Sonntag, Februar 04, 2018

Einmal ein Sieg gegen feministische Zensur – News vom 4. Februar 2018

1. Nach dem verheerenden internationalen Feedback will die Kuratorin einer Gallerie in Manchester das Gemälde "Hylas und die Nymphen" wieder aufhängen. Taktisch nicht unklug zieht sie sich auf ihre Position zurück, man habe doch nur eine Debatte auslösen wollen, und das habe man ja jetzt erreicht.

In der Tat. Wenn diese Dame in Wirklichkeit eine Anti-Feministin sein sollte, dann ist ihr ein echter Coup gelungen. Offenbar hat ihre Aktion das Fass bei vielen zum Überlaufen gebracht. So scharf wurde gegen die erdrückende politische Korrektheit unserer Gesellschaft nie protestiert wie in den letzten Tagen. Noch dazu geschah das von vielen Journalisten: ein Berufsstand, der normalerweise feministische Korrektheit gegen die Proteste von einfachen Bürgern durchdrückt.

Auf der Kommentarseite der Gallerie waren die Wortmeldungen ebenfalls durchweg negativ. Mehr als zwanzig Kommentatoren zogen Parallelen zum nationalsozialistischen Umgang mit "entarteter Kunst".

Auch die Manchester Evening News berichten.



2. Die Schauspielerin Rose McGowan, die den Filmproduzenten Harvey Weinstein beschuldigt hatte, sie vergewaltigt zu haben, befindet sich gerade auf einer Lesereise mit ihrer aktuell veröffentlichten Autobiographie "Brave" ("Mutig"). Dabei erklärte McGowan, im Alter von 15 Jahren bereits von einem anderen "sehr berühmten" Hollywood-Regisseur sexuell belästigt worden zu sein, aber sie wolle noch nicht sagen von wem. Der Gedanke, dass dieser Regisseur sich ihr gegenüber falsch verhalten habe, sei ihr erst vor wenigen Wochen gekommen.

Das Magazin Hollywood Reporter berichtet mehr über diese Anklägerin Weinsteins, die zu den Frauen gehört, die MeToo ausgelöst hatten. So habe McGowan ihre Lesereise wegen eines Vorfalls in einer Buchhandlung von Barnes & Noble abgebrochen:

Während des Signierens und einem Gespräch über McGowans Memoiren "Brave" am Union Square Barnes & Noble stand eine Transgender-Frau im Publikum auf und konfrontierte McGowan mit Kommentaren, die sie zuvor über die Trans-Community in einem Podcast mit RuPaul gemacht hatte. Nach einem angeblich angespannten Hin und Her wurde die Besucherin schließlich aus dem Laden eskortiert. Ein Teil des Austausches wurde auf Video festgehalten.

"Niemand in diesem Raum hat irgendwie eingegriffen", tweete McGowan am Freitag. Unter dem Hashtag Barnes & Noble schrieb sie: "Ich möchte eine Entschuldigung vom Manager und allen Sicherheitskräften und dem Publikum, das nichts tat und den bezahlten verbalen Angriff einer angegriffenen Frau geduldet hat. Cool?"

(...) Sie behauptete, dass Weinstein immer noch "hinter ihr her ist", und obwohl einige Zuhörer über diese Vorstellung lachten, erklärte McGowan sehr ernsthaft, sie glaube, dass sie ermordet werden könnte. "Ich kenne mein Leben und ich kenne meine Realität und ich weiß, dass Menschen wie ich getötet werden", sagte sie unnachgiebig. "Er ist schon viel länger hinter mir her."

McGowan öffnete sich auch allgemeiner, was ihre Ängste anging. Da sie in einer Sekte aufwuchs und ab dem Alter von vier Jahren Missbrauch erlebte, sagte sie, dass sie in jedem Raum nach Waffen suchte, um sich zu schützen, und gab zu, dass es ein Instinkt ist, den sie immer noch hat. Sie behauptete, jemandem sei Geld angeboten worden, um zu enthüllen, in welchem Hotel sie während ihres Aufenthalts in New York City wohnte, und dass die Frau, die sich mit ihr im Buchladen auseinandergesetzt hatte, eine "bezahlte Agentin" sei.


