Samstag, März 28, 2020

Handelsblatt: "In der Coronakrise schlägt die Stunde der alten weisen Männer" – News vom 28. März 2020

1. "In der Coronakrise schlägt die Stunde der alten weisen Männer" betitelt das "Handelsblatt" einen Artikel, der einen bemerkenswerten Kontrapunkt zu dem Geläster über alte weiße Männer vor der Pandemie darstellt. Am Beispiel der Unternehmer Erich Sixt, Heinz Hermann Thiele und Dietmar Hopp wird erläutert, wie die "patriarchalen Unterdrücker" sich gerade positionieren. Ein Auszug:

Auch Dietmar Hopp ist in diesen Tagen im Rampenlicht. Anfang März musste sich der SAP-Gründer von Fußballfans noch verschmähen lassen, nun ist der 79-jährige einer der größten Hoffnungsträger des Landes. Als die Pandemie noch weit entfernt war, investierte der Unternehmer in die Virenforschung. Nun ist es das von ihm maßgeblich finanzierten Biotechunternehmen Curevac, das in der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes weltweit ganz vorne mitarbeitet.

Während die Republik überlegt wie sie ihre Senioren vor dem Coronavirus am besten schützt, sind ihre ältesten Unternehmer hoch aktiv. (…) Sixt, Hopp und Thiele sind (…) keineswegs Hasardeure. Keiner von ihnen hat sein Geld geerbt, sie starteten unter denkbar schlechten Vorzeichen in ihr Leben. In Kriegszeiten geboren, haben sie in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ein Vermögen gemacht. Wer heute mit Vertretern dieser Generation spricht, trifft oft auf eine gewisse Gelassenheit, was die materiellen Folgen der Coronakrise angeht. (…) So widerspricht Erich Sixt auch der Kanzlerin Angela Merkel bei der Feststellung, dass diese Krise die schlimmste seit dem Zweiten Weltkrieg sei. Wer nach dem Krieg von Schulspeisung gelebt hat, den können auch ein paar Wochen Shutdown im Wohlstandsland nicht schocken. (…) Die Generation der alten weißen Männer wird gern verspottet, aber sie hat die Erfahrung aus existenziellen Krisen und der sich daraus ergebenden unternehmerischen Chancen anderen voraus. Sixt wird mit der dicksten Eigenkapitaldecke der Branche in die Nach-Corona-Zeit fahren. Heinz-Hermann Thiele wird ein Schlüsselspieler beim Neustart der Lufthansa. Und Dietmar Hopp wird mit Curavec hoffentlich helfen, die Corona-Krise zu beenden. Gut, dass wir sie haben.




2. Aber auch jüngere, nicht-vermögende Männer sind während der Pandemie besonders gefragt. Österreich etwa debattiert darüber, ob man frühere Zivis zwangsverpflichten sollte, um die fehlenden Krankenpfleger auszugleichen. Zur Bewältigung von Corona wurde auch der Grundwehrdienst gerade um zwei Monate verlängert. Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger sagte am Freitag, die jungen Männer würden dringend vor allem in Krankenhäusern gebraucht, um das Personal dort zu unterstützen und entlasten. Auch die Soldaten sind aktuell mit sogenannten Unterstützungseinsätzen gefordert.

Siehe zum selben Thema auch " Welche Männer wegen der Corona-Krise einrücken und mit anpacken".

Dass noch vor einem halben Jahr (weiße) Männer vor allem als Zielscheibe für Resentiments dienten, kommt einem rückblickend besonders dekadent vor.



3. Werdende Väter sollten auch während der Pandemie in den Kreißsaal dürfen, befindet der Verband der Frauenärzte:

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) weist darauf hin, dass die World Health Organisation (WHO) und die europäischen gynäkologischen Fachgesellschaften keine Evidenz dahingehend sehen, die PartnerInnen von gebärenden Frauen von der Geburt auszuschließen, sofern sie nicht positiv auf SARS-CoV-2 getestet sind oder Krankheitssymptome haben1.

"Gleichzeitig appellieren wir aber auch an das Verantwortungsbewusstsein der Schwangeren und ihrer PartnerInnen, vorhandene Symptome nicht zu verschleiern. Das würde andere Familien und auch das Krankenhauspersonal unnötig in Gefahr bringen", warnt DGGG-Präsident Prof. Dr. Anton J. Scharl in Anbetracht der anhaltend hohen Infektionszahlen.

