Freitag, Februar 03, 2017

Warum Frauen weniger verdienen als Männer – Vermischtes vom 3. Februar 2017

1. Zunächst kurz in eigener Sache: Der Flirtcoach Maximilian Pütz, mit dem ich eine Reihe von Dating-Ratgebern geschrieben habe, hat mit einer neuen Videoreihe auf Youtube begonnen: Ich lese Genderama.



2. Für die ARD-Mitarbeiterin Raja Lehmke ist das Gerichtsurteil, dem zufolge das ZDF eine Mitarbeiterin nicht beim Gehalt diskriminierte, "ein Schock":



Dazu muss ich sagen, dass ich das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen an meinem Arbeitsplatz als äußerst ausgeglichen empfinde. Und ich könnte mir vorstellen, dass das ZDF ganz anders reagiert hätte, wenn kein Mann auf dem Intendantensessel sitzen würde.


Moment? Obwohl Raja Lehmke in ihrem eigenen Erleben beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenfalls keinerlei Diskriminierung verzeichnen kann, hält sie an sexistischen Vorurteilen gegenüber Männern fest? Bemerkenswert. Klar ist jedenfalls, dass auch die ZDF-Journalistin, die keine Diskriminierung nachweisen konnte, von Raja Lehmke gefeiert wird: Sie habe "ein wichtiges Zeichen" gesetzt.



3. Über das Niveau von ARD-Mitarbeiterinnen den Kopf zu schütteln ist eine Sache, eine andere aber ist es, herauszurecherchieren und darzulegen, warum Frauen im Schnitt denn nun tatsächlich weniger verdienen als Männer. Einige Gründe wurden zwar schon in den oben verlinkten Artikeln genannt, aber Christian Schmidt schlüsselt diese Gründe heute noch einmal dezidiert auf. In der Diskussionsspalte erwähnt jemand sinnvollerweise das zu diesem Thema vorliegende Grundlagenwerk Warren Farrells Why Men Earn More aus dem Jahr 2005, das natürlich nie in deutscher Übersetzung erschienen ist. Christian Schmidt fragt daraufhin in einem eigenen Kommentar nach den Erkenntnissen des Buches. Darauf wollte ich gerade antworten, als ich zu dem Schluss kam, diese Antwort, da sie sehr umfangreich ist, auch mit den Genderama-Lesern zu teilen:

Farrell spricht (unterstützt von einer wahren Flut an Belegen) von 25 Faktoren, die dazu führen, dass Frauen schlechter verdienen und die alle nichts mit Diskriminierung zu tun haben: Männer arbeiten deutlich häufiger in Berufen, die schmutziger sind, weit eher den Witterungsverhältnissen ausgesetzt, anderweitig körperlich belastender, weniger zeitliche Flexibilität bieten, weniger Kontakte mit anderen Menschen erlauben und so weiter und so fort, aber zum Ausgleich eben besser bezahlt werden. Ursache dafür ist, dass Männer viel mehr Chancen haben, eine Partnerin zu finden, wenn sie die Rolle eines Familienernährers gut ausfüllen können, was von Frauen eben nicht erwartet wird. Als Dazuverdienerin kann sich eine Frau eher einen schlechter bezahlten, aber angenehmeren und persönlich befriedigenderen Job auswählen.

Besonders fasziniert haben mich aber auch viele verblüffende Erkenntnisse, die Farrell zwischendurch einfügt. Einige Beispiele (Quellenangaben jeweils im Buch):

- Unverheiratete Frauen, die seit dem Ende ihrer Schulzeit ununterbrochen im Berufsleben standen, verdienten schon 1966 mehr als Männer unter denselben Umständen (S. xxii).

- Schon 1969 verdienten unverheiratete Professorinnen ohne eigene Veröffentlichungen 145 Prozent von dem, was vergleichbare Professoren verdienten (S. xxii).

- Im Jahr 2004 (das waren die neuesten verfügbaren Daten als Farrells Buch entstand, das 2005 erschienen ist) erhielten unter den kinderlosen, Vollzeit arbeitenden Singles mit College-Ausbildung Frauen bereits 117 Prozent des Verdienstes von Männern (S. xxii-xxiii).

- Farrell listet 39 Berufssparten auf, in denen Frauen im Schnitt mindestens fünf Prozent mehr verdienen als Männer (S. 10-13).