Inzwischen attackiert McGowan auch ihre Kollegin Alyssa Milano als "Lügnerin". Milano wird als Hauptinitiatorin der aktuellen MeToo-Kampagne gesehen.

In den Kommentarspalten unter den aktuellen englischsprachigen Artikeln sowie auf Facebook äußern sich die Leser inzwischen teils kritisch, teils amüsiert, teils geradezu verächtlich über McGowan. Allerdings ist die Schauspielerin eine von über achtzig Frauen , die Weinstein sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung vorwerfen, und Weinstein hatte auf solche Frauen tatsächlich eine kleine Armee von Agenten angesetzt.

Einen gelungenen Beitrag darüber, warum die MeToo-Debatte so unerwartet komplex ist, veröffentlichte Greta Hassler im Daily Review.



3. Man kann es sich aber auch ganz einfach machen und als eine der angesehensten Zeitungen der Welt noch das letzte Boulevardblatt an Schäbigkeit unterbieten.

Der Schauspieler Alec Baldwin war einer der wenigen, die den Regisseur Woody Allen gegen zweifelhafte Beschuldigungen sexuellen Missbrauchs öffentlich verteidigt und sie als nicht glaubwürdig bezeichnet haben. Die New York Times gibt ihm dafür einen unmissverständlichen Schuss vor den Bug:

Er hat unverblümt Frauen klein gemacht oder zurückgewiesen, die sagen, dass sie Opfer waren, einschließlich Mr. Allens Tochter Dylan Farrow und Rose McGowan. Zu ihrem wachsenden Unbehagen finden einige Zuschauer und Kritiker, dass Mr. Baldwins Verhalten beleidigend ist. Sie fühlen, dass es seine Parodie von Mr. Trump unterbietet und offenbaren eine Tontaubheit von Mr. Baldwin und im weiteren Sinne [seiner Sendung] "Saturday Night Live".

"Man muss moralisch über der Person stehen, die man parodiert, damit es effektiv ist", sagte Julianne Escobedo Shepherd, stellvertretende Redakteurin der feministischen Website Jezebel. "Es sieht so aus, als würde er sich mit den mächtigeren Leuten in solchen Situationen verbünden – nicht mit den Anklägern, sondern mit den Angeklagten."

Schlimmer noch, so sagen die Kritiker, ist, dass Mr. Baldwin in diesem #MeToo-Moment einen klassischen, unaufrichtigen männlichen Verbündeten verkörpert: Mit seinen Auftritten bei "Saturday Night Live", seiner ätzenden Persiflierung von Mr. Trump und seinen eigenen Versprechen, Frauen gewissenhafter zu behandeln, hat er die Vorteile genossen, mit dieser progressiven, weiblich-positiven Bewegung in Verbindung zu stehen, während er ihre Werte unterbietet.

"Er ist in einer Machtposition und hat eine prominente Plattform, und er muss herausfinden, ob er produktiv zum Gespräch beiträgt", sagte Jessica Coen, Chefredakteurin der Digital-Culture- Site "Mashable".

Sie fügte hinzu: "Alec Baldwin ist sozial bewusst, aber nur bis an die Grenze. Er weiß nicht, was er nicht weiß, und das ist ein großes Problem."

Mr. Baldwin lehnte es ab, für diesen Artikel interviewt zu werden, und lehnte auch eine Einladung ab, Leute in seinem Namen sprechen zu lassen. Mehrere seiner Freunde und Kollegen lehnten es ebenfalls ab, diese Woche einen Kommentar abzugeben.

(...) Online und in Interviews sagten viele Leute, dass sie entsetzt waren über das, was sie als Mr. Baldwins Kampfeslust gegen Ms. Farrow betrachteten und sein Waten in Umstände, über die er aus erster Hand nichts weiß.

"Warum jemand selbstbewusst in die Offensive gegen jemanden gehen sollte, der mutig genug ist, um sich über sexuellen Missbrauch zu äußern, ist mir völlig unbegreiflich", sagte Julie Klausner, die Schöpferin und Hauptdarstellerin der Hulu-Comedy-Serie "Difficult People", in einem Interview.

