Mal was Positives: Welche Chancen bietet Trumps Wahlsieg?
Zunächst mal: Das hier ist ein männerpolitisches Blog. Deshalb beschränke ich mich darauf, Trumps Wahlsieg unter männerpolitischen Gesichtspunkten zu betrachten, auch wenn das in der Gesamtperspektive als genau das (nämlich beschränkt) wirken kann. Es gibt so viel mehr zu den Folgen von Trumps Sieg zu sagen, aber das hier ist nicht der Platz dafür.
Vielleicht fangen wir hiermit an: Vorgestern konnte man in der Frauenzeitschrift "Elle" (nicht der "Emma"!) folgenden Artikel finden:
Im Juli 2024 hat Joe Bieden seine Kandidatur für die Präsidentschaft zurückgezogen und nominierte stattdessen seine Vize-Präsidentin Kamala Harris. Damit tritt nun eine Schwarze Frau gegen einen weißen Sexisten an. Man könnte auch sagen: Es ist ein Duell zwischen Patriarchat und Feminismus.
(…) Kamala Harris ist anders: Sie bezeichnet sich öffentlich als Feministin. Bei ihrem Amtsantritt als Vize-Präsidentin hat sie versprochen, sich für eine bessere Bezahlung von Women of Color und bessere Karrierechancen für Mädchen einzusetzen. Eines ihrer Kernthemen ist es, die reproduktiven Rechte von Frauen zu schützen. In Reden und Interviews fragt sie immer wieder, warum man Frauen nicht zutraue, Entscheidungen über ihren Körper selbst zu treffen. Im März besuchte sie eine Abtreibungsklinik – kein Präsident oder Vizepräsident hat das je getan. Ein Video von Kamala Harris ging viral, in dem sie Brett Kavanaugh, damals Anwärter für das Amt des Richters am Supreme Court, fragt: "Fallen Ihnen Gesetze ein, bei denen die Regierung über den Körper von Männern entscheidet?"
(…) Der Kampf zwischen Feminismus und Patriarchat geht also weiter. Doch der Feminismus hat gute Chancen: Eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigte, dass sich 61 Prozent der US-Amerikanerinnen als Feministinnen sehen. Jetzt wird sich zeigen, ob sie es wirklich sind…
Das war das Skript, das auch viele andere deutsche Medien diesem Wahlkampf zugrunde gelegt haben. Ganz automatisch konnte es geschlechterpolitisch nur darum gehen, was für Frauen rauszuholen war. Und ganz automatisch wurden die Frauen als die besseren Menschen phantasiert, wenn etwa Georg Restle von "Monitor" (WDR) fabuliert, Trumps Wahlsieg stehe "für den weltweiten Siegeszug einer toxischen Männlichkeit, die den Kampf von Frauen um ihre Rechte um Jahrzehnte zurückwirft." Vor ein paar Tagen lautete eine typische Schlagzeile "Men Are Hopeless, but Don’t Worry: Women Will Save America. As Usual." Es ist immer dieselbe Rhetorik: Männer sind böse und verpeilt, Frauen sind edel und haben's echt drauf.
Diese Strategie ist jetzt politisch komplett gescheitert:
Männer zwischen 18 und 29 Jahren haben sich in Scharen von den Demokraten abgewandt (…). Die Schlüsseldemografie der jungen Männer hat sich seit 2020 um fast 30 Prozentpunkte nach rechts verschoben, als sie mit einer Marge von 15 Prozent für Präsident Joe Biden stimmten.
Das Wall Street Jounral hat das hübsch veranschaulicht.
Noch tiefgehender hat das Magazin Slate die Sache analysiert:
Wie schon 2016 war Trumps Sieg 2024 ein überwiegend männlicher und weißer. Diesmal schälte er jedoch mehr farbige Männer ab. Zum ersten Mal wählte eine Mehrheit der Latino-Männer die Republikaner. Trumps Unterstützung unter weißen Männern und seine überwältigende Unterstützung unter weißen Männern ohne College-Abschluss blieb konstant. Und wie im Jahr 2020 stimmten etwa 20 Prozent der schwarzen Männer für ihn (2016 waren es weniger als 15 Prozent).
(…) Trump und sein Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance versprachen den Männern eine Regierung, die sie sieht, die für sie arbeitet, die versucht, ihnen die Macht zurückzugeben, und die sie mag und respektiert. Dem stellten sie eine Demokratische Partei gegenüber, die Männer nicht nur vergisst, sondern ihnen gegenüber geradezu feindlich eingestellt ist.
Gut, diese Passagen finden sich in einem Wust aus ideologischem Geschwurbel. ("Trump hat mit Männern gesprochen, die frustriert sind, die sich abgehängt fühlen und von denen sich viele - trotz aller Beweise - misshandelt und sogar diskriminiert fühlen.") Trotzdem muss einem rational denkenden Leser klar sein: All diese Männer gälte es eigentlich zurückzugewinnen. Man hat ja jetzt gesehen, wie man sie politisch erreichen kann. Den Restles dieser Welt ist es aber offenbar lieber, ihre Weltsicht bestätigt zu bekommen, als tatsächlich etwas zu ändern.
