Donnerstag, April 05, 2018

"Zeit"-Titelgeschichte: "Schäm dich, Mann!" – News vom 5. April 2018

1. Nachdem die "Zeit" mit ihrer Kombination aus Einseitigkeit und sexistischer Hate Speech in der Geschlechterdebatte aktuell stark in der Kritik gestanden hat, scheint man dort die Reißlinie ziehen zu wollen. Mit der Titelschlagzeile "Schäm dich, Mann!" fasst die "Zeit" bisher dort erschienene Beiträge zwar treffend zusammen, der Inhalt dieses Artikels ist allerdings eine Kritik am trendigen Männerbashing, die natürlich als "Wutausbruch" bezeichnet wird. (Das würde die "Zeit" nicht machen, wenn sich Frauen gegen Frauenfeindlichkeit aussprechen. Wut und Aggression bleiben in den Leitmedien männlich gegendert.) Dem unbenommen gefällt der Teaser des Beitrags, der leider nur im Anriss online steht. Dort heißt es: "Seit einem halben Jahr tobt die #MeToo-Debatte. Es geht dabei längst nicht mehr um Gleichberechtigung, sondern um den Triumph eines totalitären Feminismus." Es sind Leute schon für weniger als "rechte Antifeministen" an den Pranger gestellt worden.

Recherchiert man online ein bisschen weiter (ich habe mir die aktuelle "Zeit" nicht gekauft, weil ich dieses Blatt nicht unterstützen möchte), stößt man auf Passagen wie diese:

In der unterstellten Kollektivverantwortung aller Männer für die Untaten jedes einzelnen liegt etwas, das sehr wohl sprachlos machen kann. Der Feminismus hat damit eine Grenze überschritten, die den Bezirk der Menschlichkeit von der offenen Barbarei trennte. Nur sehr Tapfere erkennen darin eine heilsame Lektion, die es allen Männern erlaubt, die Diskriminierungserfahrung der Muslime zu machen: Was einige getan haben, wird allen zur Last gelegt. Jeder Muslim ein potenzieller Terrorist, jeder Mann ein potentieller Vergewaltiger.


(Es ist klar, dass unter dieser auf Twitter zitierten Passage die von der bisherigen "Zeit"-Linie geprägten Leser und Leserinnen gehörig dagegen polemisieren.)

Mein erster Eindruck: Zumindest einer in der "Zeit"-Redaktion ist also aufgewacht. Und das wäre ganz sicher nicht passiert, noch hätten er und andere Redaktionsmitglieder den Mut zu dieser Titelgeschichte gefunden, wenn Männerrechtler und Feminismuskritiker nicht mit unermüdlicher Beharrlichkeit darauf hingewiesen hätten, wie destruktiv die herrschenden Diskurse sind.

In der Online-Männerszene wird die aktuelle "Zeit"-Titelgeschichte indes mit Misstrauen wahrgenommen, da sie von der bisherigen Linie des Blattes so radikal abzuweichen scheint. Erst gestern äußerte sich dazu der Gymnasiallehrer und Blogger Lucas Schoppe in einem Kommentar:

In der "Zeit" (...) sind schon zig gender-feministische Texte erschienen, die dann jeweils Hunderte von Kommentaren bekamen, die den Text auseinandernahmen und die zu einem guten Teil deutlich mehr Substanz hatten als der Text selbst. Macht aber alles nichts – der nächste Text funktioniert dann ebenso (auch wenn ich jetzt in der Vorschau sehe, dass gerade in dieser Woche ein Text über die Selbstverständlicheit des Männer-Bashing erscheint). Ich glaube mittlerweile tatsächlich, dass die mangelnde Qualität der meisten feministischen Argumente dieser Texte durchaus eine Funktion erfüllt. Sie zeigt: Auch wenn Ihr noch so gute Argumente habt, und bessere als wir – wir schreiben die Artikel, und Ihr tobt Euch in den Kommentaren aus. Nützt auch alles nix, kann uns alles nix.


(Eine maskulistische Analyse eines fragwürdigen "Zeit"-Artikel der letzten Tage findet man hier.)

Was den Skeptikern Recht zu geben scheint, ist, dass auf die aktuelle "Zeit"-Titelgeschichte für nächste Woche offenbar eine Replik des stellvertretenden "Zeit"-Chefrdakteurs Bernd Ulrich geplant ist. Ich gehe davon aus, dass ihr das Label "Wutausbruch" erspart bleiben wird.

Nachtrag von 9:13 Uhr: Auf Facebook meldet einer meiner Leser:

Der Beitrrag von Jens Jessen in der "Zeit" setzt sich selbst sehr intensiv mit bisherigen Publikationen im eigenen Blatt bzw. der Web-Ausgabe auseinander. Und zwar kaum weniger deutlich als Genderama.




2. Was die deutschen Leitmedien ansonsten breitflächig ignoriert haben, greift jetzt das Portal "Noizz" auf: "Endlich sprechen auch Männer darüber, wie Frauen sie verletzen" freut sich Tanja Koch und berichtet über den Twitter-Hashtag #maybeshedoesnthityou, der auf psychische Grausamkeiten durch Frauen aufmerksam macht. Tanja Kochs Kommentar:

Warum hat es so lange gedauert, bis auch Männer bei Twitter zugeben, Opfer von Gewalt in Beziehungen zu sein? Und warum gibt es keine Promis, die #maybeshedoesnthityou unterstützen? Wahrscheinlich aus Angst, als schwach angesehen zu werden. Und aus Angst, als frauenfeindlich, zu gelten, als unfeministisch.