Ms. Klausner fügte hinzu: "Es gibt Loyalität gegenüber Freunden, und dann gibt es eine unaufgeforderte, freimütige Leugnung der Wahrheit eines Missbrauchsüberlebenden. Es kommt mir sehr merkwürdig vor, dass jemand, der nicht da war, so gezwungen ist, sich zu melden."

(...) Ms. Scovell, die in ihren bald erscheinenden Memoiren über den Sexismus schreiben wird, die sie in der TV-Branche erlebt hat, erklärte, sie fordere nicht, dass Mr. Baldwin bestraft oder aus seiner Rolle bei "Saturday Night Live" entfernt wird. Wenn überhaupt, so sagte sie, machten die Parallelen zwischen den Männern Mr. Baldwin zu einem qualifizierteren Ersatz für Mr. Trump. Beide Männer kamen aus den Außenbezirken von New York City (Mr. Baldwin von Long Island, Mr. Trump von Jamaika, Queens); beide hatten frühere Ehen und sind nun mit jüngeren Frauen verheiratet; beide sind wohlhabend und anfällig für Probleme der Impulskontrolle.

"Er ist ein Heuchler und Trump ist ein Heuchler", sagte Ms. Scovell. "Technisch gesehen könnte er der beste Mensch sein, um die Heuchelei einzufangen."


Vor ein paar Monaten hatte mich einer meiner Leser mal kritisiert, weil ich es gewagt hatte, die New York Times als "feministisch geprägt" zu bezeichnen. Die Zeitung sei doch so toll. Tatsächlich erweist sie sich als ein Machtinstrument, um jeden in seine Schranken zu verweisen, der von der MeToo-Linie abzuweichen wagt.

Aber natürlich schreibt das nur ein Blogger wie ich, der deutsche Vorfahren hat, Manhattan schätzt und die führenden Medien eher kritisch betrachtet. Alles genau wie Donald Trump.



4. MeToo soll sich als Leitthema durch die kommende Berlinale ziehen.



5. Die Grammys starten jetzt eine Initiative zur Stärkung von Frauen in der Musikindustrie.



6.
"Gleichberechtigung in allen Ehren - aber diese sollte in alle Richtungen gelten", denkt sich der derzeit noch arbeitslose Joe B. aus Wien. Nachdem der 45-Jährige nun in eine unangenehme, beschäftigungslose Situation geraten war, wurde ein für ihn notwendiger Kurs vom AMS abgelehnt. Grund: Er ist keine Frau. "Das AMS diskriminiert mich", ärgert sich der Wiener.


Hier geht es weiter.



7. Wenn die Bekämpfung von Prostatakrebs (mit männlichen Opfern) dieselbe Förderung erhalten würde wie die Bekämpfung von Brustkrebs (mit weit überwiegend weiblichen Opfern), könnte man 7000 Menschenleben pro Jahr retten, titelt die britische Daily Mail.

Warum ist in unserer "patriarchalen Gesellschaft" (zuletzt Anne Wizorek bei "Illner") die Sexualisierung von Frauen in den Medien ein großes Thema, aber der Tod von 7000 Männern pro Jahr allein durch diesen Faktor nicht?



8. Und wieder mal ein Blick ins angeblich übel frauenverachtende Indien. Dort hat der Oberste Gerichtshof gerade durchgesetzt, dass Gesetze gegen Vergewaltigung, andere sexuelle Übergriffe und Stalking nur weiblichen Opfern zugute kommen sollen.



9. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir auf Facebook zu der Kontroverse über das Ölgemälde "Hylas and the Nymphs":

Die gleichen Frauen, die "masculinity is fragile" brüllen, werden sauer, wenn gezeichnete Männer hübsche gezeichnete junge Frauen anschauen.