(Übrigens konnte Trump auch die Mehrheit der weißen Frauen für sich gewinnen. Kamala Harris ist auch bei einer Zielgruppe gescheitert, die für sie eigentlich erreichbar hätte sein müssen. Womöglich ist es aber falsch, Frauen als Menschen zu betrachten, die in erster Linie leichter abtreiben möchten. Nicht jeder Wählerin mag es gefallen haben, dass ein ethisch so komplexes Thema wie Abtreibung auf "die Freiheit der Frau zu tun, was sie will" reduziert wird. Womöglich sind außerdem im mittleren Westen der USA die meisten Wählerinnen gar keine Taylor-Swift-Frauen, sondern stehen hinter ihren Männern, statt sich identitätspolitisch gegen sie ausspielen und in eine Kontroverse von "wir gegen die" quatschen zu lassen?)
Dass gerade nicht "alte weiße Männer", sondern vor allem die jungen Kerle so klar signalisiert haben, wie wenig sie inzwischen mit den Predigten des woken Lagers anfangen können, hat schon vor dem Wahltag dazu geführt, dass über die schwierige Situation von Männern und über ihre Anliegen mehr Artikel veröffentlicht wurden als jemals zuvor. Nicht alles davon – Podcasts von Medien wie der New York Times oder der Washington Post – habe ich hier extra verlinkt. Nehmen wir jetzt einmal an, statt Donald Trump hätte Kamala Harris die Wahl gewonnen. Die geschlechterpolitische Botschaft wäre klar gewesen: Was Männer wollen, braucht man gar nicht so ernst zu nehmen. Die werden von den Frauen, die "wieder die Welt retten", ja sowieso überstimmt.
Das ist jetzt nicht so.
Männer sind zu einem politischen Faktor geworden, um den man sich kümmern muss.
Man wird Männern ernsthaft zuhören müssen – und zwar nicht nur den feministischen Männern mit ihrer selbstgerechten "Ja-die-anderen-Kerle-sind-wirklich-voll-schlimm"-Botschaft.
Natürlich werden viele erst mal bei ihren gewohnten Denkschablonen bleiben. Der fast automatische Männerhass war auf X (Twitter) gestern besonders stark. Die New York Times schlagzeilt "It’s This Man’s, Man’s, Man’s World", nachdem Männeranliegen erstmals im Wahlkampf eine Rolle gespielt haben. Aber auch die Autorin dieses Artikels kapiert allmählich, welcher bisherige Ansatz nicht mehr funktioniert:
[Der Politikberater] James Carville warnte davor, dass die Demokraten aufhören müssten, als die Partei der predigenden Frauen zu erscheinen. Doch dann versuchten Barack und Michelle Obama, schwarze Männer zu umwerben, indem sie sie beschimpften.
"Wir haben jedes Recht, von den Männern in unserem Leben zu verlangen, dass sie sich besser um uns kümmern", sagte Michelle Obama. "Unser Leben ist mehr wert als ihre Wut und Enttäuschung."
(...) Kurz vor Schließung der Wahllokale twitterte der Trump-Berater Stephen Miller: "Wenn Sie Männer kennen, die noch nicht gewählt haben, bringen Sie sie zu den Wahllokalen."
In einem Wahllokal in Charlotte, North Carolina, erzählte ein junger Mann der CNN-Nachrichtensprecherin Brianna Keilar, dass er in letzter Minute von seiner Freundin bedrängt wurde, für Harris zu stimmen, indem sie ihn telefonisch unter Dauerfeuer genommen hat und ihm drohte, sie würde mit ihm Schluss machen, wenn er es nicht täte.
Aber auch diese "Lysistrata"-Taktik hat nicht funktioniert.
Viele Männer haben diese Scheiße dermaßen satt, die wählen glatt jemanden wie Trump, um dem endlich einen Riegel vorzuschieben. Sie haben es satt, sich von Frauen endlose Vorträge halten zu lassen, wen sie wählen sollen, weil es für Frauen gut ist.
Die Demokraten haben das bis zum Tag der Wahl einfach nicht begriffen.
In dem New-York-Times-Artikel heißt es weiter:
Wie mir der Präsidentschaftshistoriker Michael Beschloss sagte, wäre es ein wunderbares moralisches Lehrstück gewesen, wenn Trump durch seine Frauenfeindlichkeit und seine Verachtung für die Rechte der Frauen zu Fall gebracht worden wäre.
Stattdessen wurde ein moralisches Lehrstück daraus, wie Kamala Harris durch ihre Verachtung für Männerrechte zu Fall gebracht worden ist.