Die PartnerInnen im Kreißsaal erfüllen wichtige Funktionen unter der Geburt. Nicht zuletzt leisten sie in diesem besonders vulnerablen Moment essentiell wichtigen mentalen Beistand für die Gebärenden. Die DGGG empfiehlt daher Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und den Landesministerien, dies bei Ihren Erlassen und Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu berücksichtigen.


Vor allem wegen fehlender Schutzkleidung dürfen zum Beispiel in Rheinland-Pfalz viele Väter bei der Geburt nicht dabei sein.

In Franken lassen Kliniken Väter nach anfänglicher Weigerung wieder bei der Geburt dabei sein. Voraussetzung dafür sind "umfangreiche Hygienemaßnahmen" und das Tragen einer Schutzmontur: "Das ist möglich, wenn der Vater symptomfrei ist und in den letzten 14 Tagen keinen Kontakt zu einer infizierten Person hatte."



4. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz stellt klar, was die Coronakrise für Trennungsfamilien und den Umgang mit ihren Kindern bedeutet. In einem FAQ werden die wichtigsten Fragen zu diesem Thema beantwortet. Irritierend bleibt, dass es dieselbe Orientierungshilfe nicht von seiten des Frauen- und Familienministeriums gibt.



5. Ministerin Franziska Giffey (SPD) will während der Pandemie Frauen besser vor Gewalt schützen:

"Die Fallzahlen häuslicher Gewalt, die sich in aller Regel gegen Frauen und Kinder richtet, werden voraussichtlich zunehmen", sagte Giffey der "Rheinischen Post". "Derzeit leerstehende Hotels können für Frauen, die vor Gewalt fliehen, geöffnet werden", wenn Frauenhäuser überfüllt seien, schlug sie vor.

Sie sei mit ihren Länderkollegen im intensiven Austausch über die Lage und konkrete Maßnahmen, berichtete Giffey. Als positive Beispiele nannte sie die Stadt Kassel, die leerstehende Ferienwohnungen für Frauen in Not angemietet habe, sowie Berlin, wo "zwei ganze Hotels als Schutzräume gebucht" worden seien.


Mit anderen Worten: Giffey betreibt nach denselben moralischen Maßstäben Politik, nach denen sie ihre Doktorarbeit erstellt hat.

Hamburg hat schon mal eine Pension für Opfer häuslicher Gewalt gebucht:

Zwar gibt es in der Hansestadt bisher keine Hinweise darauf, dass häusliche Gewalt wegen der Ausgangsbeschränkungen zugenommen hat. Auch das bundesweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" registriert kein Plus an Anrufen.


Aber man weiß ja nie … So fragt dann auch der "Stern": "Corona-Quarantäne: Bleibt der Schutz von Kindern und Frauen vor Gewalt auf der Strecke?" Wobei der "Stern" sich immerhin darauf beziehen kann, dass einflussreiche Frauenrechtsorganisationen einen besonderen Schutz für Frauen fordern. Vergleichbare Forderungen von einflussreichen Männerorganisationen wie dem "Bundesforum Männer" gibt es ja nicht.



6. London bringt hunderte Obdachlose während der Pandemie in Hotelzimmern unter. Dies geschieht durch Taxifahrer, die sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet hätten.



Weiter geht es mit Meldungen, die nichts mit Corona zu tun haben.



7. In den letzten Tagen sind mehrere Artikel über den Inhalt von Woody Allens Memoiren erschienen. Ich zitiere hier einmal Spiegel-Online:

In der am Montag in den USA erschienen Autobiografie "Apropos of Nothing" (…) widmet Allen sogar mehr als 50 Seiten dem Vorfall von 1992, bei dem er seine damals siebenjährige Adoptivtochter sexuell missbraucht haben soll. (…) Erst mit dem Aufkommen der MeToo-Bewegung fanden die Vorwürfe weitreichend Gehör und sorgten de facto für das Ende von Allens Karriere.

(…) Grund für die Anschuldigungen sei seine Beziehung zu Mia Farrows Adoptivtochter gewesen. Er habe, da er mit Farrow nie zusammengelebt habe, Soon-Yi als Kind kaum gekannt. Erst als sie erwachsen war und aufs College ging, habe Farrow Allen gebeten, ein bisschen Zeit mit der angeblich verstockten Adoptivtochter zu verbringen. Also nahm Allen, damals 57 Jahre alt, die 22-Jährige mit zu Baseballspielen. Die Beziehung zu Farrow sei da schon abgekühlt gewesen, Soon-Yi und Allen verlieben sich, haben Sex und machen, angeblich durch Zufall, weil eine Kamera gerade herumlag, nackt Polaroidfotos. (…) Die Sache mit Farrow sei vorbei gewesen, Soon-Yi 22 Jahre alt und nicht mit ihm verwandt, auch habe er keine Vaterfigur für sie dargestellt.