- Unter dem Alter von 40 Jahren hat eine Frau die 15fache Chance zur Führungskraft eines großen Unternehmens aufzurücken als ein gleichaltriger Mann (S. 173). (Quelle ist eine Studie von Korn/Ferry International: Decade of the Executive Woman: Survey of Women in Senior Management Positions in the Fortune 1000 Industrial and 500 Service Companies).

- Schließlich weist Farrell darauf hin, dass der weitaus größte Teil der Konsumentscheidungen ohnehin von Frauen getroffen wird (in Deutschland 80 Prozent). Ich hätte wesentlich lieber die Entscheidungsgewalt darüber, wofür Geld ausgegeben wird, als nur in der Situation zu sein, das ausgegebene Geld erarbeiten zu müssen. In den USA liegen 60 Prozent alles persönlichen Besitzes in den Händen von Frauen; für das kommende Jahrzehnt geht man von zwei Dritteln aus.

Alles in allem zeigt Farrell auf, dass der Aspekt "Gehalt und Geschlecht" sehr viel komplexer ist als die Dauerbeschallung mit "Frauen verdienen für gleiche/gleichwertige Arbeit zwanzig Prozent weniger als Männer" viele glauben lässt.

Farrells selbsterklärtes Anliegen ist es zu zeigen, dass Frauen keineswegs hilflose Opfer sind, sondern eine hohe Entscheidungsgewalt darüber besitzen, ob sie lieber mehr verdienen oder lieber unter angenehmeren Umständen arbeiten möchten. Er würde viele Frauen gerne von "victim power" zur "power of choice" führen.

Seiner Einschätzung nach bringt die (Selbst)-Wahrnehmung vieler Frauen als Opfer von Diskriminierung mehr Schaden als Nutzen mit sich. Sie führt nicht nur zu ständigen Ressentiments zwischen den Geschlechtern, sondern auch zu selbsterfüllenden Prophezeiungen, etwa wenn Frauen in einer Partnerschaft lieber weiter den Mann Hauptverdiener sein lassen, "weil Männer ja bekanntlich sowieso mehr verdienen". Die alten Geschlechterrollen werden so gerade beibehalten statt abgebaut.

Und er glaubt nicht zuletzt, dass es gerade die gelernten Geschlechterrollen sind, die dafür sorgen, dass dieser Diskriminierungsmythos nicht hinterfragt wird. Frauen sehen sich weiterhin als die hilflosen Opfer, die unbedingt Hilfe benötigen, statt als die autonomen Entscheiderinnen, und viele Männer gefallen sich in der Rolle der Retter, die Frauen vor den anderen bösen Männern beschützen und ihnen Beistand leisten (die anderen bösen Männer sind dann z.B. die patriarchalen Firmenbesitzer, die Frauen ausbeuten, wir bösen Männerrechtler, die Frauen als Opfer verleugnen, und so weiter).

Farrell geht also hin und überprüft, ob das, worauf sich zig Frauen und Männer verständigt haben, überhaupt den Tatsachen entspricht. Damit ist er natürlich ein gigantischer Spielverderber. Und er nimmt es ebenso wie ich hin, dass er dafür finanziell und sozial sanktioniert wird.

An einer Stelle seines Buches erwähnt Farrell, dass er in den beiden Jahren vor Erscheinen dieses Buches deutlich schlechter verdiente als zu den Zeiten, als er noch politisch korrekt im Mainstream mitgeschwommen ist und sich in einer hohen Position der US-amerikanischen Feministinnenorganisation NOW befand. De facto war es ja sogar so, dass sich seit Farrells Engagement auch für Männer und Jungen frühere Verbündete wie Gloria Steinem weigern, in einer TV-Sendung zu Gast zu sein, in der auch Farrell eingeladen war. Wer immer sich positiv auf Farrell bezieht, wird als "rechts" angefeindet, um ihn aus dem Diskurs zu entfernen.


Tiefgehende Aufsplittungen der verschiedenen Gründe für den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen findet man hier und hier. Sogar die Berliner "taz" nennt einen oft übersehenen Grund. Einen weiteren Grund, die häufig nicht speratat entlohnten Überstunden, hatte Christian Schmidt selbst in einem früheren Blogpost als wesentlichen Faktor erkannt.



