Montag, März 03, 2008

Lesermail (Zivildienst)

Genderama-Leser H.R. berichtet über seine Erfahrungen im Zivildienst – und wie er ein männerfeindliches System letztlich überwinden konnte:

"Wenn du den Lappen hier nocheinmal liegen lässt, dann gibts aber richtigen Ärger mit mir Junge!"

Das mag eine Aussage einer Mutter sein, die ihr Kind belehren will, welches vielleicht 6 oder 7 Jahren alt ist. Höchstwahrscheinlich hat das jeder schon einmal so oder so ähnlich in seiner Kindheit gehört. Nur die Sache ist die:

Ich bin 20 Jahre alt, habe mein Abitur einigermaßen erfolgreich bestanden und ein Unternehmen mit aktuell 2 Mitarbeitern aufgebaut, welches ich nun seit 2,5 Jahren führe.

Und ich bin Zivi.

Mit dem obigen Satz habe ich meine Vorgesetzte eins-zu-eins zitiert. An meinem ersten! Tag hat sie mich auf diese Weise kritisiert, vor zwei anderen fremden Menschen.

Abgesehen von der ganzen Demütigung die man bei der Musterung ertragen muss, ist das der Gipfel. Ich wurde wie ein kleines Kind behandelt, völlig respektlos. Wie ein kleines Stück Scheiße (sorry für den Ausdruck). Ich war sprachlos und konnte es einfach nicht fassen. Ich werde hier festgehalten, muss Drecksarbeit verrichten (Klo sauber machen, Ascher leeren, Unkraut, Rasen mähen, Müll, Küche putzen, Abwaschen, und einmal das Erbrochene eines 15-jährigen Mädchens wegwischen, weil diese sich zu stark betrunken hat).

Und zu alledem die üblichen "Anweisungen": Wenn in dem Jugendhaus noch niemand da ist, rumbrüllen aus dem 2. Stock, mehr oder weniger beleidigen ("der Hauptschüler vor zwei Jahren ist doch auch drauf gekommen" etc.) und auch bei großer Kälte und manchmal sogar bei Regen draußen Müll einsammeln. Das ist kein Scherz oder Übertreibung. Ich schildere meinen Zivi-Alltag, so wie er ist.

Der Höhepunkt kam zwei Monate nach dem Beginn: Ich wurde krank, habe mir einen Grippevirus eingefangen und dazu bekam ich eine Speicheldrüseninfektion, wobei man hier in 50% der Fälle am Hals operieren muss. Die Antwort von meiner Zivistelle kam prompt: Regionalbetreuer eingeschalten. Diese tauchte dann plötzlich vor meiner Haustür auf, ohne Anruf davor, Terminabsprache oder irgendeiner Nachricht. Bin ich als Zivi jedermann jederezeit zugänglich oder was? Glauben die wohl Zivis sind Menschen zweiter Klasse, die es nicht wert sind, benachrichtigt zu werden, wenn man diese aufsuchen möchte.

Umd zu dem Schluss zu kommen: ich habe mich nicht wie ein Mensch zweiter Klasse gefühlt, sondern ich war einer.

Auch mir hat das dann gereicht und ich habe angefangen mich zu wehren, mit legalen Mitteln: meine Arbeitskraft auf Sparflamme reduziert, mich bei jeder Unstimmigkeit in Köln beschwert usw. Nebenbei habe ich mich auf meine "Depressionen" vobrereitet. Ich litt in dieser Zeit unter Schlafstörungen und meldete dies bei meiner Ärztin. Diese hat nach einem langen Gespräch bei mir eine Depression festgestellt. Und so habe ich mich Woche um Woche krankgeschrieben, meine Bezüge dennoch kassiert. Ich besuchte Physiotherapeuten, die mich massierten, ich besuchte alle möglichen Ärzte um mich abchecken zu lassen. Natürlich verschrieb mir meine Ärztin auch noch sehr teure Antidepressiva und und und ...

Der Punkt auf den ich hinaus will: "Der Bund muss sparen." Das sagte mir mein Regionalbetreuer in Anspielung auf meine lange Abwesenheit. Also: Ich produziere nicht genug, für den mir zugemuteten Preis.

Ich habe ganzen Spieß umgedreht: Ich habe den Bund soviel gekostet wie wahrscheinlich noch kein anderer Zivi zuvor. Zuzüglich zu meinen Bezügen, werden dem Bund alle Rechnungen für ärztliche Behandlungen und Medis gestellt.

Mein Motto: Erst wenn sich die Sklaverei nicht mehr "lohnt", wacht unsere Regierung vielleicht auf und schafft die Wehrpflicht ab. Auf menschlichem Wege und der Moral a la "Sklaverei ist nicht gut." wird das nie zu erreichen sein. Daher wäre es schön, einen Weg zu finden, um allen jungen Männern, die diesen Schwachsinn namens Wehrdienst nicht über sich ergehen lassen wollen, zu vermitteln, welcher Weg der effektivste ist, um Widerstand zu leisten. Wenn der menschliche nun mal nicht klappt, so muss der fnanzielle Aspekt ran ...


Vermutlich sind die hier geschilderten Negativ-Erfahrungen sogar eher noch harmlos im Vergleich zu dem, was andernorts so alles vorkommt. Ich kann sie aus meiner eigenen Zivi-Zeit jedenfalls nur allzu gut bestätigen. "Bei den meisten Dienststellen kommt der Zivi doch direkt nach dem Hausschwein", hat eine Pfarrerin dazu angemerkt, die das Treiben auch bei meiner damaligen Dienststelle fassungslos mitansehen musste. (An diese Stelle gehört eigentlich ein kleiner Warnhinweis vor der Evangelische Kirchengemeinde Bad Schwalbach.) Fakt ist: Den meisten Vorgesetzten ist vollkommen klar, dass sie über den Zivildienstleistenden absolute Macht besitzen (er kann ja nicht einfach kündigen, nur weil er ständig schikaniert wird), und da Macht korrumpiert, nutzen sie diese Macht auch gnadenlos aus. Dazu kommt das bewusste oder unbewusste Wissen, dass man Zivis bedenkenlos kaputtmachen kann, da ja sowieso ständig neue nachrücken.

Bemerkenswert ist, dass bei solchen Zwangsdiensten mit all ihren mitunter langfristigen Schädigungen nur Männer und nicht auch Frauen unterworfen werden. Während heranwachsenden Frauen beigebracht wird, dass sie "Alpha-Mädchen" sind und dass "das neue Jahrtausend weiblich wird", wird heranwachsenden Männern beigebracht, dass man sie wie Dreck behandeln kann. Da braucht man sich dann über die entstehende Schieflage zwischen den Geschlechtern, die auch von so manchem "dressierten Mann" gestützt wird, nicht mehr zu wundern.

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