CSU: "Söder scheitert krachend mit Frauenquote" – News vom 20. Oktober 2019
1. Unter der Überschrift "Söder scheitert krachend mit Frauenquote" berichtet der SPD-nahe Nachrichtendienst "Nordbayern" von dem CSU-Parteitag, auf dem Markus Söder sein Kernanliegen durchsetzen wollte, die parteiinterne Frauenquote bis auf die Kreisverbandsebene hinunter zu erweitern. Die Tonlage auf dem Parteitag sei nicht von den Befürwortern der Quote gesetzt worden, sondern von ihren Krtitikern.
Robert Simm zum Beispiel. Der Delegierte aus Dachau hält ein flammendes Plädoyer - nicht für, sondern gegen die Quote. "Wir brauchen das nicht", poltert er los. "Die CSU öffnet den Frauen sämtliche Türen und fördert sie. Jede Frau, die bei uns ein bisschen was auf dem Kasten hat und will, die kommt in Amt und Würden, die kommt in jedes Gremium." Simm redet sich in Rage. Und die Halle tobt. "Zutiefst undemokratisch" sei die Quote, findet Simm. "Wir müssen nicht jeden Schmarrn nachmachen."
(Der aufmerksame Leser merkt hier bereits, dass Kritik an der Quote nicht als "vernunftgesteuert" und "sachlich" präsentiert wird.)
Oder Holm Putzke aus Passau. "Werden Frauen in der CSU aktuell diskriminiert?", fragt er und gibt sich die Antwort gleich selbst: "Nein. Nicht mehr als bei SPD und Grünen, und die haben eine Quote." Auch Putzke findet das undemokratisch, er sagt, wenn das umgesetzt werde, "bevormundet die CSU ihre mündigen Parteimitglieder." Für ihn ist sie ein schwerer politischer Fehler, ein verheerendes Signal. "Wenn wir permanent geißeln, dass die Grünen eine Bevormundungspartei sind, dürfen wir nicht Quote einführen."
Und schließlich Wiebke Hönicke, Vizechefin der Jungen Union Oberbayern. "Ich setze mich in einem Männerberuf durch", sagt sie: "Ich bin Offizierin." Vor allem aber ist sie die einzige Frau in ihrem Vorstand. Sie verstehe die Diskussion nicht, sagt sie: "Bin ich eine Quotenfrau oder bin ich das geworden, weil ich Leistung gezeigt habe, weil ich mich engagiert habe? Bitte machen Sie mich nicht zu einer Quotenfrau."
Vor einem Jahrzehnt, so heißt es in dem Artikel weiter, habe die CSU ähnlich heftig über die generelle Einführung der Quote gestritten, wobei sich ihre Anhänger knapp durchsetzen hatten können. Seitdem habe sich "vor allem bei den Männern" viel Unmut aufgestaut. Die Parteiführung habe dies trotz später Versuche, etwa durch eine Rede von Barbara Stamm, nicht mehr in den Griff bekommen.
Schließlich muss Ulrike Scharf als Chefin der Frauenunion die Kastanien aus dem Feuer holen. Was eben noch verpflichtend für die Vorstände gelten sollte, wird nun zu einer bloßen Wunschvorstellung eingedampft. Aus dem Muss wird ein Soll. Auf dass die Männer ihren Frieden finden.
Es ist der Moment, zu dem sich auch Söder ans Mikrofon wagt. "Früher haben uns vor allem Frauen gewählt, nicht die Männer", sagt der CSU-Chef. "Heute schneiden wir bei den ganz jungen Frauen verheerend ab, verheerend." Das wollte er ändern mit seiner Reform, den Frauen ein Signal senden, dass auch die CSU im 21. Jahrhundert angekommen ist.
(...) Am Ende setzt ein, was Finanzminister Albert Füracker etwas flapsig die "kollektive Intelligenz dieses Parteitags" genannt hatte. Die Delegierten nehmen den Kompromiss zum Kompromiss an, machen aus der Quote ein Quötchen. Und ersparen der Führung damit die ganz große Blamage.
