"Donnerschlag im Internet": Warum die Erkämpfung des Frauenwahlrechts heute noch so wichtig ist
Bevor wir zur heutigen Titelgeschichte kommen, beginnen wir mit ein paar anderen aktuellen Nachrichten.
1. Bei der "Hart aber fair"-Talkshow zum Thema Sexismus am Montagabend gab es vor allem einen Störfaktor: die Juraprofessorin Monika Frommel, die partout nicht im allgemeinen Gleichschritt mitmarschieren wollte. So oder ähnlich lesen sich viele Nachbetrachtungen der Sendung. Der "Stern" beschimpfte Frommel gleich im Teaser seines Artikels als "Ewig-Gestrige", bei T-Online beklagt Marc Merten, "dass man einige Aussagen der Professorin im Nachhinein nicht hatte übermalen können." Um zu zeigen, wie man korrekt mit abweichenden Meinungen umgeht, wurde die Kommentarspalte unter diesem Artikel erst gar nicht geöffnet.
Sachlicher ist da schon eine Analyse des liberalen Magazins "Novo", wo Frommel veröffentlicht. Die Plasberg-Show war "Weder hart noch fair" bemängeln Novo-Chefredakteur Johannes Richardt und sein Mitarbeiter Christoph Lövenich.
2.
Mehrere kleine Jungen sollen in einer australischen Zirkusschule sexuell missbraucht worden sein. Die Behörden haben deshalb fünf Frauen und zwei Männer festgenommen, unter ihnen die Gründerin der Zirkusschule sowie eine 17-Jährige. Sie werden beschuldigt, drei Kinder zwei Jahre lang systematisch gequält und missbraucht zu haben, teilte die Polizei mit. Auch Kinderpornos sollen die Beschuldigten angefertigt und sadistische Rituale durchgeführt haben. Insgesamt 127 Taten werden den Männern und Frauen zur Last gelegt.
Mehrere deutsche Medien haben diese Meldung aufgegriffen, darunter Spiegel-Online.
3.
In Dänemark startete in der vergangenen Woche eine Parlamentspetition erfolgreich, die ein notwendiges Mindestalter von 18 Jahren für nicht-therapeutische Vorhautamputationen vorsieht. Beim Erreichen von 50.000 Unterschriften wird das Parlament diesen Gesetzesvorschlag behandeln.
Der Humanistische Pressedienst berichtet.
Währenddessen kritisiert Kardinal Marx das geplante Jungenbeschneidungsverbot in Island. Es stelle eine "Bedrohung der Grundrechte" dar.
4.
Die gendergerechte Kommunikation treibt skurrile Blüten. Helvetische Universitäten, eigentlich Horte des freien Denkens und Redens, beugen sich freiwillig dem Diktat der missionarischen Bewegung.
Das berichtet Claudia Wirz in der Neuen Zürcher Zeitung und begibt sich auf "Spurensuche".
5. Die Sächsische Zeitung schildert, mit welchen Mühen Väter heute Familie und Beruf unter einen Hut bringen:
Gefährdet sind gerade Männer, die ihre Sache besonders gut machen wollen, sagt Helen Heinemann vom Institut für Burnout Prävention. Viele haben einerseits eine zu hohe Erwartungshaltung an sich selbst. Andererseits schlägt ihnen seitens der Arbeitgeber oft genug eisiger Wind entgegen, wenn sie auf Verständnis hoffen. Von Männern wird noch immer erwartet, dass sie mindestens 100 Prozent leisten - egal, wie viel Zeit sie in die Familienarbeit investieren.
(...) Männertherapeut Björn Süfke hat die Erfahrung gemacht, dass Männer diskriminiert werden, wenn sie der Kinder wegen weniger arbeiten. Um mit dieser Situation besser umgehen zu können, hilft manchen ein gutes Netzwerk. Bei Elternzeittreffs wie dem des Hamburger Vereins Väter können sich Väter austauschen und zum Beispiel über den Wiedereinstieg nach der Elternzeit sprechen, erklärt der Geschäftsführer des Vereins Roland Jenner.
Druck entsteht aber nicht nur durch die berufliche Situation, betont Heinemann. Viele Frauen geben ihren Männern das Gefühl, dass sie ihre Rolle als Vater nicht gut erfüllten. "Das ist total frustrierend für die Männer." Möchte die Mutter, dass sich der Vater mit einbringt, muss sie ihn machen lassen, sagt die Expertin.