Feminismus bedeutet allerdings nicht: Frauen sind Opfer, Männer sind Täter. Feminismus bedeutet Gleichberechtigung. Deshalb ist es absolut angebracht, dass auch männliche Opfer ihr Leid aussprechen und weibliche Täter zur Verantwortung gezogen werden. Es wird Zeit, dass Gleichstellung endlich in alle Richtungen gilt.


(Das Notwendige über den Hintergrund von "Noizz" erfährt man hier.)



3. Die "Frankfurter Rundschau" macht mit bemerkenswerter Ausdauer gegen den bevorstehenden Anti-Gewalt-Kongress an der Goethe-Universität Stimmung. Der dritte Artikel dieser Reihe enthält keine wirklich neuen Informationen und erinnert im wesentlichen lediglich daran, dass der Frankfurter AStA für den Zeitpunkt des Kongresses zu einer Demo auf dem Campus aufruft.

Man kann das Dauergeplärre der "Rundschau" verstehen, wenn man sich anschaut, wie viele Leute sich trotz mehrfacher nachdrücklicher Hinweise von "Rundschau" und "Hessenschau" einschließlich Verlinkungen der Facebookseite zur Demo dort zur Teilnahme gemeldet haben. Selber die Nachrichten zu fabrizieren, die man gerne hätte, scheint für die "Qualitätsmedien" zunehmend mühsam zu werden. Man darf wohl damit rechnen, dass die üblichen sechs bis acht Leutchen aufkreuzen, was gerade mal für drei weitere "Rundschau"Artikel in der Folgewoche ausreichen wird. ("Proteste gegen 'homofeindlichen' Kongress", "Tapfere Studenten bieten 'Homoheilern' die Stirn" sowie "Nach Studentenprotesten: Keine Zwangstherapien in Frankfurt".)



4. Die früheren NDR-Mitarbeiter Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam problematisieren im Magazin Rubikon, dass die Rundfunkrats-Vorsitzende Angelika Huntgeburth vor allem auf dem feministischen Ticket unterwegs sei:

Jede/r hat das Recht, sich nach Gusto Prioritäten zu setzen. Wenn diese allerdings einen so stark verengten Blick wie hier auf die gesamtgesellschaftlich bedeutsame Arbeit offenbaren, mit der eine Programmausschuss-Vorsitzende von Gesetzes wegen betraut ist, dann ist Einspruch angesagt: In dieser Funktion sind die Interessen aller Rundfunkteilnehmer zu vertreten, nicht nur die der Mädchen und Frauen.

(...) Angelika Huntgeburth, als Frauenrechte-Multifunktionärin ausgelastet und nach eigenem Bekunden thematisch weitgehend auf Feminismus eingegrenzt, nimmt ausgerechnet die wichtigste Position bezüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Programmkontrolle ein.




5. Trotz fehlender Unterstützung durch die Leitmedien geht es mit dem Abbau von Männerdiskriminierung ganz allmählich voran:

Die Vertreterversammlung der KV Bayerns ist einem Antrag der Gynäkologin Dr. Elisabeth Hupfer-Dirksen gefolgt und hat beschlossen: Bei Verdacht auf Brustkrebs soll die Behandlung eines Mannes beim Gynäkologen als Kassenleistung abrechenbar sein. Bisher wird die Abrechnung mit der Anmerkung "0" (Begründung: Mann) versehen und nicht bezahlt. (...) Auch für Männer und Transgender müsse es ein niedrigschwelliges Angebot vor Ort geben, wie es für Frauen selbstverständlich sei. Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums erkranken hierzulande jährlich 600 bis 700 Männer an Brustkrebs. Sie finden häufig nur schwer Hilfe.


Die Medical Tribune berichtet.



6. Nachdem in Großbritannien mehrere Vergewaltigungsprozesse hintereinander geplatzt waren, weil aufgedeckt worden war, dass die Polizei entlastendes Material zurück gehalten hatte, wurden diese Vorgänge jetzt in einem Untersuchungsbericht analysiert. Näheres erfährt man aus der Londoner Times:

Das Ausmaß des Versäumnisses von Polizei und Staatsanwaltschaft, wichtige Beweise in Strafsachen offen zu legen, wird heute in Dokumenten offengelegt, die zeigen, dass ein solches Verhalten Routine und Absicht ist.

Ein von der Times eingesehenes Dossier belegt eine allgemeine Auffassung, der zufolge die Verteidigung nicht das Recht habe, sämtliche vorliegenden Beweise einzusehen. Sie enthüllt die Taktiken, mit denen deren Übergabe verhindert werden soll, wobei die Offiziere mindestens einer Truppe offenbar darin geschult wurden, wie sie es vermeiden können, Material zur Verfügung zu stellen, das ihren Fall untergraben könnte.

Die Akte stützt sich auf die Berichte von 14 Fokusgruppen mit der Polizei und anderen Fokusgruppen mit Staatsanwälten und Richtern sowie auf eine Umfrage unter Staatsanwälten.




7. Aus den Blogs: Stevie Schmiedel von "pinkstinks" dreht am Rad; Christian Schmidt kommentiert.

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