Christian Schmidt zitiert heute morgen einen Beitrag aus Reddit, der die Dinge ähnlich sieht:
Die Demokraten hielten die männlichen Stimmen für selbstverständlich
Sie haben bis zur letzten Woche gebraucht, um zu begreifen, dass auch Männer wählen werden, und sie haben einen letzten Versuch unternommen, die männlichen Stimmen zu gewinnen, indem sie ... einen Haufen beschissener Anzeigen darüber veröffentlichten, wie männlich es ist, Frauen zu unterstützen.
Das ist nicht nur ein Schuss ins eigene Knie, das ist, als würde man einen Tumor im Fuß jahrelang ignorieren und ihn dann mit einer Schrotflinte wegblasen, sobald man merkt, dass etwas nicht stimmt. Sie haben sich so sehr verrannt, dass es geradezu lustig ist.
(…) Auf "Threads" und verschiedenen anderen Plattformen sah ich häufig Männerhass und das "Ich habe es satt, mich darum zu kümmern, was Männer zu sagen haben", und jetzt tun sie so, als wären sie überrascht, dass die Männer nicht in ihrem Sinne gestimmt haben.
(…) Sie kümmern sich ausdrücklich nicht um Männer, insbesondere nicht um weiße Männer. Wenn man das erwähnt, wird man angepampt. "Hey, was ist mit mir?" – "Fick dich", lautet die allgemeine Antwort.
(…) Sie geben jedem die Schuld, nur nicht sich selbst, denn Verantwortung ist etwas, mit dem sie nicht umgehen können. Sie haben null Selbstwahrnehmung. Dennoch erwarten sie von Männern, dass sie sich selbst reflektieren, emotional reif sind und sich um Menschen kümmern, die sie ausdrücklich hassen.
(…) Die Partei, die behauptet, sie wolle Gleichheit ... und dann behauptet, sie wolle Gleichberechtigung ... ihre Worte und Entscheidungen zeigen, dass sie nichts davon will.
Sie glauben, dass Männer Frauen hassen, weil sie Männer wirklich hassen, und sie können nicht begreifen, warum das abstoßend ist.
Jemand wie Georg Restle wird sein Denken vielleicht nicht mehr ändern können, weil es viel zu verkrustet ist. Er denkt womöglich noch in dreißig Jahren, dass es hilfreich sein würde, Männer immer wieder zu maßregeln. Aber es gibt ja auch im woken Lager nicht nur solche Leute. Ich stehe selbst politisch links und kann einigermaßen selbstständig denken. Irgendwann MUSS es Politstrategen auch in Parteien wie den Demokraten geben, die begreifen, dass man männliche Wähler nicht allein mit Vorwürfen für sich gewinnen kann oder damit, dass man sie als emotionsgesteuert karikiert, oder phantasiert, dass sie nur ihre angeblichen "Privilegien" bewahren wollen. Sondern dass man auch für sie etwas tun muss, um sie nicht dauerhaft in noch größerer Zahl an den politischen Gegner zu verlieren.
Bei "Vox" – eine linke Plattform mit vielen lesenswerten Beiträgen – hat man es schon kapiert. In dem Artikel "Donald Trump führte eine Kampagne für Männer. Es hat funktioniert." wird das erklärt, was wir in den letzten Wochen schon öfter gelesen haben. Irgendwann wird die Botschaft ankommen:
Es gibt viele Gründe, warum die männlichen Wähler in den letzten Jahren unzufrieden waren und für [Trumps] Botschaften empfänglich gewesen sein könnten. Die Inflation hat die Lebenshaltungskosten für Millionen von Menschen nach der Pandemie schmerzhaft gemacht. Männer fallen im Bildungsbereich hinter Frauen zurück. Ihre Löhne stagnieren oder sinken, während die Löhne der Frauen steigen, und immer weniger Männer sind berufstätig. Sie haben mit einer Epidemie von Einsamkeit zu kämpfen, die Frauen anscheinend nicht in ähnlicher Weise betrifft.
Vor ein paar Jahren noch waren all das Themen von "so einem albernen Häufchen Männerrechtler, hihi", die viele nicht einmal als politische Bewegung ernst nehmen wollten. Womit sie sich, wie es in dem zitierten Redding-Beitrag zutreffend heißt, selbst ins Knie geschossen haben. Das kann man noch ein paar weitere Male tun, aber irgendwann wird der Schmerz zu groß, und man überlegt sich, ob eine andere Handlung sinnvoller sein könnte.
Für das linke Lager müsste das eigentlich auch eine gute Botschaft sein: Der Wahlsieg Trump liegt nicht daran, dass plötzlich die Mehrheit der Wähler den Verstand verloren hätten. Es gab konkrete politische Fehler und es gibt vernünftige Maßnahmen, die man ergreifen kann, damit sich die Wählerschaft wieder ins eigene Lager verschiebt. Man müsste sich halt nur ein wenig ernsthafter mit jenen Männerrechtlern beschäftigen, die man Jahrzehnte lang verspottet, beschimpft und verachtet hat.
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