6. Darum verdienen bei Uber männliche Fahrer mehr als Frauen.
7. Die liberale Feministin Cathy Young erklärt, warum sie Dylan Farrows Missbrauchsbeschuldigungen gegen Woody Allen nicht glaubt. Ihr Fazit:
Allens Dilemma bestätigt die Bedenken über die #MeToo-Bewegung, die Allen selbst schon früh im Weinstein-Skandal ironisch zum Ausdruck brachte: dass die nationale Abrechnung über sexuellen Missbrauch leicht zur Hexenjagd werden könnte. (...) Im gegenwärtigen Klima ist die Anklage gegen Allen weniger eine moralische Entscheidung als vielmehr ein Ergebnis intensiven sozialen Drucks, und diejenigen, die ihn verteidigen, von Keaton bis Alec Baldwin, werden selbst als Gedankenverbrecher angegriffen.
Das ist keine Gerechtigkeit, das ist Mafia-Mentalität. Und es ist die Zukunft der #MeToo-Bewegung, wenn sie ihren Kurs nicht korrigiert.
8. So, jetzt wird es aber wirklich Zeit für die Meldung, der die heutige Genderama-Presseschau ihre Überschrift zu verdanken hat.
Ihr habt es vielleicht nicht mitbekommen, aber gestern Abend um acht gab es einen "Donnerschlag im Internet". Er sollte an die Durchsetzung des Frauenwahlrechts vor hundert Jahren (in Großbritannien und sukzessive auch anderen Ländern) gemahnen und uns darauf aufmerksam machen, dass der lange Marsch der Frauen Richtung politische Teilhabe noch immer nicht vorüber ist. Um das zu unterstreichen würdigte auch die britische Premierministerin Theresa May in einer Rede in Manchester das "Heldentum der Suffragetten-Bewegung".
All dieser Pathos wird nur wenig dadurch getrübt, dass es Männer waren, die das Frauenwahlrecht durchgesetzt haben, nicht Frauenrechtlerinnen. Daran erinnert uns Belinda Brown in einer kleinen Geschichtsstunde über die Suffragetten-Bewegung um Emmeline Pankhurst. (Quellenangaben nennt Brown unter ihrem Artikel auch.) Einige Auszüge aus diesem historischen Rückblick:
Die Frage des Frauenwahlrechts stand schon seit langem auf der politischen Tagesordnung, und es herrschte allgemeine Einigkeit darüber, dass Frauen das Wahlrecht haben sollten. Es wurde 1817 von Jeremy Bentham erwähnt, als nur vier Prozent der Männer die Stimme hatten. Es wurde 1867 von John Stuart Mill zum Thema gemacht. Und als 1884 56 Prozent der Männer wahlberechtigt waren, gab es mehrere Versuche, Frauen in gleicher Weise das Wahlrecht zu geben.
Tatsächlich bemerkte Frau Pankhurst, dass wir 1884 eine Mehrheit für das Wahlrecht im Unterhaus hatten. Zu einem Gesetz, das von Lord Haldane 1890 eingebracht wurde, merkte sie an: "Es war ein wirklich erstaunliches Gesetz, königlich inklusive in seinen Begriffen. Es hat nicht nur alle verheirateten oder unverheirateten Frauen der Haushaltsklassen befreit, sondern sie auch für alle Ämter unter der Krone zugelassen."
Was in dieser Zeit weitaus weniger erreichbar schien, war das Stimmrecht für Männer der Arbeiterklasse.
Millicent Fawcett hatte als Antwort auf die Gründung der People's Suffragist Federation erklärt: "Ich glaube nicht, dass es eine große Nachfrage nach einem allgemeinen Wahlrecht gibt. Ich habe jedenfalls nichts davon erlebt, als ich mit meinen Vorträgen durch das Land gezogen bin ... Auf jeden Fall ist unsere Position klar. Wir haben nichts zu tun, und wir können nichts zu tun haben, mit einer allgemeinen Änderung des Wahlrechts, soweit es Männer betrifft ... Jede Änderung in Richtung des Wahlrechts für erwachsene Männer würde unsere Aufgabe unendlich erschweren."
Glücklicherweise sollte Frau Fawcett später ihre Meinung ändern.