Ein anderer Leser schreibt mir zu der Allensbach-Umfrage, in der die meisten Männer MeToo für übertrieben erklärten:

Ich halte die Zahlen der Allensbach-Umfrage noch aus einem ganz anderen Grund für bemerkenswert. Im Gegensatz zur Aufschrei-Debatte, die mit einer Diskussion über Herrenwitze begann, hat diese Sexismusdebatte ja den Vorteil, dass sie mit Vorwürfen schwerwiegender Sexualstraftaten begann, die bei beiden Geschlechtern klar überwiegend auf Ablehnung stoßen. Mit dieser Grundlage wäre es bei dieser Debatte eigentlich leicht gewesen, das Volk im großen Stil hinter sich zu versammeln. Aber obwohl diese Debatte erst wenige Monate alt ist und von den Medien überwiegend positiv dargestellt wird, scheint bei einem großen Teil der Menschen jetzt schon genug Negatives angekommen zu sein, um Kritik zu üben. Da kann man sich leicht denken, wie die Lage wohl aussehen wird, wenn noch einige weitere Monate ins Land gezogen sind.

Was man bei dieser Umfrage aus meiner Sicht auch noch beachten sollte, ist die konkrete Fragestellung. In dieser kam ja folgende Formulierung vor: "Bald müssen Männer ja Angst davor haben, Frauen Komplimente zu machen." Die Ergebnisse der Befragung geben von daher keine Auskunft darüber, wie viele Frauen und Männer der Meinung sind, dass es im Zuge dieser Debatte zu Übertreibungen kommt, sondern wie viele der Meinung sind, dass Männer durch diese Debatte keine Komplimente mehr machen können. Wäre ganz allgemein gefragt worden, ob man diese Debatte oder Aspekte davon für übertrieben hält, wären die Zahlen bei beiden Geschlechtern wahrscheinlich noch größer ausgefallen.

Außerdem denke ich, dass diese Formulierung der Hauptgrund für den relativ großen Unterschied zwischen Männern und Frauen ist. Der Grund, warum es durch diese Formulierung zu unterschiedlichen Ansichten zwischen Männern und Frauen kommt, dürfte nämlich der sein, dass viele Frauen bei dieser Frage von ihrem eigenen Umgang mit männlichen Flirtversuchen ausgehen, während viele Männer stattdessen das Treiben einer radikalisierten Aktivistenszene vor Augen haben, deren Verständnis von Sexismus eben deutlich von dem der meisten Frauen abweicht. Bei einer allgemeiner formulierten Frage wäre der Unterschied wahrscheinlich geringer gewesen.


Ein weiterer Leser schreibt:

Lieber Arne,

einmal mehr vielen Dank für deine ausführliche Berichterstattung und Dokumentation - ein toller Service! Während man vor lauter Kopfschütteln schon Nackenschmerzen bekommt, gerät die Sexismus-Debatte endgültig außer Kontrolle. Es ist schön zu lesen, dass das bei immer mehr Leuten auf Ablehnung stößt. Gleichzeitig wird auch immer deutlicher, worum es eigentlich geht.

Weder geht es um verunglückte Komplimente, noch um den Inhalt eines Gedichtes oder eines Bildes. Seien wir doch ehrlich: Hätten Frauen oder Schwarze diese Werke erschaffen, würden Sie als das behandelt, was sie sind: große Kunst. Zusätzlich würden sie als Beispiele instrumentalisiert, wie sich tapfere Unterdrückte gegen die Dominanz des weißen Mannes behauptet haben.

Weiße, heterosexuelle Männer haben über Jahrtausende die Geschicke in Politik, Kunst und Wissenschaft gelenkt. Das ist zunächst einmal ein simple historische Tatsache. Dies ändert sich seit einigen Jahrzehnten zunehmend, was prinzipiell auch völlig in Ordnung ist. Dabei wird die Naivität, dies sei mit der Brechstange in ein oder zwei Generationen zu bewerkstelligen, nur noch von der Ignoranz übertroffen.

Die "Korrektur" von Kunst hat einen ganz besonders bitteren Beigeschmack. Man darf, nein muss, von erwachsenen Menschen erwarten, ein Werk in seinem historischen Kontext zu sehen. Folglich darf man es der Allgemeinheit nicht vorenthalten, und es erst recht nicht "korrigieren". Ich mag diese Vokabeln nicht, aber es lässt sich nicht anders sagen: Es trägt faschistisch-religöse Züge.

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