Er beschreibt dann, wie Mia Farrow die Fotos in Allens Penthouse in New York findet, als sie den damals vierjährigen Ronan, der damals noch Satchel hieß, von seiner Therapiestunde abholte, die wöchentlich in Allens Apartment stattfand. Farrow hätte ihm daraufhin verkündet, ihre Rache werde schlimmer sein als Allens Tod und sie nehme ihm nun seine Tochter weg, denn er habe ihr ihre weggenommen.

(…) Die Rache-Erzählung, wie Allen sie präsentiert, (…) klingt, kontextlos betrachtet, wahrscheinlicher als die Geschichte, dass Allen auf einmal seine Adoptivtochter missbraucht. Aber wie weit kommt man mit Wahrscheinlichkeiten schon bei Sexualverbrechen und wie unendlich kaputt oder krank können Menschen sein, die uns in Ordnung erscheinen, oder im Falle von Woody Allen sogar charmant und geistreich? (…) Trotzdem ist es richtig, dass Allen seine Seite der Geschichte nun dargelegt hat und ihm das im Zuge der Cancel-Kultur nicht verboten wurde.




8. Die neuesten Marvel-Superhelden sind "Safespace" und "Schneeflöckchen". Darüber berichtet der hier verlinkte Artikel der "Welt" – sowie ca. 180 empörte, belustigte und andere Videos auf Youtube.



9. Der konservative Washington Examiner beklagt, dass dasselbe Lager, das bei den unbewiesenen Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe gegen Brett Kavanaugh noch "Glaubt den Frauen!" rief, sich bei den Vorwürfen gegen Joe Biden, kommender Präsidentschaftskandidat der Demokraten, sehr zurück hält:

Natürlich müssen die Konservativen, um sich nicht selbst zu widersprechen, darauf bestehen, dass Biden ein faires, ordentliches Verfahren verdient, und Anschuldigungen allein kein ausreichender Beweis sind, um einen Mann als sexuellen Angreifer zu brandmarken und seinen Ruf und seine Karriere zu torpedieren. Aber Bidens Anhänger sind aufgrund des zutiefst illiberalen Präzedenzfalles, den sie während der Kavanaugh-Affäre geschaffen haben, in einer ziemlich schwierigen Lage. (...) Sogar Biden selbst verfolgte in der Kavanaugh-Affäre einen "Glaubt-allen-Frauen" Ansatz. Damals sagte er: "Damit eine Frau im grellen Licht der Aufmerksamkeit nach vorne treten kann, muss man auf nationaler Ebene von der Annahme ausgehen, dass zumindest das Wesen dessen, worüber sie spricht, real ist." Sicherlich müssen wir also davon ausgehen, dass "das Wesen" dessen, was [Bidens Anklägerin Tara] Reade sagt, auch "real" ist.

(…) Natürlich könnten die Verteidiger von Biden schnell darauf hinweisen, dass Reade eine Anhängerin von Bernie Sanders ist, dass der Zeitpunkt ihres Auftretens in der Tat politisch verdächtig ist und dass es bisher keine substanziellen Beweise oder Bestätigungen für ihre Behauptungen gibt. Sie haben Recht. Folglich sollten die Konservativen behaupten, dass Biden die Unschuldsvermutung verdient. Aber das galt auch für Kavanaugh, und die Demokraten entschieden damals, dass es keine Rolle spielte.

Jetzt ist es an der Zeit, dass die Linken den Preis für ihren parteiischen Verzicht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren in der Öffentlichkeit zahlen. Wenn die Demokraten nicht bereit sind, Biden aufzugeben, sollten die Konservativen darauf bestehen, dass die Demokraten zugeben, dass sie sich in Bezug auf Kavanaugh geirrt haben - und versprechen, dass sie in Zukunft die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren für alle, nicht nur für ihre politischen Verbündeten, respektieren werden.


Stattdessen trenden inzwischen die Hashtags #TimesUpBiden und 'BelieveTara. Das linke Magazin "Vox" berichtet.

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