4. Ein Werbespot der Firma Audi, der mit der vermeintichen Gehaltsdiskriminierung von Frauen zu punkten versucht, hat massive Kritik geerntet. Das Wall Street Journal berichtet:

The spot has amassed over 2 million views on YouTube. As of Thursday afternoon there were over 18,000 negative comments compared to around 1,110 positive ones. Some viewers were offended by the message, calling it "100% liberal trash propaganda" and "anti-male propaganda."

(...) Networked Insights, a research firm that mines social media sites, said there have been roughly 4,580 comments made about the Audi commercial on Twitter, YouTube and other social platforms as of mid-day Thursday. About 25% of the comments have been negative while 13% have been positive.




5. Eine ganze Reihe von Artikeln widmet sich aktuell einer Studie, der zufolge schon kleine Mädchen glauben, dass sie weniger intelligent sind als Jungen. Dieser Sexismus gegen das eigene Geschlecht wird vor diesem Hintergrund als einer der Faktoren dafür gesehen, dass Frauen im akademischen und beruflichen Bereich nicht so weit kommen wie Männer – es ist also eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Was dabei oft übersehen wird: Sexistische Vorurteile halten auch die Entwicklung von Jungen zurück.

By age six, girls are less likely than boys to view their own gender as brilliant and express interest in activities described as for “really, really smart” children, according to new research published in Science.

Many major media outlets reported these findings. Most of the coverage, however, overlooked another key finding from the same study: Boys were less likely to say their own gender gets top grades in school.

The beliefs of children matter because they could shape students’ interests and achievement over time, other research suggests. For instance, one 2013 experiment found that telling elementary school children “girls do better than boys” in school made boys – but not girls – perform worse on a series of academic tests. These expectations can work both ways: When researchers told children that boys and girls would perform the same, boys’ academic performance improved.

There are real and persistent gender achievement gaps in the U.S. For instance, boys tend to get worse grades than girls, but girls are few among top scorers on standardized math tests. While much research has studied how stereotypes about achievement can make girls underperform, the gaps where boys do worse have often been historically overlooked. But stereotypes can harm boys too – just in different ways.


Hier geht es weiter.



6. Die Neue Westfälische stellt das Beratungsangebot "Man-o-Mann" vor: Hier hilft der Therapeut Andreas Haase Männern und Vätern, die verzweifelt um ihre Kinder oder gegen emotionale Belastungen kämpfen.



7. "Stern TV" zeigt in einem dreieinhalbminütigen Video einen Vater, der erklärt: "Ich zahle keinen Unterhalt, weil ich meine Tochter nicht sehen darf".



8. Die marxistische "junge welt" beschäftigt sich mit dem Desinteresse der Regierenden, was Obdachlose betrifft.



9. Der Strafrechtsanwalt Christoph Negben schreibt Polizeihauptkommissarin Regina Lenders, Studiogast in der letzten Talkshow Sandra Maischbergers, einen Offenen Brief, der in Gänze lesenswert ist. Ein Auszug daraus:

Dann habe ich ausschalten müssen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Das war, als Sie sagten, es wäre frustrierend für die Polizeibeamten, wenn - wie jüngst in Hamburg - ein Vergewaltiger FREIGESPROCHEN würde. Von dem Angeklagten sprachen sie als "Täter". Damit haben Sie binnen weniger Sekunden alle Vorurteile bestätigt, die man über Polizisten so haben kann: Urteile der Justiz ignorieren Sie einfach, wenn sie Ihnen nicht passen, Unschuldige heißen bei Ihnen "Täter" und wenn ein Unschuldiger frei gesprochen wird, finden Sie das "frustrierend". Das ist zynisch, Menschen verachtend, überheblich und totalitär.




10. Die New York Times berichtet über eine Frau, die jetzt gesteht, im Jahr 1955 einen 14jährigen Jungen der sexuellen Belästigung bezichtigt zu haben. Der betreffende Junge, ein Schwarzer, wurde damals gelyncht.

Die offenkundigen Parallelen zwischen Männerfeindlichkeit und Rassismus, gerade wenn es um Falschbeschuldigungen sexueller Gewalt geht, sind immer wieder Thema der Männerrechtsbewegung, zuletzt vorgestern in diesem Beitrag.



11. Ein neues Gesetz im US-Bundesstaat Arkanas erlaubt werdenden Vätern die Abtreibung des Babys durch die Mutter zu unterbinden. Normalerweise haben Väter kein Mitspracherecht, was die Tötung ihrer Nachkommen durch die schwangere Mutter angeht.

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