Nicht so Mrs. Pankhurst. Sie war, so wie zuvor Mrs. Fawcett, dagegen, die Stimme für die Männer der Arbeiterklasse zu erkämpfen, und erkannte, dass dies viel härter werden würde, als die Stimme für die "respektablen" Frauen zu gewinnen. Darüber hinaus scheint ihr Widerstand auf der Verachtung der Arbeiterklasse zu beruhen. Sean Lang berichtet in seinem Buch über die Parlamentsreform: "Die Pankhursts wurden schrill männerfeindlich, ließen rücksichtslos sogar die loyalsten ihrer männlichen Unterstützer aus der Frauen-Sozial-und-Politik-Union fallen und behaupteten, wie Christabel [Pankhurst] es in ihrem 1913 erschienenen Buch The Great Scourge tat, dass Männer "kaum mehr als Träger von Geschlechtskrankheiten" seien.
Also eigentlich genau wie heute. Männerrechte waren weit schwerer als Frauenrechte zu erstreiten, und Feministinnen, die sich sich stattdessen ihrem Männerhass hingaben, waren komplett taub und blind dafür.
Der Staatsstreich erfolgte 1917 bei der Sprecherkonferenz. Der Labour-Führer Arthur Henderson, der ein wichtiger Akteur im Wahlkampffonds und ein hartnäckiger Lobbyist für das Frauenwahlrecht gewesen war, drohte mit dem Rücktritt aus dem Kabinett, falls das Frauenwahlrecht nicht in das zur Diskussion stehende Wahlgesetz aufgenommen wurde.
Und was war mit den Suffragetten? Das Beste, das Mrs. Pankhurst bei dem Versuch einfiel, zu erklären, was ihr Terrorismus erreicht hatte, war: "Unsere Kampagne hat das Frauenwahlrecht zu einem Thma in den Nachrichten gemacht - so etwas gab es noch nie zuvor. Jetzt waren die Zeitungen voll von uns."
Das war nicht überraschend. Zu ihrer "Herrschaft des Terrors" gehörten Hunderte von Bomben, die in Zügen, in Theatern, Postämtern, Kirchen und sogar in der Bank of England zurückgelassen wurden, während Brandanschläge auf Holzhöfe, Bahnhöfe und Privathäuser unzählige Schäden anrichteten. Es war reines Glück, dass niemand getötet wurde.
Dass der eher begrenzte Umfang ihres Einflusses so selten wahrgenommen wird, liegt vor allem an einer kleinen Gruppe ehemaliger Suffragetten, die sich daran machten, eine streng zensierte Sammlung ihrer Dokumente und Erinnerungsstücke zusammenzustellen, um so eine "hochgradig hygienisierte Version ihrer eigenen Geschichte" zu gewährleisten.
Also ebenfalls wie heute. Feministinnen besetzen vor allem Schaltstellen in den Medien, um die Wirklichkeit zu überpinseln und der Bevölkerung in den Kopf zu hämmern, was stattdessen der Fall ist.
Tatsächlich waren die Aktionen der Suffragetten katastrophal für die Sache des Frauenwahlrechts und lieferten ihren Gegnern Munition, wodurch sie bei den Anhängern des politischen Kampfes Missbilligung erzeugten. Lloyd George sagte: "Die Aktionen der Militanten sind ruinös. Das Gefühl unter den Sympathisanten [des Wahlrechts] in diesem Haus ist ein Gefühl der Panik. Ich bin ehrlich gesagt nicht sehr hoffnungsvoll auf Erfolg, wenn diese Taktik beibehalten wird."
Abschließend zieht Belinda Brown selbst Parallelen zum Geschlechterkampf von heute:
Indem die Pankhursts und ihre Partei ihren Fokus auf das Geschlecht beschränkten, verewigten sie Klassenschranken ebenso wie Feministinnen heute, wenn sie die Familie untergraben und die Frage der männlichen Arbeit ignorieren. Und gerade deshalb, weil sich die Ausgrenzung und Verachtung von Männern, die mit den Suffragetten begonnen hat, bis heute fortsetzt, entzieht sich uns die Gleichberechtigung noch immer. Erst als die Suffragisten auch die Männer unterstützten, wurde wahre Befreiung erreicht.
Das ist es, was wir jetzt wieder brauchen.
<< Home