die unsere Medien nicht zum Thema machen:

In der 3. oder 4. Klasse wurde ich einmal während der Pause auf dem Schulhof von einigen Mädchen gehänselt. Nachdem ich sie verscheucht hatte, kam eine Lehrerin auf mich zu, die Pausenaufsicht war und den Vorfall beobachtet hatte. Sie drohte mir: "Wenn ich noch einmal sehe, dass du die Mädchen belästigst, dann...!". Ich war so perplex, dass ich nicht wiedersprach. Es hätte mir aber wohl eh nichts genützt.

Im Alter von 9/10 Jahren hält man bekanntlich Angehörige des anderen Geschlechts für "doof". Auch bei uns kam es in der 4. Klasse zu entsprechenden gegenseitigen Hänseleien und Beschimpfungen. Unsere Klassenlehrerin ging dagegen vor, indem sie vor versammelter Klasse eine Standpauke hielt und damit drohte, jeden Jungen neben ein Mädchen zu setzen. Mir fiel damals schon auf, dass sie nur mädchenfeindliche Sprüche von Jungen erwähnte, obwohl es den umgekehrten Fall nach meinem Eindruck genauso oft gegeben hatte.

Als damals das Thema Kindesmissbrauch zur Sprache kam, wurden wir auch ausschließlich davor gewarnt, mit fremden Männern mitzugehen.

Am Gymnasium hatte ich in der der 5./6. Klasse einen Lehrer von der Sorte, die Sie wahrscheinlich als "Fifi" bezeichnen würden. Er hielt uns mal einen Vortrag darüber, das Frauen heute noch bei Gehälter diskriminiert würden. Ein anderes Mal ging es um Misshandlung und sexuellen Missbrauch von Kindern. Er sagte uns, der Täter könne der Vater, Onkel, Grossvater oder Bruder sein, betonte aber: "Der Täter ist immer ein Mann, weil Frauen diesen Drang nicht haben". Ich habe es noch genau im Ohr, wie demonstrativ angewiedert er das Wort "Drang" aussprach. Ich fragte mich damals, ob er damit etwa meinte, dass Frauen keinen Sexualtrieb hätten, was mir komisch vorkam. Der Lehrer unterichtete auch katholische Religionslehre. Er äußerte sich zwar oft kritisch über das Frauenbild der Kirche, aber in diesem Punkt scheint ihn das Bild der reinen, von der Erbsünde verschont gebliebenen Jungfrau Maria doch beeinflusst zu haben.

1998/99 besuchte ich die neunte Klasse. Unsere Deutschlehrerin nahm das Thema "Geschlechterrollen" durch und gab uns einige Texte zu lesen. In einem hieß es, Studien hätten ergeben, dass sowohl Lehrer als auch Lehrerinnen Jungen öfter drannehmen und besser bewerten würden als Mädchen. Ein anderer Aufsatz kritisierte, dass Männer auch heute noch oft Hemmungen hätten, Mitgefühl, Verständnis oder Rücksichtnahme zu zeigen, weil sie Angst hätten, von anderen Männern für schwul gehalten zu werden.

Als die Lehrerin einmal mit einem Mitschüler stritt, der damals schon eine Stimme wie Ben Becker hatte, sagte sie ihm vorwurfsvoll "Also wenn deine tiefe Männerstimme zu mir rüberdröhnt ...", worauf er erwiderte "Soll ich mich Ihretwegen umoperieren lassen?". Über diese Antwort war sie so entrüstet, dass sie ihn vor die Tür schickte.

Bei unserer Arbeit bekamen wir einen Text vorgelegt. Darin hieß es, Jungen fänden es im Alter von etwa zehn Jahren "besonders smart", laut zu sagen "Es stinkt nach Mädchen!" und sich demonstrativ die Nase zuzuhalten. Bei Mädchen würde so das Gefühl entstehen, minderwertig zu sein. Unsere Aufgabe war, Möglichkeiten anzuführen, wie man die Situation der Mädchen und ihr Selbstwertgefühl verbessern könnte.

Ich schrieb ziemlich banale Dinge und erwähnte die Lehrerin in der Grundschule, die gegen mädchenfeindliche Sprüche vorgegangen war. Damals war meine Position zum Feminismus noch unkritisch (das Ergebnis jahrelange Indoktrination). Meine Lehrerin war von dem Text so hingerissen, dass sie ihn als "sehr gut" bewertete (sonst bekam ich von ihr meist nur ein "befriedigend"). Die Benotung war mir damals schon unverständlich, und ich weigerte mich hartnäckig (und erfolgreich), den Text meinen Eltern vorzulegen, obwohl sie mehrfach darum baten. Er war mir damals schon peinlich.

Am Ende des Schuljahrs wurde ich ohne eine Nachprüfung machen zu müssen versetzt, obwohl ich zwei Fünfen auf dem Zeugniss hatte. Wie meine Eltern später erfuhren, hatte sich die Lehrerin (sie war zugleich unsere Klassenlehrerin) sehr für mich eingesetzt und sich bei der Konferenz besonders auf meine Arbeit berufen. Von da an hatte ich bei meinen Mitschülern das Image eines Schleimers, da eine andere Mitschülerin wiederholen musste. Mir war dieses Image peinlich, zumal ich die Lehrerin damals schon verabscheute, u. a. wegen ihres unerträglich Gutmenschentums. Sie müssen sie sich ideologisch als eine Mischung aus Claudia Roth, Iris Berben und Wolfgang Thierse vorstellen.

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