Die Quote ist also nicht "krachend gescheitert", sondern als Zielvorstellung erhalten geblieben. Sie ist lediglich nicht verpflichtend. Der "Zeit" zufolge ist die Parteispitze um Markus Söder knapp einer schweren Niederlage entgangen
Die Tagesschau berichtet folgendermaßen über den Parteitag:
Was als eher harmloser Gedankenaustausch über Für und Wider einer vergleichsweise moderaten Ausweitung der Frauenquote begann, kippte gegen halb elf am Vormittag. Da trat die Delegierte Hannah Lotze aus dem Kreisverband Berchtesgadener Land an eines der Saalmikrofone - und schimpfte auf die Frauenquote. Tosenden Applaus erntete sie, als sie sich "gegen den Narrativ von den bösen Männern" wandte, die Frauen nicht hochkommen ließen. Nein, sagte sie, eine Frau die etwas könne, die werde auch was in der CSU. Es waren also nicht "nur" Männer, die gegen eine Frauenquote in der CSU argumentierten.
(...) Stürmischen Applaus gab es für alle, die gegen die Quote wetterten - müden Beifall für die Befürworter. Es half auch nichts, dass Altvordere und echte Schwergewichte der CSU für die Frauenquote - und den Parteichef - in die Bresche sprangen: Christa Stewens und Barbara Stamm, Manfred Weber und Andreas Scheuer.
Gegen die Quote wird also "gewettert", "geschimpft" und "gepoltert". Die Befürworter der Quote werden freundlicher dargestellt:
Die Wende brachte erst die Chefin der Frauen-Union. Nachdem die Debatte und die Beratungen von Söder und Blume noch einige Zeit munter weiter gegangen waren und immer deutlicher wurde, dass die geplante Quote nicht mehr zu halten war, da meldete sich Ulrike Scharf zu Wort. Ihr Kompromissvorschlag: die 40-Prozent-Frauenquote in Kreisverbänden von einer Vorschrift zu einer Soll-Bestimmung herunterzustufen. Nun konnte Söder in die Debatte eingreifen - und diesen Vorschlag aufnehmen. (...) Der Parteitag nahm den Kompromiss mit großer Mehrheit an - aber der wiedergewählte Parteichef musste dafür alles aufbieten: Kompromissbereitschaft, Verhandlungsgeschick und Überzeugungskraft.
Bleibt zu hoffen, dass die CSU-Parteiführung aus der Revolte gegen ihren sexistischen Vorstoß gelernt hat und mit der "Soll"-Maßgabe angemessen zurückhaltend umgeht.
2. Auch andernorts wird männerfeindlichem Sexismus der Kapf angesagt. mit der Europol-Aktion "Kriminalität kennt kein Geschlecht":
Die Kampagne "Crime has no gender", die Europol mit dem Zielfahndungsnetzwerk ENFAST durchführt, zielt auch darauf ab, Menschen für von Frauen begangene Verbrechen zu sensibilisieren. Oft traue man Frauen schwere Straftaten nicht zu - dabei seien die von ihnen begangenen Verbrechen "genauso schwerwiegend wie jene der von Männern begangenen", sagt Europol-Sprecherin Tine Hollevoet.
(...) Insgesamt sind auf der in düsteren Farben gehaltenen Website die Geschichten von 21 von EU-Staaten gesuchten Menschen aufgelistet. 18 von ihnen sind Frauen. Internetnutzer sehen zunächst nur das Bild einer maskierten Person, das sie anklicken können. Während man dann nach unten scrollt, erfährt man mehr darüber, weshalb der oder die Verdächtige gesucht wird. Erst ganz zum Schluss wird das Geschlecht der gesuchten Person enthüllt.
Wenn wir Männerrechtler eine solche Website entwickelt hätten, wäre der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit sofort laut geworden.
3. In dem Artikel "Das rosa Paradies" (nur im Anriss kostenfrei online) untersucht der aktuelle SPIEGEL, warum Mädchen in den meisten Fächern bessere Noten bekommen, aber Jungen trotzdem oft mehr Selbstvertrauen besäßen: "Die Schule vertieft die Kluft zwischen den Geschlechtern noch."
Der Artikel nennt zunächst die bekannten Fakten zu der von unseren Leitmedien in den letzten Jahren stark vernachlässigten "Jungenkrise": Mädchen haben die besseren Noten, bleiben seltener Sitzen, machen häufiger Abitur und so weiter – trauen sich aber zugleich vielfach weniger zu, was sich im Fach Mathematik nachteilig auswirke:
Mehr Mädchen als Jungen leiden unter Schulangst, selbst bei guten Leistungen. Im Berufsleben setzt sich die Ungleichheit fort: Noch immer liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen gut ein Fünftel unter dem der Männer.
Immerhin verschweigt der Artikel von Susmita Arp und Miriam Olbrisch nicht, dass die schlechteren Noten von Jungen häufig geschlechtsbezogener Diskriminierung zu verschulden sind:
Bei gleich guten oder sogar schlechteren Kompetenzen bekommen Mädchen die besseren Noten. Das hat eine internationale Metaanalyse ergeben, die Daten von mehr als 500 Studien berücksichtigt, unter anderem Abgleiche zwischen Schulnoten und standardisierten Leistungstests, etwa den Pisa-Studien.
Der Artikel nennt auch die dafür vermutlich verantwortlichen Gründe, über die ich ebenfalls schon vor zehn Jahren geschrieben habe: Viele Lehrer tun sich mit braven, angepassten Mädchen leichter als mit forschen und renitenten Jungen und wollen die im Schnitt leichtere Formbarkeit der Mädchen offenbar belohnen. Insbesondere in der Grundschule mit ihrem starken Übergewicht an Lehrerinnen zeige sich, wie schwer sich diese Pädagoginnen in die Gedankenwelt ihrer Schützlinge einfühlen können: Male dort etwa ein männlicher Drittklässler das Bild einer "Killermaschine", reagierten die Lehrerinnen verstört auf diese "Gewalt". Sie sendeten damit den Jungen unbewusst die Botschaft: "Du bist hier in der Schule nicht richtig."
Weitere Faktoren tragen zu dieser Botschaft bei:
Die Literaturdidaktikerin Christine Garbe beobachtet bei Jungen einen "Leseknick": In der Grundschule greifen viele noch recht gern zum Buch, ab Klasse fünf nimmt die Leselust abrupt ab. "Lesen gilt als weibliche Kulturpraxis", sagt Garbe. In der Familie seien es meist die Mütter, die vorläsen, im Kindergarten die Erzieherin, in der Grundschule die Lehrerin. Die Schule, sagt Garbe, unternehme recht wenig, um Jungen zum Lesen zu motivieren. "Klassische Schullektüre orientiert sich meist an den Interessen von Mädchen.". Romane statt Sachbücher, Beziehungsgeschichten statt Abenteuer – "das geht an der Lebenswelt von Jungen vorbei".
Eben deshalb gibt MANNdat übrigens eine Jungenleseliste mit Buchempfehlungen heraus.
Die Schwächen der Mädchen im Fach Mathematik haben oft mit fehlendem Selbstvertrauen zu tun, argumentiert der Artikel. "Fast 20 Prozent der Kinder mit einer ausgeprägten Rechenstörung haben gleichzeitig eine Angststörung" wird eine bisher unveröffentlichte Studie des Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie Gerd Schulte-Körne zitiert. "In dieser Gruppe sind fast doppelt so viele Mädchen wie Jungen."
Woher rührt dieses mangelnde Selbstvertrauen? Womöglich auch daher, dass Mädchen mehr als Jungen verwöhnt werden: Veranschaulicht wird dies anhand einer Diskussion unter etwa einem Dutzend angehender Lehrer(innen), ob es in Ordnung sei, allein Jungen zu bitten, die schweren Atlanten für den Geografieunterricht aus dem Nebenraum zu holen oder ob Mädchen das nicht genauso tun könnten. Die Tendenz, schwerere Aufgaben dem männlichen Geschlecht zu überlassen, unterminiert in solchen Fällen, dass sich Mädchen als kompetent wahrnehmen.
In den folgenden Absätzen nennt der Artikel mit Bezug auf die "Jungenkrise" die Lösungsvorschläge, die seit 15 Jahren vorliegen: den stärkeren Bewegungsdrang von Jungen zulassen, Väter stärker einbinden, mehr männliche Vorbilder im Unterricht, jungenfreundlichere Bücher auswählen. Dem Selbstvertrauen von Mädchen hingegen könne in einigen Fächern zeitweilig geschlechtergetrennter Unterricht helfen, so dass die in einigen Bereichen kompetenteren Jungen sie nicht verschrecken. Denselben Vorteil könnten umgekehrt Jungen in anderen Fächern genießen. Auch die Debatte um das Für und Wider von Geschlechtertrennung wurde in den nuller Jahren eifrig geführt.
Alles in allem bietet der Artikel ein Déjà-vu nach dem anderen. Er wirkt wie der hunderste Aufguss einer Diskussion, die dann doch versandet ist, und ttaut sich nicht, die zentrale Frage zu stellen: Warum bleibt die Politik untätig, statt ebenso stark wie bei der Mädchenförderung Maßnahmen dagegen einzuleiten, dass Jungen in den allermeisten Fächern immer schlechter abschneiden?
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